Opferanwalt berichtet über NSU-Prozess

Seit mehr als drei Jahren läuft das Gerichtsverfahren gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), dem unter anderem zehn Morde angelastet werden. Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte stehen im Zentrum der medialen Öffentlichkeit. Aber beschränkt sich das Problem der hier verhandelten Verbrechen auf diese Hand voll Personen aus dem rechtsterroristischen Lager? Aufklärung aus erster Hand über diese und andere Fragen gibt es kommenden Freitag im Treffpunkt Petershausen.

Wer oder was war der NSU? Wie konnte er über lange Zeit hinweg unbehelligt agieren? Warum dauerte es so lange, bis die Morde als Nazi-Morde und Verbrechen der rechtsextremen Terrorgruppe offen gelegt wurden? Inwiefern waren V-Leute in den NSU verstrickt? Was wurde vertuscht? Welche Rolle spielt(e) gesellschaftlich verankerter Rassismus? Yavuz Narin, Rechtsanwalt der Nebenklage im NSU-Prozess, wird in seinem Vortrag eine Einschätzung über den NSU-Prozess abgeben und Einblicke in das Zwielicht rund um das Verfahren gewähren.

Der Referent (s. Foto) erklärte bereits im vergangenen Jahr: „Manchmal ist man schon ernüchtert und verzweifelt, wenn Zeugen offensichtlich die Unwahrheit sagen und die Mittel fehlen, ihnen beizukommen“. Der Münchner Rechtsanwalt vertritt Angehörige des am 15. Juni 2005 in München erschossenen Theodoros Boulgarides. An dem Gerichtsverfahren um den NSU, welches seit Mai 2013 läuft, nimmt er seit Beginn fast jeden Tag teil. Nach nunmehr drei Jahren ist sein erschütterndes Urteil eindeutig: „Das Bild der Migranten ist von tiefstem Rassismus geprägt. Das gilt ausnahmslos für alle an dem Fall beteiligten Behörden“.

Elf Jahre ist es mittlerweile her, dass Theodoros Boulgaridis ermordet wurde. Die Familie war am Boden zerstört. Die Ermittlungen gaben keine Antworten, gesucht wurde die Schuld bei dem Ermordeten selbst und dessen Familie. Die rassistischen Bilder, die die Ermittler von den Opfern hatten, waren und sind nicht zu übersehen. Die Hinweise der Opfer, dass es sich um fremdenfeindliche Morde handeln könnte, wurden samt und sonders ignoriert. Yavuz Narin wird in seinem Vortrag u.a. auf die Verstrickungen der Behörden, speziell dem Verfassungsschutz, eingehen. Außerdem wird er über seine Erfahrungen und persönlichen Erlebnisse bei seiner Arbeit als Nebenklageanwalt berichten.

Freitag, 23.9.2016, 19 Uhr, Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz 1, Konstanz. Organisiert wird die Veranstaltung von Jugendkultur e.V. Contrast.

MM/hr