Cano-Bauchgrimmen und Lex Mainau

Spannend wird es immer, wenn es im Gemeinderat ums Geld geht, auch wenn’s nur das anderer Leute ist. So auch am letzten Donnerstag, denn da entschieden sich die Konstanzer GemeinderätInnen, weiterhin Widerstand gegen das geplante Einkaufszentrum in Singen zu leisten. Außerdem legte der bürgerliche Gemeinderat mal wieder einen Unterwerfungskotau mit Stirnaufschlag vor den adligen Mainau-Betreibern hin.

Die Ansicht von Matthias Schäfer (JFK), der die ausführliche Gemeinderatsdebatte über das neue Einkaufszentrum in Singen als Energieverschwendung bezeichnete, hat durchaus etwas für sich, aber das schienen die anderen RätInnen anders zu sehen, so dass sich ein munterer Schlagabtausch entwickelte. Fazit: Das geplante Singener Einkaufszentrum mit seinen 16 000 qm Verkaufsfläche ist den hiesigen KommunalpolitikerInnen zu groß, und sie werden erwartungsgemäß ihre Einspruchsmöglichkeiten im Rahmen des Raumordnungsverfahrens ausschöpfen.

Raumordnungsverfahren als letzte Chance

Oberbürgermeister Uli Burchardt gab ein Bauchgrimmen angesichts der Entwicklungen im Einzelhandel am Oberrhein von Konstanz bis Basel zu Protokoll. Derzeit werden allüberall Ladenflächen genutzt und nach Kräften erweitert, um die schweizerische Kundschaft mit ihren zahlungskräftigen Franken anzulocken. Der Oberbürgermeister stellte, ohne eine Antwort zu geben, die Frage in den Raum, wie der Frankenzufluss raumordnerisch zu beurteilen sei und sprach damit indirekt an, dass niemand einen Plan für den Tag hat, an dem der Frankenkurs sich wieder stärker verändert.

Uli Burchardt plädierte deutlich für die Sinnhaftigkeit von Raumordnungsverfahren im Allgemeinen, die einem Oberzentrum wie Konstanz gewisse Pflichten auferlegen, dafür aber auch größere Ladenflächen erlauben. In Konstanz werden als kostspielige Pflichten gern Philharmonie und Theater geltend gemacht, von denen auch die umliegenden Gemeinden profitieren, und dafür will man sich durch besonders attraktive Einkaufsmöglichkeiten schadlos halten und die Singener Konkurrenz möglichst vermindern. Entscheidend wird dabei das Votum des Freiburger Regierungspräsidiums, man darf also gespannt sein.

Autofreie Samstage nicht mehrheitsfähig

Im Konstanzer Gemeinderat zeichnen sich grob drei Meinungen ab: Die Mehrheit will wie auch die Verwaltung im Raumordnungsverfahren die Singener Ladenfläche statt der geplanten 16 000 qm auf 10 000 qm begrenzen und bezweifelt die Zahlen eines Singener Gutachtens, wonach keine nennenswerten Umsätze von Konstanz nach Singen fließen werden. Eine zweite Gruppe hält es eher mit dem Freihandel und will die Nachbarkommunen machen lassen, was sie wollen.

Und dann gibt es noch die LLK, für die Holger Reile den geplanten „Singener Moloch“ heftig kritisierte, dessen negative Auswirkungen auf Singen für ihn absehbar sind. Er zog Parallelen zum Lago in Konstanz: „Wie es beispielsweise denen geht, die in den meist fensterlosen Einkaufsknästen ihre kargen Brötchen verdienen müssen, scheint weder in Singen noch in Konstanz von Interesse zu sein“. Außerdem plädierte er für monatlich einen verkehrsfreien Samstag zumindest in Konstanz, um die Lebensqualität der geplagten einheimischen Bevölkerung zu steigern.

Das war natürlich eine Steilvorlage für Matthias Heider (CDU), der dem Titel „Einkaufsknast“ für das Lago sichtlich nicht beipflichten mochte. Er lobte vielmehr, das Lago sei sehr positiv für den Einzelhandel, die dort Beschäftigten, die Arbeitsplätze und auch die Besucher, kurzum ein Segen für die ganze Stadt. Jürgen Faden (FWK) warf Reile eine platte „populistische Generalschelte“ vor, „Unternehmen bringen Arbeitsplätze und Geld, sonst geht’s zurück auf die Bäume!“ rief er agitiert in den Saal. Abgesehen davon, dass der Mensch den aufrechten Gang wohl nicht auf schwankenden Bäumen, sondern auf dem festen Boden einer grasigen Savanne gelernt hat, verstand man, was er meinte. 27 von 34 Stimmberechtigten stimmten für den Konstanzer Einspruch gegen die geplanten Ladenflächen im Raumordnungsverfahren.

