Interessenkonflikt beim Südkurier?

In der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause wurde eine Entscheidung von großer Tragweite getroffen – dennoch fand sie erschreckend wenig mediale Resonanz. Der Gemeinderat stimmte dem Verkauf einiger Anteile der bisherigen „Tourist Information Konstanz GmbH“ und der „Stadtmarketing Konstanz GmbH“ im Rahmen der Verschmelzung zur neuen „Marketing und Tourismus Konstanz GmbH“ an die „SÜDKURIER GmbH Medienhaus“ zu.

Mit 28 Ja- und 7 Nein-Stimmen – von Mitgliedern der FGL, der LLK und von Jan Welsch (SPD) –  bei 4 Enthaltungen war das Ergebnis erschreckend eindeutig. Bedeutet es doch, dass die Stadt Konstanz in Zukunft eine neue Mitgesellschafterin haben wird. Auch die Neue wird dazu verpflichtet sein, den Gesellschaftszweck „… Koordination, strategische Entwicklung, Vermarktung und Förderung der Stadt Konstanz nach innen und außen in den Bereichen Tourismus und Stadtmarketing und alle hiermit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten und Dienstleistungen“ zu fördern. So steht es im Gesellschaftsvertrag und so sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor.

Laut BGB unterliegen die Gesellschafter einer GmbH einer sog. Treuepflicht. Das bedeutet, dass alle an einer GmbH Beteiligten die Interessen der Gesellschaft wahren müssen. Sie dürfen die Unternehmensinteressen nicht durch schädigendes Verhalten beeinträchtigen und haben auch Rücksicht auf die Interessen der anderen Gesellschafter zu nehmen.

Noch unbequeme Fragen?

Was bedeutet das konkret im Falle der beiden Gesellschafterinnen Stadt Konstanz und SÜDKURIER GmbH Medienhaus? Die Tageszeitung Südkurier, die die SÜDKURIER GmbH Medienhaus herausgibt, hat faktisch eine Monopolstellung im Landkreis Konstanz inne. Damit trägt die SÜDKURIER GmbH Medienhaus eine hohe Verantwortung. Man ist in Konstanz auf ihre umfassende, korrekte und unverzerrte Darstellung der lokalen Geschehnisse angewiesen. Es stellt sich die Frage: Ist es im Interesse einer freien und unabhängigen Presse, wenn die SÜDKURIER GmbH Medienhaus offiziell partnerschaftlich mit der Stadt Konstanz verbunden ist und sogar per Gesetz und Satzung dazu verpflichtet ist, die Stadt „nach innen und außen“ zu fördern und vor Schaden zu bewahren. Ist nicht gerade eine kritische Berichterstattung wichtig, die Entscheidungen der Stadtverwaltung und des Gemeinderates von allen Seiten beleuchtet, unbequeme Fragen stellt und in Kauf nehmen muss, der Stadt sogar einen Imageschaden zuzufügen?

Auf jeden Fall scheint eine derartige Verquickung nicht im Sinne des Pressekodex zu sein, denn dort ist unter Punkt 6 zu lesen: „Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.“

Mit gutem Grund wird im Pressekodex der Konjunktiv „könnte“ verwendet. Und was „könnte“ die Glaubwürdigkeit stärker in Frage stellen als die wirtschaftliche und personelle Verquickung eines Medienunternehmens mit der Stadtverwaltung? Die Medien, die sog. „Vierte Gewalt“, haben in Deutschland eigentlich die Aufgabe, von außen wachsam und kritisch über Vorgänge in der Politik zu berichten. Vergleichbar ist das mit einem Richter oder einer Richterin, die bereits aufgrund der „Besorgnis der Befangenheit“ abgelehnt würden. Es muss dazu nicht bereits zu einem parteiischen Urteil gekommen sein, alleine die Möglichkeit zählt.

Wer sitzt am Tisch?

In der betreffenden Gemeinderatssitzung verteidigten OB Burchardt und der Geschäftsführer der neuen GmbH, Eric Thiel, den Vorschlag der Verwaltung. Die SÜDKURIER GmbH Medienhaus sei nicht nur „der Südkurier“. Vielmehr würden „mehr als 50 % des Geschäfts außerhalb der Zeitung gemacht“. Des Weiteren würde „nicht die Redaktion am Tisch sitzen“, sondern die Geschäftsführung oder deren Vertreter. Auch die Wichtigkeit und Größe als Arbeitgeber wurde betont.

Diese Argumentation geht nicht auf das Kernproblem ein, sondern nennt nur Vorteile aus Sicht der Stadt. Insbesondere die Trennung, auf die Uli Burchardt und Eric Thiel großen Wert legten, ist nicht zu erkennen. Für den Online-Auftritt des Südkuriers ist laut Impressum durchaus direkt die SÜDKURIER GmbH Medienhaus redaktionell verantwortlich. Die SÜDKURIER GmbH Medienhaus nimmt bei der Eigendarstellung ihres Managements keine derartige Trennung vor und sieht alle unter einem Dach vereint. Deutlich wird dies auch durch die Verwendung ein und derselben E-Mail Domain „suedkurier.de“.

Nicht zuletzt werden im Pressekodex ausdrücklich die Verleger, also die Geschäftsführung, in die Pflicht genommen. Es wäre wohl weltfremd, der Redaktion die alleinige Verantwortung zu übertragen und anzunehmen, ein Interessenskonflikt der Verlagsleitung würde nicht umgehend zu einem Interessenskonflikt der Mitarbeiter.

Freie Berichterstattung?

Die Größe und auch die Vielfältigkeit der SÜDKURIER GmbH Medienhaus wiederum, ist eigentlich sogar ein weiterer Grund dafür, einen Interessenskonflikt als problematischer anzusehen, denn gerade die Größe des SÜDKURIER führt zu seiner Quasi-Monopolstellung. Gäbe es genügend große Wettbewerber, wäre das Problem der freien und unabhängigen Berichterstattung zumindest aus Bürgersicht geringer.

Fazit: Eine neue Qualität der Berichtserstattung ist erreicht. Der Südkurier ist nunmehr Kraft Gesetz und Vertrag fest mit der Kommune verbunden. Leser der Zeitung werden sich in Zukunft fragen müssen, ob ein Artikel auf kritischer Recherche beruht oder im Sinne des Gesellschaftszwecks „Vermarktung und Förderung der Stadt Konstanz“ geschrieben wurde. Ebenso wichtig ist in Zukunft die Frage, ob nicht Informationen fehlen. Alleine die Tatsache, dass über die beschlossene Zusammenarbeit nicht umfassend und zeitnah berichtet wurde, spricht für sich.

Passend dazu ein Zitat, das verschiedenen Autoren, u a. George Orwell, zugeschrieben wird: „Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations“.

Peter Magulski