Städtepartnerschaften: Eine Replik zur Kritik

Die oft seit Jahrzehnten bestehenden partnerschaftlichen Beziehungen der Stadt Konstanz zu anderen Kommunen kämen altbacken daher, seien oft fernab der europäischen Realität und sollten allesamt auf den Prüfstand, war hier vor einigen Tagen zu lesen. In der Regel, hieß es weiter, träfen sich vor Ort seit Jahren die gleichen Nasen. Der jeweilige Alters­durchschnitt erinnere eher an ein Senioren­heim, wurde zudem behauptet und bedürfe umgehend einer Auffrischung. Das möchte der in Konstanz für die Städte­partner­schaften zuständige Claus-Dieter Hirt (Foto) so nicht stehen lassen. Hier seine Entgegnung.

Der Artikel „Humpen stemmen, Fahnen schwingen“ verkürzt die Situation der Städtepartnerschaften von Konstanz und tut unzähligen Lehrern/innen und VereinsvertreterInnen Unrecht, die mit einem hohen Grad an Idealismus, zum Teil hartem Sporttraining und der festen Überzeugung, einer sinnhaften Sache zu folgen, bereit sind, zeitliche und materielle Opfer in Kauf zu nehmen um die internationalen Beziehungen und Partnerschaften der Stadt Konstanz erfolgreich mit Leben zu erfüllen. Nicht umsonst fahren jährlich alleine zu den „Taborer Treffen“ (http://www.taborskasetkani.eu/de/) mehrere hundert KonstanzerInnen und werden – mit oder ohne Musikinstrument –, von den Taboranern begeistert begrüßt.

Dass die Zeiten flaggengeschmückter Paraden und Symbole vorbei sind, ändert nichts daran, dass sich speziell bei Jubiläen wie dem 55. Jahrestag mit der französischen Partnerstadt Fontainebleau (2015) oder der 30 Jahrfeier mit Lodi/Italien dieses Jahr jene alt gewordenen Protagonisten der Gründerzeit noch einmal die Hände reichen. Das ist auch gut so, denn schließlich war das, was sie taten, „damals“ eine lokale Pioniertat im europäischen Kontext.

Längst gibt es aber auch jene im Artikel so angemahnten projektorientierten Partnerschaften und Treffen von Jugendlichen und SchülerInnen, sei es nach Pamplona/Spanien (Ellenrieder-Gymnasium), Lyon/Corbas/Frankreich (Theodor-Heuss-Schule), Czluchow/Polen (Geschwister Scholl Schule) und viele andere mehr.

Das Lager von Gurs (Pyrenäen), die Internierung der Juden, die Teilnahme des Vichy-Regimes an der Vernichtung der Juden und am Zweiten Weltkrieg waren lange Tabuthemen in Frankreich. Heute treffen sich Jugendliche aus Konstanz (organisiert von VDK und Ellenrieder-Gymnasium) und Frankreich wie „selbstverständlich“ zum Gedenken und Aufarbeiten dieses dunklen Teils der gemeinsamen Geschichte.

Vorwiegend auf Vereinsebene und basierend auf persönlichen Beziehungen werden jährlich zahlreiche Projekte auf sportlicher, kultureller und künstlerischer Ebene mit den Partnerstädten veranstaltet. Speziell im Bereich des Sports werden die Partnerschaften intensiv gelebt: So bestehen regelmäßige Austauschaktivitäten, Turniere und Kontakte in den Sparten Karate, Badminton, Judo, Wandern, Tauchen, Rugby, Bogenschützen, Bergwandern oder Tiefseetauchen.

Gerade der intensive SchülerInnenaustausch mit Konstanzer Schulen führt nicht nur in den Großraum Paris oder zu einer Entdeckungsreise durch die elegante Würde des Londoner Lebens in Richmond upon-Thames. Die Konstanzer Schülerinnen und Schüler fühlen sich in den Gastfamilien „zu Hause“ und gewinnen stets tiefe Einblicke in das alltägliche Leben in England; eine nach dem Brexit wohl noch wertvollere Erfahrung als bisher schon. Gleiches gilt für das tschechische Tabor, in welches 2017 erneut 40 Konstanzer SchülerInnen im Rahmen einer internationalen Begegnung zu Gedenkstätten des nationalsozialistischen Unrechts aufbrechen werden; Europapolitik ist der Themenschwerpunkt.

Und gerade das nur rudimentär zitierte Programm mit dem lombardischen Lodi hatte bei der jüngsten Begegnung im Juni dieses Jahres mit Konstanzer KünstlernInnen ein gewichtiges politisches Thema, nämlich das der ethischen Photographie: In nachdrücklichen Bildern wurden Kindersoldaten und das Elend in der sogenannten „3. Welt“ angeprangert.

Und in Richtung Suzhou (China) /Asien vielleicht noch folgende Korrektur: Im Fokus des jüngsten öffentlichen Treffens der Stadt Konstanz vor einer Woche stand das Thema: „Die Rolle Asiens in der Weltwirtschaft – Status Quo und Perspektiven.“ Mitorganisiert vom Studiengang „Wirtschaftssprachen Asien und Management“ (HTWG Konstanz und IHK Hochrhein-Bodensee), diskutierten nach den Vorträgen über 100 (!) Studierende die verschiedenen Aspekte der Entwicklung in Asien. Also, die Richtung stimmt.

Fazit:

Bei nächster Gelegenheit einfach mal selber eine der Konstanzer Partnerstädte besuchen und sich ein eigenes Bild von der Situation vor Ort und den Beziehungen dorthin verschaffen. Gleichwohl: Konstanz hat die Initiativen zur zweifellos notwendigen Verjüngung der Akteure ergriffen. Gehen wir es gemeinsam mit unseren Partnern an und sorgen dafür, dass es auch gelingt!

Claus-Dieter Hirt

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