Romeo in der Badeanstalt

Bereits beim Eröffnungskonzert der neuen Konzertsaison 2016/17 im September wird der neue Chefdirigent N.N. am Pult der Südwest­deutschen Philharmonie stehen, und er hat auch das Programm bereits mitgestaltet. Das Konzertjahr bietet neben Bewährtem von Haydn bis Brahms auch eine Uraufführung von Bernd Konrad im Bodenseeforum. Auf dem nächstjährigen Campusfestival spielt das Orchester zusammen mit einem DJ – und Romeo fällt Julia gar in der Bodensee-Therme erst in die Arme und später vor die Füße.

Die für das Orchester derzeit alles überragende Frage lautet: Wer wird neuer Chefdirigent (dass es ein Mann wird, scheint festzustehen)? Wer also wird die Orchesterentwicklung der nächsten Jahre ebenso wie die tägliche Probenarbeit maßgeblich prägen? Intendant Beat Fehlmann (s. Foto) macht aus dem Namen noch ein Geheimnis, weil weitere Formalitäten zu klären sind, will den KonstanzerInnen den Neuen aber noch vor der Sommerpause präsentieren.

Neue Abo-Reihe

Das Orchester glänzte in der letzten Saison wieder mit hervorragenden Besucherzahlen: 60% seiner Konzerte waren komplett ausverkauft, und die Auslastung des letzten Jahres lag weit über 90%. »Die Menschen könnten das Gefühl bekommen, dass wir ohnehin immer ausverkauft sind und sie sich gar nicht erst um Karten zu bemühen brauchen. Das ist aber falsch, es lohnt sich immer, nach Karten zu fragen,« beschreibt Fehlmann die Zwiespältigkeit dieses Erfolges.

Der Sonntag ist der erfolgreichste Konzerttag und bot bisher vier Konzerte pro Saison. Eine neue Abo-Reihe E erweitert das Sonntags-Angebot jetzt um vier zusätzliche Konzerte. Den Auftakt macht ein Brahms-Abend am 27. November, und die Reihe schließt am 18. Juni mit einem Konzert unter dem Motto »Friede«. Beginn ist jeweils um 18 Uhr.

Ein weiteres neues Format der Südwestdeutschen Philharmonie wirkt fast, als sei es der Lutherkirche mit ihrem »Kleinen Konzert« abgeschaut, das meist mehr Menschen in die Kirche lockt als das Wort Gottes: An drei Samstagen gibt es im Konzil eine »Happy Hour« von rund 45 Minuten Dauer, in der jeweils um 18.30 Uhr ein klassisches Großwerk zuerst erklärt und dann komplett gespielt wird. Den Beginn machen am 24. September Mussorgskis »Bilder einer Ausstellung«. Beat Fehlmann will es, so scherzte er, mit der Happy Hour seinen schweizerischen Landsleuten ersparen, um diese Uhrzeit im Stau zu stehen, setzt aber natürlich auch auf die Konstanzer Klassikmuffel, denen ein normales Konzert zu lang vorkommt. Die Werkeinführung und die Konzentration auf ein einziges Stück sind ein Angebot an bisher konzertscheue Menschen, ein wenig klassisch-romantische Musik mit Begeisterung hören zu lernen und somit ein Beitrag zur Erwachsenenbildung.

Bodenseeforum als Spielstätte

Das Bodenseeforum wird – nachdem das Orchester dort bereits ein Baustellenkonzert gab – am 24. März zum Spielort. Auf dem Programm steht die Uraufführung eines noch namenlosen Stücks des Konstanzer Saxophonisten und Komponisten Bernd Konrad. Konrad ist in Konstanz ein Publikumsmagnet, und auch das zweite Werk des Abends, Ravels »Daphne et Cloé« genießt berechtigte Popularität. »Wir wollen’s wissen,« kündigt Beat Fehlmann an, »denn wir werden immer wieder gefragt, ob das Bodeeseeforum nicht eine Alternative zum Konzil wäre«. Der Saal dort bietet in Konzertbestuhlung rund 900 Sitzplätze (das Konzil ca. 750), die Decke hängt rund 50 cm höher als die des Konzils, und nur vier Säulen versperren die Sicht. Ein Akkustik-Gutachten lieferte zudem keine verheerenden Werte für die Nachhallzeit und andere akustische Parameter, so dass es das Orchester jetzt auf einen Versuch ankommen lässt. Wiederholung wahrscheinlich nicht ausgeschlossen.

Bisher wurde von der Stadtverwaltung stets in Abrede gestellt, dass das Kongresshaus Bodenseeforum auch als mögliche Konzerthalle gedacht sei. Es dürfte dem Oberbürgermeister aber kaum ungelegen kommen, wenn das städtische Orchester die Auslastung des (vermutlich kräftig defizitären) Bodenseeforums steigert und mit diesem und vielleicht weiteren Konzerten die öffentliche Akzeptanz und Publizität des ehemaligen Centrotherm-Gebäudes mehrt. Dieses Konzert trägt übrigens den vielversprechenden Titel »Letzte Fahrt«.

Schostakowitsch-Schwerpunkt

Neben zahlreichen sinfonischen Schlachtrössern aus Klassik und Romantik fällt unter anderem ein kleiner Schostakowitsch-Schwerpunkt auf. Der zu Lebzeiten renommierteste Komponist der UdSSR hat sich in den vier Jahrzehnten seit seinem Tode als echter Klassiker in den Konzertprogrammen der Welt etabliert. In Konstanz gibt man heuer seine 5. und 9. Sinfonie sowie sein 1. Cellokonzert, und es steht zu hoffen, das sich so langsam ein Werkverständnis etabliert, das Schostakowitschs Musik nicht reflexartig auf einen Kommentar zu Stalin verengt, sondern sie endlich als hörenswerten Meilenstein einer von Schumann und Mahler ausgehenden Traditionslinie begreift.

Musik in der Sauna

Die Südwestdeutsche Philharmonie geht richtig baden, wenn es im Januar an drei Abenden in der Bodensee-Therme »Liebe macht nass« heißt. Die Theatergruppe der Hochschule und der Münsterchor bieten zusammen mit dem Orchester »Romeo und Julia« einmal anders. »Moosbrugger und Amann heißen die beiden mächtigen Familienclans, die das Leben im südbadischen Konstanz bestimmen und ihre Feindschaft öffentlich austragen.« Bleibt nur zu hoffen, dass man sich dabei nicht zu sehr am Weichei Shakespeare orientiert, denn bei dem versöhnen sich am Ende die Familien von Romeo und Julia über dem Grabe ihrer Kinder. Zwischen waschechten KonstanzerInnen hingegen währet der Hass bekanntlich ewiglich.

Harald Borges/Quelle: PR


Einzelkarten und Abonnements gibt es unter anderem hier:
Südwestdeutsche Philharmonie, Mo.-Fr. 9-12.30 Uhr, Tel. +49 7531 900-816, philharmonie-karten@konstanz.de
Stadttheater Konstanz, Mo.-Fr. 10.00-19 Uhr, Sa. 10-13 Uhr, Tel. +49 7531 900-150, theaterkasse@konstanz.de
Karten, Konzertkalender und weitere Informationen auch im Internet: www.philharmonie-konstanz.de