Flüchtlinge: Gesetzeslage wird schamlos ausgenutzt

Bauvorhaben im Landschaftsschutzgebiet? Kein Problem. Vieles, was noch vor einiger Zeit undenkbar war, ist heute Behördenpraxis. „Es darf nicht sein, dass gezielt dort gebaut wird, wo es bisher aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes strikt verboten war“, meint Karl-Ulrich Schaible vom Vorstand des BUND Konstanz. Eine Änderung des § 246 Baugesetzbuch ermöglicht Ausnahmeregelungen im Baurecht für die Unterbringung von Asylsuchenden, die von den Verwaltungen offenbar dankbar angenommen werden.

Exemplarisch spielen sich in Konstanz und Umgebung derzeit Fälle ab, die belegen, wie großzügig die neuen rechtlichen Chancen genutzt werden, um auch außerhalb der Flächennutzungspläne aktiv zu werden. So entsteht in Egg eine Anschlussunterbringung in einem Biotop, das nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geschützt ist. Zudem wird auf eine Streuobstwiese zugegriffen. In Allensbach soll eine Unterkunft im Landschaftsschutzgebiet entstehen. Und in Litzelstetten wird eine Anschlussunterbringung im Bereich der Grünzäsur nahe des Waldfriedhofes geplant, wo noch im vergangenen Jahr eine Bebauung von der zuständigen Stelle abgelehnt worden war.

„Kritisch zu sehen ist das mangelnde Bemühen der Gemeinden, alternative Standorte zu suchen. Dass nun in Außengebieten gebaut werden darf, lädt die oftmals überlasteten Mitarbeiter wohl dazu ein, sich nicht die Mühe zu machen, auf die Suche nach Plätzen zu gehen, die außerhalb von Schutzgebieten liegen. Damit werden Flächen verbraucht, die nicht ohne Grund geschützt sind“, schimpft Karl-Ulrich Schaible.

Eigentlich war die Änderung im Baurecht dazu gedacht, Konversionsflächen (ehemalige Gewerbeflächen) schneller einer Wohnbebauung zuzuführen. In Konstanz aber werde die Gesetzesänderung genutzt, um die Wohnbebauung in die Schutzgebiete auszuweiten und die im Flächennutzungsplan dafür vorgesehenen Flächen zu schonen. Alternativen würden zumeist nicht oder nur unzureichend geprüft. Dies mag mit der Überlastung der Behörden zusammenhängen, meint der BUND-Konstanz.

Unglücklich sei jedoch, dass die Ämter, die für die Flüchtlingsunterbringung zuständig sind, ebenso im Landratsamt angesiedelt sind wie die Ämter, die Ausnahmegenehmigungen erteilen. Damit bleibt eine Beteiligung der Verbände und eine transparente Prüfung von Bauanliegen dieser Art aus, was gegenüber den zuständigen politischen Gremien und der Bevölkerung eine Einschränkung der demokratischen Teilhabe bedeutet, kritisieren die Naturschützer. Die baulichen Eingriffe seien irreparabel und nicht nur ein Verlust für die Natur. Gesunde und funktionierende Biotope und Landschaftsbilder würden zersiedelt und durch eine immense Versiegelung und Zerschneidung zerstört.

Nicht zuletzt habe das Vorgehen auch einen sozialen Aspekt: Die Geflüchteten werden auf oftmals in völlig fern vom Ortskern liegende Areale außerhalb des Stadtlebens, abseits von Infrastruktur und persönlichen Kontakten abgeschoben. „Ghettos in Schutzgebieten sind bei einer entsprechenden Gesetzeslage vielleicht einfache, aber keine nachhaltigen Lösungen für eine Herausforderung, die sich mitten in unserer Zivilgesellschaft, statt im Biotop am Rande abspielen sollte“, bekräftigt Karl-Ulrich Schaible.

MM/hpk