Wer zahlt was für Infostände? Oder: Wie vergesslich darf die Konstanzer Stadtverwaltung sein?
Seit geraumer Zeit hat die Konstanzer Stadtverwaltung einen restriktiveren Kurs bei der Bewilligung von Infoständen zivilgesellschaftlicher Gruppen eingeschlagen. So kassiert das zuständige Straßenverkehrsamt seit Frühjahr statt 25 pro Stand plötzlich 50 Euro an Gebühren. Gab es bis zum März die Möglichkeit, mehrere Stände gleichzeitig zum alten Preis zu beantragen, will die Stadt nun den Betrag für jeden einzelnen Stand berechnen.
Zudem berichteten mehrere Initiativen, darunter auch das Konstanzer Bündnis gegen TTIP, CETA und TiSA, dass es zunehmend Schwierigkeiten gibt, eine Genehmigung für einen Infostand auf dem Obermarkt zu erhalten, auch das entgegen der früheren Genehmigungspraxis.
Schon früh hat die Linke Liste Konstanz (LLK) gegen diese offenkundige Behinderung der Arbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen protestiert und von der Stadt verlangt, diese Gängelung von Initiativen einzustellen. „Für ehrenamtlich tätige Initiativen und Organisationen bedeutet die verschärfte Gangart bei der Genehmigung von Infoständen eine empfindliche Behinderung ihrer Aktivitäten“, so die LLK-Stadträte Anke Schwede und Holger Reile in einer Pressemitteilung. Informationsstände seien ein wichtiges Instrument für Bürgerinnen und Bürger, öffentlich für ihre Ziele zu werben oder Kritik zum Ausdruck zu bringen. „Das zu beobachtende restriktive Vorgehen bei der Genehmigung und die drastischen Gebührenerhöhungen sind deshalb eine nicht hinzunehmende Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung“, so die LLK-Räte weiter.
Hat wer was vergessen?
Bei der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause machten bei der Bürgersprechstunde Vertreter_innen von Konstanzer Initiativen selbst ihrem Unmut Luft. So protestierte etwa Dietmar Messmer von der Bürgergemeinschaft Petershausen gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit per Gebührenerhöhung. Der OB versuchte abzuwiegeln: Niemand gehe es darum, Meinungsäußerungen einzuschränken. Absurde Begründung für die Verdoppelung der Kosten: Bislang, so das mehr als dünne Argument, habe die Stadt vergessen, neben den anfallenden Verwaltungsgebühren die ebenfalls zu erhebenden Sondernutzungsgebühren zu kassieren. Kaum glaubhaft, dass die zuständigen Verwaltungsexperten über Jahrzehnte ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben sollen. Tatsache ist jedenfalls, dass nach geltender Rechtslage die Stadt sogar ganz darauf verzichten kann, Gebühren für Infostände zu erheben, „wenn die Sondernutzung überwiegend im öffentlichen Interesse liegt oder ausschließlich gemeinnützigen oder sonstigen allgemein förderungswürdigen Zwecken dient“, wie es in der städtischen Satzung heißt.
Gerade die Infostände der TTIP-Gegner_Innen beispielsweise liegen eindeutig im öffentlichen Interesse, hat der Gemeinderat selbst im Oktober 2014 doch eine Resolution gegen die geplanten Freihandelsabkommen beschlossen.
Proteste überall
Im und neben dem Gemeinderat (GR) gab es laute Proteste. So fordert Jürgen Ruff, SPD-Fraktionsvorsitzender, bereits im Juli den OB schriftlich auf, bis zur endgültigen Klärung der Frage im Herbst im GR die bisherige Praxis beizubehalten – Uli Burchardts Antwort blieb nichtssagend, denn er wiederholte die Aussagen seines Amtsleiters Fischer aus dem GR.
Die Linke Liste hat Ende August einen Antrag an den Gemeinderat eingebracht, der die Stadt darauf festnageln will, auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände zivilgesellschaftlicher Gruppen gänzlich zu verzichten und sich auch gegen die örtliche Einschränkung von Standorten richtet. Der Antrag und seine Begründung im Wortlaut.
jüg/hpk
Antrag
Der Gemeinderat beschließt:
1. Die Stadt Konstanz verzichtet auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände zivilgesellschaftlicher Gruppen.
2. Die Stadtverwaltung prüft von zivilgesellschaftlichen Gruppen gewünschte Standorte für Infostände in jedem Einzelfall.
3. Die Stadtverwaltung prüft die rechtlichen Möglichkeiten, Infostände zivilgesellschaftlicher Gruppen generell kostenfrei zu genehmigen.