Vorläufige Lösungen halten länger

Auf der Mainau steht kein Hofbräu-, sondern ein nicht minder profitables Palmenhaus aus Stahl und Glas, das den Blick auf Schloss und Kapelle verstellt. Es gibt viele Menschen, die die Mainau gar nicht ohne diese Konstruktion kennen, das bereits mit Baugenehmigung vom 28.01.1998 als Pflanzenschauhaus erstellt wurde, allerdings mit einer Auflage: „Die Aufstellzeit des demontablen Pflanzenschauhauses wurde beschränkt auf die Monate Oktober bis Mai eines Jahres.“

Dieser Satz hat es in sich: Das Gebäude sollte jeweils den Sommer über abgebaut werden, und das kostet natürlich, was auf der Mainau ein bis in den Konstanzer Gemeinderat hörbares Heulen und Zähneklappern hervorrief. Also durfte die Mainau das Haus in den Jahren 1999, 2001, 2002 und 2004 mit städtischer Genehmigung auch den Sommer über stehen lassen. Auf Antrag der Mainau GmbH wurde schließlich 2008 beschlossen, dass dieses Gebäude bis zum 31.12.2016 als „Palmenhaus mit multifunktioneller, ganzjähriger Nutzung (sowohl als Pflanzenschauhaus als auch als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum einschließlich gastronomischer Nutzung)“ stehen bleiben darf. Ab 2017 muss nach derzeitiger Beschlusslage das Palmenhaus in den Sommermonaten wieder abgebaut werden.

Es kam wie zu erwarten (erneutes Heulen und Zähneklappern): „Die Mainau GmbH stellte im Juli 2016 einen Antrag zur Einleitung und Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Ziel des Antrages ist, die Aufstellzeit des Palmenhauses bis zum 31.12.2028 zu verlängern. In diesem Zeitraum sollen dann die planerischen Voraussetzungen für eine dauerhafte Umsetzung des Palmenhauses in den Bereich der Mainau-Gärtnerei geschaffen werden.“ Die Jahre seit 2008 haben der Mainau also nicht ausgereicht, die Neuplanung durchzuführen, weshalb das Provisorium jetzt – wie von der Mainau übrigens schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gefordert – bis zu seinem dreißigsten Geburtstag 2028 stehen bleiben soll.

Salamitaktik hat gewirkt

Peter Müller-Neff (FGL) erinnerte, von der jahrzehntelangen Salamitaktik der Mainau sichtlich angesäuert, daran, die Mainau habe damals hoch und heilig versprochen, das hässliche Ding im Sommer abzubauen, und forderte eine Begrenzung der Neugenehmigung auf 31.12.2022. Andere, etwa Matthias Heider (CDU) und Jürgen Ruff (SPD) fanden, man müsse der Mainau noch mal die gewünschten zwölf Jahre Zeit geben, um eine vernünftige Planung hinzubringen. Auch Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn plädierte im Interesse einer langfristigen Lösung und der komplizierten Bauplanung, die in diesem Falle auch ein gärtnerisches Konzept erforderlich mache, für die Verlängerung bis 2028.

Holger Reile (LLK) hingegen forderte, es dürfe keine Lex Mainau geben, denn vor dem Gesetz müssten alle gleich sein. Das sahen aber nur wenige RätInnen so und stimmten für den Antrag der Mainau. Ach ja, im Sommer 2017 kann man Schloss und Kapelle übrigens mal ohne Palmenhaus bewundern, das wird dann für einmal tatsächlich abgebaut, weil es saniert werden muss.

So manchem Hausbesitzer, der sich wegen des Umbaus einer Dachgaube oder der Errichtung eines Carports der geballten Verwaltungsmacht gegenübersieht, dürfte sich das Nackenhaar sträuben, wenn er daran denkt, wie leicht die Mainau ihren Willen bekommen hat. Blaues Blut zahlt eben auch heute noch, mehr als 200 Jahre nach der Französischen Revolution, auf Baugenehmigungen ein, wie man auf Unternehmerdeutsch so treffend zu sagen pflegt.

O. Pugliese