Fanpost für Lutz und Wiesner

(hr) Seitdem über seemoz öffentlich gemacht wurde, dass der Südkurier-Redakteur Michael Lünstroth von seinem Arbeitgeber ins journalistische Abseits bugsiert wurde, protestieren Leserinnen und Leser. Vielfach werden Chefredakteur Stefan Lutz und Geschäftsführer Rainer Wiesner aufgefordert, das gegen den Journalisten verhängte Schreibverbot, das jeder Grundlage entbehrt, unverzüglich aufzuheben. Hier eine kleine Auswahl der Beschwerden. Zur Nachahmung empfohlen.


Sehr geehrter Herr Lutz,
über mehrere Quellen ist mittlerweile verlautbart, dass Sie Ihren Redakteur in der Lokalredaktion Konstanz, Michael Lünstroth, aufgrund dessen Berichterstattung über das „Scala-Kino“ auf der Marktstätte scheinbar abmahnten. Sie warfen ihm demnach mangelnde Sorgfaltspflicht vor, Hintergrund dürften Beschwerden aus der Rathausspitze über eine gefühlte einseitige Wiedergabe der Geschehnisse um die Proteste der Bürgerinitiative und das Entscheidungsverfahren des Gemeinderates mit seinem Vorlauf, Gutachten und Stellungnahmen gewesen sein.

Zunächst einmal: Eine Zeitung ist kein Sprachrohr der Verwaltung. Die Medien verstehen sich im Lande zu Recht als „vierte Gewalt“ – und unterliegen damit nicht nur der Gewaltenteilung, sondern der vollkommenen Unabhängigkeit, wie Sie sie auch für Ihr Blatt proklamieren, jeden Tag neu im Titel der Ausgabe. Jeder darf sich über Verlautbarungen der Presse beschweren, Leser und nicht lesende Bürger, Gemeinderäte und auch Oberbürgermeister. Doch gerade aufgrund der Garantenstellung in Sachen Neutralität sind Zeitungen herausragend gegen den Versuch der Beeinflussung immunisiert. Allein die presserechtlichen und ethischen Grundsätze des Journalismus sind Maßstäbe, an denen sich Redakteure zu orientieren haben.

Der Deutsche Pressekodex zeigt uns auf, wann ein Journalist tatsächlich seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Lesen wir Ziffer 2, so finde ich dort keinerlei Aussage, in welcher Gewichtung ein Redakteur zu informieren hat. Viel eher ist er der Wahrheit verpflichtet, so steht es dort, was schlussendlich bedeutet, im Zweifel auch Kritik üben zu müssen. Das verlangt sogar die Präambel des Pressekodexes, die uns nochmals an die journalistischen Werte erinnert: Sie „schließt die Unabhängigkeit und Freiheit der Information, der Meinungsäußerung und der Kritik ein“.

All das hat Michael Lünstroth verwirklicht. Er hat in seinen Texten, die ich vollständig verfolgt habe, nicht nur seine Sicht der Dinge vollständig legitim auf die heikle Thematik der möglichen Entstehung eines weiteren Drogeriemarktes an einer markanten Stelle des hiesigen Stadtbildes geworfen. Viel eher hat er darüber hinaus eine Perspektive eingenommen, die sich von derjenigen abhob, welche die Stadtverwaltung öffentlich wahrnehmbar kundtat. Und genau das ist Aufgabe der Presse: Sie darf der Exekutive nicht nach dem Mund reden, sondern muss der Öffentlichkeit die Möglichkeit einräumen, andere Argumente und Sichtweisen kennenzulernen. Denn lesen wir im Pressekodex weiter, so heißt es: „Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verantwortung für das Ansehen der Presse bewusst sein“. Ja, Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit! Der SÜDKURIER ist nicht dem Oberbürgermeister oder dem Gemeinderat gegenüber verpflichtet, Meinung zu bilden, sondern gegenüber der breiten Allgemeinheit!

Die Sichtweise der Verwaltung wurde im SÜDKURIER ausreichend thematisiert, vergleichen Sie hierzu Ihre Berichte vom 09.02.2016, 07.04.2016 oder 21.04.2016. Darüber hinaus ging es bei einem Schwerpunkt, der die Bevölkerung massiv polarisierte, vor allem um die Erörterung. Und zu dieser hat Michael Lünstroth berechtigterweise meinungsstark seine Beiträge geleistet, hat dabei durchaus Mängel in der Arbeit der Stadt aufgezeigt, blieb in seinen Ausführungen trotz aller Deutlichkeit und Vehemenz aber „fair“, wie der Pressekodex es verlangt. Und besonders: Er handelte offenbar „unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen“. Viel eher scheint er in seiner zwar subjektiv anmutenden, aber mit der Richtlinie „nach bestem Wissen und Gewissen“ des Pressekodexes allemal vereinbaren Positionierung der Überzeugung gerecht zu werden, dass Medien nicht nur objektiv vermelden, sondern selbst als Akteur im öffentlichen Dialog auch Player sein können.

