Das Müller-Esch-Tribunal geht in die zweite Runde

Die Hexenjagd gegen Prof. Dr. Müller-Esch wird fortgesetzt. Nachdem der verdienstvolle Mediziner bereits am 28.4. von einer Gemeinderats-Mehrheit handstreichartig aus seinem Job als Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin am Klinikum Konstanz gejagt wurde, legt die Stadtverwaltung nun nach: Über zwei neuerliche Kündigungen soll der Gemeinderat in wieder einmal nicht öffentlicher Sitzung am Donnerstag, 26. Mai, entscheiden. Dieses Mal aber gibt es Widerstand schon im Vorfeld.

Ganz so sicher scheint sich die Stadtspitze, allen voran OB Frank und der zuständige Bürgermeister Boldt, in ihrem Feldzug gegen Müller-Esch nicht zu sein. Immerhin hat der, wie man hört, mittlerweile eine Kündigungsschutzklage eingereicht; sogar ein Gütetermin vor dem Arbeitsrichter in Radolfzell soll schon anberaumt sein. Müller-Esch will sich persönlich zu dem Verfahren nicht äußern: „Das könnte meine Position im laufenden Rechtsstreit beschädigen“ – das war das einzige, was dem gebeutelten Mediziner zu entlocken war.

Jetzt munitionieren sich Frank und Boldt für eine neue Salve gegen Müller-Esch – und wieder, wie schon am 28.April, soll der Gemeinderat nur artig mitspielen. Doch CDU-Stadtrat Prof. Eberhard Roth, schon in der April-Abstimmung als Rebell gegen seine Fraktion und für Müller-Esch aufgefallen, schießt quer: In einem Geschäftsordnungsantrag, so ist allerorten in der Stadt zu hören, fordert er eine Absetzung des Tagesordnungspunktes „Neuerliche Kündigung“. Aber da er wohl ahnt, sich mit diesem Antrag gegen Betonköpfe in Verwaltung und Gemeinderat nicht durchsetzen zu können, verlangt er wenigstens eine öffentliche Anhörung des Beschuldigten. Auch Prof. Roth wollte sich „vor der Diskussion im Gemeinderat“ gegenüber seemoz nicht zu seinem Vorstoß äußern: „Das könnte die Debatte belasten“, so Roth.

Schauprozess ohne Öffentlichkeit

Denn wie schon im ersten Tribunal gegen Müller-Esch (seemoz berichtete mehrmals ausführlich) soll auch an diesem Donnerstag in Abwesenheit des Delinquenten entschieden werden (mit Verlaub: Selbst beim vorletzten Konstanzer Schauprozess – 1415 gegen einen gewissen Jan Hus – wurde der Angeklagte immerhin öffentlich angehört). Die Vorwürfe sollen sich, so wird allerorten kolportiert, auf „beleidigende Äußerungen des Prof. Müller-Esch“ während der erzwungenen Räumung seines Büros in der Klinik beziehen. „Um so mehr muss der alte römische Rechtsgrundsatz gelten, auch die andere Seite anzuhören“, empört sich Werner Allweis. Der FGL-Stadtrat erklärt zumindest für seine Person, den Roth-Antrag unterstützen zu wollen. „Aber ich kann nicht für die gesamte Fraktion sprechen“, fügt der Alt-Grüne fast entschuldigend hinzu.

Die Fronten im Gemeinderat dürften unverändert sein: Wie dornoeschen.nu schon im April berichtete, hatten sich FWG, NLK, FuF, Einzelkämpfer Eberhard Roth von der CDU und die Linke Liste Konstanz bereits im ersten Teil des Tribunals ausdrücklich auf die Seite des später Gefeuerten gestellt, eine Mehrheit aus CDU, FDP, aber vor allem von FGL und SPD jedoch der Kündigung zugestimmt. Allerdings muss abgewartet werden, ob die wochenlange Medienschelte gegen die Schlammschlacht à la Boldt nicht doch Wirkung zeigt und mache Gemeinderätinnen und -räte zum Umdenken anregt.

Verschleierungstaktik der Verwaltungsspitze

Denn, das ist allen Beteiligten klar, es geht in dieser Causa um mehr als „nur“ einen Rausschmiss. Es geht um die Privatisierung des Konstanzer Klinikums. Und es geht um die Verschleierungstaktik der Verwaltungsspitze – seit Monaten hören Gemeinderat und Öffentlichkeit nichts über den Verhandlungsfortschritt in den Fusionsgesprächen mit dem Krankenhaus Singen, auch nur unwichtige Informationshappen werden – wenn überhaupt – in nicht öffentlichen Ausschuss-Sitzungen verabreicht, das Landratsamt sieht sich erst nach Monaten zu einer Pressemitteilung zum Thema: Krankenhaus-Fusion genötigt, die an Nichtssagigkeit nicht zu überbieten ist – und die Pressestelle der Stadt Konstanz? Am Tag vor der Rausschmiss-Entscheidung überrascht sie mit Informationen über „Wildbienen“ und „Ewige Steine“.

Klar ist auch: Mit Müller-Esch hofft man, einen entschiedenen Privatisierungsgegner entsorgen zu können. OB Frank und Adlatus Boldt, denen sogar schon an Stammtischen eine geheimnisvolle Affinität zu privaten Krankenhaus-Anbietern unterstellt wird, könnten sich so eines kompetenten Kritikers entledigen. Und fest steht ebenso: Die Durchmarsch-Politik der Krankenhaus-Verantwortlichen – Geschäftsführer Ott und Bürgermeister Boldt – gegenüber den Krankenhaus-Beschäftigten wird munter fortgesetzt. Personalrats-Vorsitzende Keller dazu in einer aktuellen Stellungnahme: „Vollmundige Ankündigungen ja – bessere Zusammenarbeit nein“.

Nicht vergessen: Am 31. Mai steht die Gründung einer Bürgerinitiative „Für ein kommunales Krankenhaus“ an. Motto: Wir überlassen die Entscheidung über unsere Gesundheitsvorsorge nicht den Politikern.

Autor: hpk

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