Humpen stemmen, Fahnen schwingen

staedtepartner-lodiMit insgesamt fünf Städten unterhält Konstanz eine Städtepartnerschaft: Fontainebleau (Frankreich), Lodi (Italien), Richmond-upon-Thames (Großbritannien), Tabor (Tschechische Republik) und Suzhou (China). Doch am Sinn dieser Verbindungen zweifeln mittlerweile viele. Überwiegend SeniorInnen und gemeinderätliche Dauergäste reisen hin und her und die Jugend bleibt weitgehend außen vor. Auch in der Verwaltung macht sich die Erkenntnis breit: Die aktuellen Partnerschaften gehören auf den Prüfstand, und zwar schnell.

Ein erster Schritt für die überfällige Debatte könnte am heutigen Donnerstag im Rathaus erfolgen. Dann tagt der Betriebsausschuss Konzilstadt Konstanz (BAK) und auf der Tagesordnung steht: „Europakonzil 2017: Europas Zukunft gestaltet Städtepartnerschaft“. Im November des kommenden Jahres wollen sich Jugendliche aus ganz Europa in Konstanz treffen, um sich über die Zukunft von Städtepartnerschaften auszutauschen. Mit Vertretern aus den vier europäischen Partnerstädten möchte man folgende Fragen erörtern: Welche Rolle spielen Städtepartnerschaften in einem globalisierten und digitalisierten Europa für junge Menschen? Können Städtepartnerschaften angesichts der EU-Krise dazu beitragen, um Europa wieder enger aneinander rücken zu lassen? Und: Was ist zu tun, um diese Partnerschaften attraktiv für Jugendliche zu gestalten? Richtige und wichtige Fragen, die aber nicht erst in einem Jahr gestellt werden sollten.

„Seit Jahren“, erklärt ein altgedienter Gemeinderat, der namentlich nicht genannt werden möchte, „treffen sich doch vor allem in Lodi und Tabor die selben Leute, für die ist das ein kurzweiliger Betriebsausflug“. Er selbst hat während seiner Amtszeit die Städte schon mehrmals besucht und plaudert aus dem Nähkästchen: „Das ist jedesmal ein angenehmer Kurzurlaub in einer schönen Stadt. In Tabor beispielsweise gibt es gutes Bier, auch das Essen passt und wenn zu abendlicher Stunde der Taborer Bürgermeister zur Gitarre greift, wird’s so richtig gemütlich“. In Lodi, sagt er noch, „ist das in etwa ähnlich, im Grunde genommen sind wir weitgehend unter uns, da kommt nicht viel dabei raus“. Verstehen kann er auch, dass solche altbackenen Zusammenkünfte „Jugendliche überhaupt nicht interessieren“ und eigentlich „Schnee von gestern sind, denn die paar Fahnenschwinger und sonstigen Vereinsvertreter, die wir bei unseren Auslandsbesuchen meist mit im Reisegepäck haben, verleihen der Sache auch keine tiefere oder gar nachhaltige Bedeutung“.

Derlei Skepsis hat längst auch die Konstanzer Verwaltungsspitze erreicht. Man möchte die festgefahrenen Reiserituale inklusive ihrer oft albernen Veranstaltungen auffrischen. Aber wie? Wenn es unter anderem um eine Stärkung des europäischen Zusammenhalts gehen soll, dann tauchen nicht nur am Beispiel Tabor in Tschechien erhebliche Zweifel auf. Denn der tschechische Präsident Milos Zeman hetzt seit langer Zeit in unerträglicher Weise gegen Migranten und Muslime und schlägt dabei rassistische Töne an, die man hierzulande von Rechtsradikalen hört. Einer der Grundgedanken städtepartnerschaftlicher Verbindungen war immer, „die Menschen in Europa friedlich zusammenzuführen“.

Auch ein Blick ins französische Fontainebleau trägt nicht zu gesteigerter Fröhlichkeit bei: Der Anteil derer, die Sympathien für den rechtsradikalen Front National hegen, wächst ständig. Wer noch weiter über den heimischen Teller blinzelt Richtung China, wird feststellen müssen, dass dort Menschenrechtsverletzungen und allerlei Schikanen gegen die Bevölkerung rapide zugenommen haben, und die Konstanzer Partnerstadt Suzhou bildet da sicher keine Ausnahme. Juckt uns das alles nicht? Bei gegenseitigen Besuchen wurden kritische Themen bislang weitgehend ausgeklammert, denn man möchte die freundschaftlichen Verbindungen nicht gefährden.

Dabei wäre es durchaus machbar, bei städtepartnerschaftlichen Treffen gerade diese Themen, die fast überall in Europa diskutiert werden, auf die Tagesordnung zu setzen. Die Stadt Konstanz hätte alle Möglichkeiten, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Anstatt zum wiederholten Mal fahnenschwingende Niederbürgler oder trachtenschunkelnde SeniorInnen in Partnerstädte zu schicken, wäre es sicher sinnvoller, eine Konstanzer Schülerklasse vor Ort mit Gleichaltrigen über die aktuellen Probleme Europas reden zu lassen.

Und niemand hindert die Stadt daran, auch über weitere und projektgebundene Partnerschaften nachzudenken. Warum nicht eine mit einer durch die EU-Daumenschrauben gebeutelten griechischen Stadt, in der engagierte ÄrztInnen kostenlos die am Boden liegende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung organisieren und froh wären, wenn sie Unterstützung aus dem Ausland bekämen? Ein Beispiel von vielen. Neue Ideen sind gefragt.

H. Reile

Bild: Kürzlich in Lodi, bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft mit Konstanz. Wie immer fand auch der „Palio“ statt, ein Rennen auf Holzpferden. Für Konstanz stiegen Vertreter des Fanfarenzugs Kamelia-Paradies in den Sattel. Es soll lustig gewesen sein, berichten Teilnehmer.