Dagegen habe ich Zweifel, ob der SÜDKURIER in seiner verantwortlichen Leitungsschiene den Vorsatz aus der Präambel des Pressekodexes, wonach Sie eine „Verpflichtung zum Ansehen der Presse“ tragen, derzeit beachtet. Verfolgt man die Entwicklungen, stehen Vorwürfe der erheblichen Einflussnahme von Seiten des Konstanzer Rathaus und der politisch führenden Köpfe auf Ihre Tageszeitung im Raum, den Beschwerden einer voreingenommenen Berichterstattungen gab man wohl statt, indem Herr Lünstroth entsprechend diszipliniert wurde. Welche etwaigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten eine Rolle in dieser Entscheidung gespielt haben mögen, will ich nicht beurteilen. Jedenfalls erweckt der Vorgang den Eindruck, als folge der SÜDKURIER den Eingaben der Stadtoberhäupter blind, um einen bedeutsamen Kunden nicht zu vergraulen und auch künftig als Projektpartner attraktiv zu bleiben. Dass aber möglicherweise Ihre Leser durch die Aktion um Herrn Lünstroth verstört sind und sich ihrerseits überlegen müssen, ob sie weiterhin eine Zeitung abonnieren, die sich Unabhängigkeit auf die Fahnen schreibt – und im Hintergrund diejenigen Mitarbeiter sanktioniert, die sich nicht lenken lassen, scheinen Sie weniger in Betracht zu ziehen.

Kollege Michael Lünstroth ist ein hoch angesehener Journalist und findet in der Bürgerschaft viel Rückendeckung. Ihre Vorgehensweise dagegen erntet kaum Verständnis, was unter anderem auch damit zusammenhängt, dass eine Mehrheit offenbar der Meinung ist, dieser Redakteur habe letztendlich nur seine Arbeit gemacht – und das ziemlich gut. Denn Michael Lünstroth beherrscht nun seit neun Jahren das Handwerk des Journalismus in Ihrem Unternehmen und hat sich zu einem beliebten Lokalreporter in Ihrem Hause gemacht. Jetzt wäre es an der Zeit gewesen, Ihren Redakteur zu verteidigen. Und nicht nur ihn, sondern die Pressefreiheit!

Freundliche Grüße
Dennis Riehle (Freier Journalist und PR-Fachkraft)


Sehr geehrte Herren Lutz und Wiesner,
als gelegentlicher Mitarbeiter des Südkurier möchte ich Ihnen gegenüber mein Befremden und mein Unverständnis ausdrücken, das Sie im Fall Lünstroth – oder ist es nicht richtiger ein „Fall Südkurier“? – an den Tag legen. Soviel ich aus meinen zeitgeschichtlichen Studien weiß, war es früher einmal noble Pflicht, sich bei Interessenkollisionen hinter seine Mitarbeiter zu stellen und Mut vor Fürsten- (oder OB-Thronen) zu beweisen. Das würde alle Achtung verdienen. Als Südkurier-Leser schätze ich die Meinung von Herrn Lünstroth und möchte auf dessen unabhängige Meinung nicht verzichten.

Mit freundlichen Grüßen Manfred Bosch (Schriftsteller)


Sehr geehrter Herr Lutz,
wie wir aus den Medien – nicht dem Südkurier – erfahren haben, haben Sie den Kollegen Michael Lünstroth gemassregelt. Ausschlaggebend war offenbar ein journalistischer Beitrag, der sich kritisch mit der Kommunal- und Kulturpolitik der Konstanzer Stadtverwaltung auseinandersetzte.

Wir halten dieses Vorgehen für völlig unangemessen. Es verstößt sowohl gegen die Grundprinzipien einer der Demokratie verpflichteten Berichterstattung wie auch dem Grundgesetz, das die Unabhängigkeit und Freiheit der Information, der Meinungsäußerung und der Kritik verbürgt.

Wir fordern Sie auf, die gegen Michael Lünstroth verhängte Abmahnung zurückzunehmen. Außerdem erwarten wir, dass der Kollege wieder vollumfänglich als Journalist arbeiten kann.

Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand des Ortsvereins Medien (Landkreis Konstanz) der Gewerkschaft ver.di
i.A. Dr. Pit Wuhrer, Vorsitzender


Empfehlung der seemoz-Redaktion: Stefan Lutz und Reiner Wiesner freuen sich über weitere Sympathiebekundungen ihrer Leserschaft und auch Lokalchef Jörg-Peter Rau sollte nicht leer ausgehen: Stefan.lutz@suedkurier.dereiner.wiesner@suedkurier.dejoerg-peter.rau@suedkurier.de.