Forschungspreis für Konstanzer Vogelforscher

Martin Wikelski, Honorarprofessor an der Universität Konstanz und Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie, Radolfzell und Seewiesen, erhält den Max-Planck-Forschungspreis für seine Forschung zur Interaktion von Tieren mit ihrer Umwelt. Martin Wikelskis Arbeit, die als weltweit führend gilt, bedient sich eines grundsätzlich neuen Ansatzes – der Lebenszeit-Beobachtung von Tieren im Freiland.

Mithilfe des von ihm initiierten Satellitensystems ICARUS wird es ab 2017 möglich sein, das Verhalten auch kleiner Tiere weltweit durchgehend zu beobachten. Auch die globale Datenbank Movebank geht auf Initiative des Biologen zurück. Langfristiges Ziel dieser Forschung ist, durch das Verhalten der Tiere, insbesondere durch Wanderbewegungen auch kleiner Tiere, das Leben auf der Erde zu beobachten und dadurch Naturkatastrophen oder den Ausbruch von Krankheiten wie Ebola voraussagen zu können. Der gemeinsame Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Max-Planck-Gesellschaft ist mit 750.000 Euro dotiert.

Messsysteme der Tiere sind überlegen

Anstatt unter Laborbedingungen forscht Martin Wikelski im Freiland. Nur so lässt sich untersuchen, wie ein Vogel von Europa nach Afrika navigiert oder nachts im Dunkeln durch einen bewölkten Himmel von Amerika nach Kanada findet. Der Biologe untersucht die Orientierungsmechanismen von Tieren, wie sie Informationen aus der Umwelt aufnehmen, verarbeiten und in Entscheidungen umsetzen. „Anhand ihrer besseren Messsysteme und überlegener Informationsverarbeitung können Tiere Vorhersagen machen, zu denen menschengemachte, technische Sensorik nicht in der Lage ist“, weiß Martin Wikelski. Wobei es hierbei nicht um das Verhalten von Einzeltieren geht, sondern von Tierkollektiven, verstanden als Netzwerke von intelligenten Sensoren, die sich über Milliarden von Jahren entwickelt haben.

Wikelski stattet einzelne Tiere mit Miniatursendern aus, die nicht nur Daten zum Tierverhalten, sondern auch zu den Umweltbedingungen aufzeichnen, in denen sich die Tiere bewegen. Bedeutenden Anteil am Bau der Sender haben die Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität Konstanz. Die gesendeten Daten werden in der globalen Datenbank Movebank gespeichert, die Martin Wikelski in Kooperation mit dem Kommunikations-Informations-, Medienzentrum (KIM) der Universität Konstanz weiterentwickelt. Erfasst werden die Daten bald durch das Satellitensystem ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space), das der Biologe federführend auf den Weg gebracht hat und mit dessen Hilfe die Daten überall auf der Welt ausgelesen werden können. ICARUS wird von der Raumfahrtfirma SpaceTech in Immenstaad am Bodensee federführend gebaut und von einem internationalen Konsortium von Wissenschaftlern betrieben. Im Juni 2017 soll ICARUS auf der internationalen Raumstation ISS installiert werden.

Schwarmverhalten sagt Erdbeben voraus

Zur Analyse der Positions-, Körper- und Umgebungsdaten der Tiere nutzt Professor Wikelski eine weitere Konstanzer Expertise. Der Informatiker Prof. Dr. Daniel Keim ist spezialisiert auf die visuelle Analyse großer Datenmengen. Er verknüpft die multiplen Datensätze in ausgeklügelten Visualisierungen, wodurch sie erst interpretierbar werden. Martin Wikelski ist wichtig, dass die Förderung durch den Max-Planck-Forschungspreis in einen größeren Zusammenhang gestellt wird, der konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat. Die global gesammelten Daten werden es ermöglichen, Erkenntnisse zum Klimawandel zu sammeln, Erdbeben vorauszusagen oder beispielsweise den Ebola-Wirt zwischen zwei Epidemien zu identifizieren. Schließlich könnten in naher Zukunft Heuschreckenplagen der Vergangenheit angehören, weil es möglich sein wird, das Schwarmverhalten der Tiere zu verstehen. Die Idee dahinter ist, überall auf der Welt „Anzeigetiere“ zu haben, mit deren Hilfe ein globales Beobachtungssystem aufgebaut werden kann.

MM/hpk