Was sagen die Ratsfraktionen zum Fall Lünstroth?
(hr) Die seemoz-Redaktion wollte wissen, was die im Stadtparlament vertretenen Fraktionen über den mittlerweile bundesweit diskutierten Presseskandal zu sagen haben, für den der Südkurier verantwortlich zeichnet. Angeschrieben wurden vergangene Woche alle sieben Fraktionen des insgesamt 40-köpfigen Rates. Hier deren Antworten.
Die unmissverständliche Frage an die KommunalpolitikerInnen lautete: „Sie haben in den letzten Tagen auf seemoz die Berichterstattung über die Disziplinierung des Südkurier-Redakteurs Lünstroth durch seinen Arbeitgeber verfolgen können. Mittlerweile ist das Schreibverbot auf Druck der Öffentlichkeit zurückgenommen, die unbegründete Abmahnung aber nicht. Genau das aber fordern viele nicht nur in Konstanz. Wir möchten wissen: Was sagen Sie, was die Fraktionen zu diesem Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit in unserer Stadt?“ Hier die Antworten:
Anselm Venedey, Freie Wähler Konstanz (FWK):
Wer sein eigenes Presseorgan in der Meinungsfreiheit innerhalb der gesetzlichen Grenzen durch einen Maulkorberlass beschneidet und Redakteure mit Abmahnungen belegt, beschneidet sich seiner eigenen Freiheit. So wird der Ruf nach einem Amtsblatt zu Recht immer lauter. Leider ist dies jedoch in der deutschen Medienlandschaft mit wenigen Ausnahmen gang und gäbe. Dabei ist es im Falle von Zensur auch völlig unerheblich, ob man mit dem Inhalt der Pressenachricht einverstanden ist.
Gleichwohl waren die Freien Wähler Konstanz im Zusammenhang mit der Berichterstattung übers Scala nach der Interpretation aller Gutachten gänzlich anderer Meinung als der betreffende Südkurierredakteur. Die Gutachten waren in keinster Weise eine „schallende Ohrfeige“ für den Oberbürgermeister. Im Gegenteil – sie zwangen ihn, so zu handeln, wie es der Gemeinderat durch seinen Beschluss dann bestätigt hat.
Anke Schwede, Linke Liste Konstanz (LLK):
„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten“.
(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, Artikel 19)
Presse- bzw. Medienfreiheit ist für die Linke Liste eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Nur freie, unzensierte Medien können die Machtfülle von Regierungen und großen Unternehmen kontrollieren – ohne sie ist eine demokratische öffentliche Meinungsbildung, unabhängig von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme, nicht möglich. Dies gilt auch für Konstanz.
Wir begrüßen deshalb, dass das Schreibverbot für Michael Lünstroth aufgehoben wurde. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass dies offensichtlich auch ein Ergebnis der breiten Kritik von LeserInnen und anderen Medien am Verhalten der Verlagsleitung ist. Von den Verantwortlichen des Südkuriers sollte es als Signal verstanden werden, dass die Leserinnen und Leser der Zeitung eine ausgewogene, glaubwürdige und vor allem unzensierte Berichterstattung wollen, gerade wenn es um strittige Themen geht. Aufgabe einer „unabhängigen“ Presse ist es, auch Fakten und Meinungen zu transportieren, die den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft nicht genehm sind. Aus unserer Sicht ist der Journalist Lünstroth genau dieser Aufgabe nachgekommen, deshalb muss nach dem Schreibverbot auch die Abmahnung zurückgenommen werden. Auch eine öffentliche Stellungnahme zu dem Fall stünde dem Südkurier gut zu Gesicht.
Scharf kritisiert die Linke Liste aber vor allem, dass in dieser Sache die Konstanzer Rathausspitze offenbar versucht hat, Druck auf das Lokalblatt auszuüben. Das ist eine unerträgliche, zudem gesetzeswidrige Einmischung in die journalistische Arbeit der Zeitung. Es ist auch unsere Aufgabe als gewählte VertreterInnen der Bürgerschaft, solche Angriffe auf die Pressefreiheit zu unterbinden. Wir werden deshalb künftig noch genauer hinschauen müssen.
Normen Küttner, Freie Grüne Liste (FGL):
Die Presse- und Meinungsfreiheit ist für unsere kommunalpolitische Arbeit von herausragender Bedeutung. Für die Informationen der BürgerInnen und für den Meinungsbildungsprozess in unserer Stadt brauchen wir eine freie und unabhängige Berichterstattung durch die lokalen und überregionalen Medien. Aus dieser Motivation heraus hat die FGL am 16.6.2016 in der Gemeinderatssitzung den Fall Südkurier/Lünstroth angesprochen und Herrn Oberbürgermeister Burchardt um eine öffentliche Stellungnahme zu den Gerüchten und Vorwürfen gebeten.
An dieser Stelle verweise ich auf unsere Homepage und unsere Facebook-Seite, wo wir den Podcast mit der Anfrage hinterlegt haben: http://fgl-konstanz.de https://www.facebook.com/FGLKonstanz
Es ist kritisch anzumerken, dass in den lokalen Medien so gut wie keine Berichterstattung über unsere Anfrage erfolgte. Auch die Stadt Konstanz hat bis zum heutigen Zeitpunkt die Antwort dazu nicht veröffentlicht. Im Gegensatz zu den lokalen Medien fand z.B. die Stuttgarter Zeitung (Artikel auf unserer Homepage) diese Frage durchaus eine Erwähnung wert. Wir bleiben weiterhin aufmerksam!
Dr. Jürgen Ruff, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD):
Arbeitsrechtsrechtliche Auseinandersetzungen, bei denen es weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer oder Betriebsrat eine öffentliche Aussage gibt, kommentieren wir nicht.
Grundsätzlich gilt: Als einzige lokale Tageszeitung hat der Südkurier eine große publizistische Verantwortung. Für viele Menschen ist sie die wichtigste, wenn nicht gar die einzige Informationsquelle über lokale Themen. Dieser Verantwortung wird die Zeitung dann gerecht, das Prinzip der inneren Pressefreiheit lebt. Dazu gehört zwingend, dass feste und freie Mitarbeiter nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, offen und unvoreingenommen über lokale Probleme zu berichten und kritisch zu kommentieren.
Auch Journalisten neigen ab und an dazu, mit ihrer Meinung in Nachrichtenartikeln nicht hinterm Berg zu halten oder in Kommentaren zu überzeichnen. Deshalb muss auch ein kritischer Dialog über Inhalt, Art und Umfang der Berichterstattung möglich sein. Was ein demokratisches Gemeinwesen nicht verträgt: Wenn gegen Journalisten ausschließlich aufgrund des Inhalts ihrer Berichterstattung Sanktionen verhängt werden oder diese von Politik, Wirtschaft oder Verbänden gefordert werden. Medien leben von ihrer Glaubwürdigkeit. Eine Erklärung von Seiten des Südkurier-Medienhauses wäre daher angesichts des großen Interesses der Öffentlichkeit sicher sehr hilfreich.
Nicht reagiert auf unsere Anfrage haben Junges Forum Konstanz (JFK), FDP und CDU. Der FGL muss man in der Tat zugute halten, dass sie, informiert durch die seemoz-Berichterstattung, bei der Gemeinderatssitzung am 16.6. Oberbürgermeister Uli Burchardt sinngemäß fragte, ob er wegen der kritischen Berichterstattung Lünstroths, die dem Rathauschef gar nicht passte, beim Südkurier vorstellig geworden sei. Burchardt erklärte, ein Schreibverbot und personelle Konsequenzen habe er nie gefordert. Ja, räumte er aber ein, Kontakte zur Redaktion habe es gegeben, das gehöre auch zum Tagesgeschäft seiner Presseabteilung, wenn es darum gehe, falsche Behauptungen richtig zu stellen.
Von den schweigenden Fraktionen hätte man erwarten können, dass sie zu den von seemoz gestellten Fragen, vorrangig die Presse- und Meinungsfreiheit betreffend, klare Antworten geben, verbunden mit der Aufforderung an den Südkurier, die Abmahnung unverzüglich zurückzunehmen. Damit wären sie nicht allein gewesen, denn die Causa Südkurier/Lünstroth hat längst den lokalen Suppenteller verlassen, wie die bundesweite Berichterstattung – u. a. Kontext, taz, Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, SWR, Neues Deutschland, hpd, BildBlog, turi2 – eindrücklich beweist. Das Stillschweigen eines Teils der Konstanzer Ratsfraktionen ist wohl eher damit zu erklären, dass man es sich nicht mit dem einflussreichsten Meinungsmacher am Platz verscherzen will, dann doch lieber kuscht und inbrünstig auf das Vergessen setzt. Solidarität und Eintritt für die Medienfreiheit sieht anders aus. Glaubwürdigkeit auch.
Die Kommentare klingen merkwürdig abgehoben. Alle. Und den Fraktionen, die nicht geantwortet haben, geht es vielleicht wie mir, es hat ihnen die Sprache verschlagen angesichts dieser Entwicklung.
Anselm Venedeys Kommentar habe ich im ersten Teil überhaupt nicht verstanden. Warum um Himmels Willen sollen wir jetzt ein Amtsblatt wollen? Und im zweiten Teil ist das Thema verfehlt: Anselms Meinung zum Scala ist hier nicht gefragt, sondern die Pressefreiheit.
Normen Küttner verweist auf Fragen, die die FGL gestellt und noch nicht beantwortet hat. Ist das eine Antwort auf die Vorgänge? Ist das eine konkrete Ansage der FGL? Und Herr Ruff: Sie meinen es ja nicht böse, aber nützt im Augenblick diese lange Abhandlung über Parteilichkeit und Ausgewogenheit irgendetwas? Wie wäre es gewesen, ein bisschen mehr Kante zu zeigen, was die Pflichten des Südkuriers angeht? Es geht nicht darum, dass dieser „hilfreich“ für uns sein möge – der Südkurier ist der einzige, der hier jetzt endlich informieren und begründen muss, was hinter den Kulissen passiert! Oder sagen muss, warum er nicht sagen kann, was dort passiert. Darauf warten wir jetzt.
Oder soll es nach der Pappelallee und dem Scala gleich die dritte Bürgerinitiative für Meinungsfreiheit in Konstanz geben?
Am besten ABO kündigen und sich das OB Verhalten für die nächste Wahl gut merken
#Thomas Martens
Da haben Sie ja wirklich die richtigen Namen genannt. Ich möchte nur noch hinzufügen, dass man jetzt, nachdem sich die Lage nach Herrn Lünstroths Kündigung seines Vertrag beim Südkurier geklärt hat, und auch keine formalrechtlichen Hindernisse für eine umfassende Stellungnahme mehr bestehen, die Fraktionen nochmals um eine Stellungnahme bittet.
Unguter Kuschelkurs, der da in Konstanz von diversen Kommunalpolitikern gefahren wird. Dabei würden mir spontan eine ganze Reihe von Leuten einfallen, die mal auf den Tisch hauen könnten, weil sie es können. Z.B. Tscheulin, MüFe, Jacobs-Krahnen, Weber.
Selbst wenn man es sich dann mit dem SK verscherzen sollte (was traurig wäre), gebe es in einer Stadt, in der ohnehin nur ein Bruchteil der Wähler ein Abo hat, genug Möglichkeiten, sonstwie auf sich und seine Politik aufmerksam zu machen.