Begründung:
Seit Jahrzehnten ist es in Konstanz guter Brauch, dass zivilgesellschaftliche Gruppen und politische Organisationen mit Informationsständen auf ihre Anliegen aufmerksam machen können. Bis vor kurzer Zeit genehmigte die Konstanzer Stadtverwaltung solche Stände meist problemlos und zu relativ moderaten Kosten, einige Gruppen waren von den Kosten ganz befreit. Nach einer Intervention der Linken Liste Konstanz wurde sogar das Verbot von Infoständen auf Wochenmärkten außerhalb von Wahlkampfzeiten aufgehoben.
Seit kurzem hat die Stadtverwaltung die Kosten für die Genehmigung der Stände drastisch erhöht. Bei der letzten Gemeinderatssitzung hat sie das damit gerechtfertigt, in der Vergangenheit habe man „vergessen“, neben den Verwaltungsgebühren die Kosten für die jeweils notwendige Sondernutzungserlaubnis zu berechnen. Außerdem hat sie das Aufstellen von Infoständen auf bestimmte Orte eingeschränkt.
Informationsstände sind für zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen ein wichtiges Mittel, sich öffentlich zu artikulieren und eigentlich ein selbstverständliches Instrument für Bürgerinnen und Bürger, öffentlich für ihre Ziele zu werben oder Kritik zum Ausdruck zu bringen. Diese Möglichkeiten werden durch die jetzigen Gebührenerhöhungen und örtliche Beschränkungen empfindlich eingeschränkt.
Dabei sieht die „Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen“ ausdrücklich die Möglichkeit vor, von der Erhebung von Gebühren abzusehen, wenn die Sondernutzung überwiegend im öffentlichen Interesse liegt oder ausschließlich gemeinnützigen oder sonstigen allgemein förderungswürdigen Zwecken dient (§ 4 Abs. 2).
Im Fall der Initiative gegen TTIP, CETA und TiSA beispielsweise liegen die Infostände eindeutig im öffentlichen Interesse, hat der Gemeinderat im Oktober 2014 doch eine Resolution gegen die geplanten Freihandelsabkommen beschlossen.
Die Linke Liste Konstanz will mit ihrem Antrag dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger künftig nicht durch finanzielle Hürden bei der Ausübung ihrer demokratischen Rechte behindert werden. Wir sind darüberhinaus der Meinung, dass dies generell kostenfrei möglich sein sollte. Deshalb sollten die diesbezüglichen rechtlichen Möglichkeiten geprüft werden.
Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz (LLK)
P.S.: Laut Auskunft der Stadtverwaltung soll das Thema spätestens im Oktober auf der Tagesordnung des Gemeinderats stehen.
Herr Burchhardts Aussage in Zusammenhang mit der Blockierung der 2-jährigen Arbeit der Projektgruppe zur Bürgerbeteiligung: „Niemand in ganz Deutschland weiß bislang, wie gute Bürgerbeteiligung geht. “ Dass er es nicht weiß, hat er oft genug bewiesen.
Wer keine Bürgerbeteiligung kann, kann auch keine Demokratie !
Und wenn Herr Burchhardt äussert, es gehe niemanden darum, Meinungsäusserungen einzuschränken, dann sage ich nur : Lünstroth.
Könnte es sein, dass jene Begründung, die Einkaufstouristen könnten sich durch entsprechende Infostände gestört/belästigt fühlen mehr ist, als nur ein Gerücht?
1993 befreite der damalige Oberbürgermeister Horst Eickmeyer neun politische Initiativen zusätzlich zur Sondernutzungsgebühr von der Verwaltungsgebühr für Infostände. Die begünstigten Initiativen waren unter anderen Amnesty International, der Arbeitskreis Asyl, terre des hommes, der Nicaragua-Verein und der Weltladen Konstanz. In dem maschinengeschriebenen Brief an die verschiedenen Gruppen und Vereine heißt es:
„Für die Aufstellung von Informationsständen sind grundsätzlich Sondernutzungsgebühren für die Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums sowie Verwaltungsgebühren zur Abdeckung des Aufwands in der Verwaltung zu erheben. Bisher wurde in Anbetracht der gemeinnützigen Zwecke Ihrer Aktivitäten bereits auf die Berechnung der Sondernutzungsgebühren verzichtet.
Ich möchte Ihre vielfältigen Initiativen zur Information der Öffentlichkeit noch weitgehender unterstützen. Die Stadt wird daher auch die Verwaltungsgebühren für die Informationsstände der in der Anschrift genannten Initiativen übernehmen.“
Dieses Demokratieverständnis wünsche ich mir auch heute – vom aktuellen Stadtoberhaupt bzw. den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung.