Alarm bei Pflegeplätzen
Im August 2019 endet die Übergangsfrist der so genannten Landesheim-Bauverordnung, die Bau- und Raumkonzepte von Pflegeheimen regelt. Für die schon angespannte Situation der Konstanzer Pflegeheime würde das im schlimmsten Fall den Wegfall von 158 zusätzlichen Plätzen bedeuten.
Die Unterbringung in Pflegeheimen soll sich laut Verordnung „vorrangig an den Zielen der Erhaltung von Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität orientieren“ und in erster Linie als Wohnraum verstanden werden. Zukünftig muss nach der Landesheimbauverordnung unter anderem jeder Bewohnerin und jedem Bewohner standardmäßig ein Einzelzimmer zu Verfügung stehen. Dieses muss mindestens 14 Quadratmetern groß sein und eine Raumbreite von mindestens 3,20 Metern haben. Vorflure und Sanitärbereiche zählen dabei nicht zur Zimmerfläche. Außerdem dürfen in Wohngruppen künftig maximal 15 BewohnerInnen bei entsprechenden Gemeinschaftsflächen leben. Die Regelung trat im September 2009 in Kraft und gilt bereits für bestehende Pflegeheime. Außerdem wurde eine gesetzliche Übergangsfrist gewährt, die am 31. August 2019 endet.
Die Umsetzung der Landesheimbauverordnung führt aller Voraussicht nach zu einem Abbau von Pflegeheimplätzen. So würden im schlimmsten Fall im Landkreis Konstanz nach Schätzungen der Heimaufsicht bis zu 1016 Plätze abgebaut. Der Landkreis hat aber für das Jahr 2020 einen Bedarf von 2863 Pflegeheimplätzen berechnet. Unter diesen Voraussetzungen wären das 1002 Plätze zu wenig. Für Konstanz bedeutet das im schlimmsten Fall, dass 158 Plätze wegfallen würden. Die Heime haben jedoch die Möglichkeit, einen Antrag auf vollständige oder teilweise Befreiung oder auf eine Ausnahmeregelung zu stellen. Würden die Anträge der Konstanzer Heime genehmigt werden, wären es 46 Plätze, die entfallen würden.
Bereits heute ist Situation in der Stadt angespannt. Durch die Umsetzung der Landesheimbauverordnung wird sich die Lage noch deutlich verschärfen. Der Haltung der Stadtverwaltung gegenüber der Landesheimbauverordnung ist dementsprechend kritisch. Zukünftig soll das Thema verstärkt in die Politik getragen und ämterübergreifend nach Lösungen gesucht werden. Außerdem soll der Bedarf nach neuen Pflegeheimplätzen auch im Handlungsprogramm Wohnen eine stärker berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollen künftig auch alternative Pflegeformen, wie die Pflegewohngemeinschaften stärker in Konstanz etabliert werden. Bereits im November 2015 und im April dieses Jahres fanden umfangreiche Informationsveranstaltungen zu Pflege-WGs statt.
Weitere Informationen hierzu gibt es auf der Internetseite der Stadt Konstanz (www.konstanz.de) auf der Seite Altenhilfe-Beratung.
MM
Zuerst wird auf mehr Einzelzimmer und Wohnfläche gepocht – nun ist der Aufschrei über die Konsequenzen groß: Wir stehen durchaus vor einem Dilemma: Einerseits wollen wir eine angemessene stationäre Pflege mit ausreichend Lebensqualität für die zu Pflegenden; andererseits gefährden höhere Standards die Zahl der Plätze.
Letztendlich wird Vieles auf die weitere Fokussierung „ambulant vor stationär“ hinauslaufen, die die meisten Pflegebedürftigen ja auch favorisieren. Unter dem Aspekt zunehmender neurodegenerativer Erkrankungen im Alter wird sich dann aber auch die Frage stellen, ob das heimische Umfeld diese Anforderungen erfüllen kann. Schon jetzt klagen Angehörige zu Recht über die schiere Unüberwindbarkeit der Herausforderungen, beispielsweise bei ambulanter Betreuung Demenzkranker.
Gerade bei niedrigeren Pflegestufen wird es aber einen Paradigmenwechsel, nicht nur auf dem Papier und in den Köpfen, brauchen. Der Ausbau der ambulanten Versorgung, die wohl zunehmend auch um einen niederschwelligen Anteil ergänzt wird, benötigt neben strukturellen Überlegungen auch ausreichend Werbung, Aufklärung und Information, um zu verinnerlichen, dass im Zeitalter des demografischen Wandels das Pflegeheim nicht mehr „erste Wahl“ ist.
Daneben müssen die Überlegungen für andere Pflegeformen fortgesetzt werden – auch abseits der viel gepriesenen Wohngemeinschaften. Weitere Mittelwege zwischen stationär und ambulant dürften die Lösung sein, dezentral und trotzdem sicher, fürsorgend und leistungsstark. Das Brainstorming braucht neue Dynamik, unter Einbeziehung breiter Bevölkerungsschichten. Denn schließlich wird es uns auch alle irgendwann betreffen…