Wohin steuert das Konstanzer Stadtmarketing?

Eric Thiel, Geschäftsführer des Konstanzer Stadtmarketings (Foto), übt sich gerne in eiserner Verschwiegenheit. Auf die Frage, mit wie viel Honorar der nächste „Top Speaker“ beim kommenden „Unternehmerfrühstück“ rechnen könne, denn schließlich werden auch hier Steuergelder verbraten, gibt er zum wiederholten Mal, auch gegenüber Stadträten, keine Auskunft. Grundsätzliche Skepsis ist auch angebracht, wenn es um den zukünftigen Kurs der Stadtmarketing Konstanz GmbH geht.

Seit Wochen trommelt Thiel für das 3. Konstanzer Unternehmerfrühstück, das am 18.11. im Bodenseeforum stattfindet. Geladen als „Top Referent“ ist Prof. Dr. Jack Nasher, und der gehöre, so Thiel, „zu den gefragtesten Speakern und Trainern im deutschsprachigen Raum“. Nashers Thema in Konstanz: „Entlarvt! Das Geheimnis, kleine und große Lügen zu erkennen …“. Der Vortrag soll den Besuchern Anleitung geben, „wie man in kürzester Zeit Lügen durchschauen und die Wahrheit herausfinden kann und dadurch bei Verhandlungen oder im alltäglichen Leben immer einen Schritt voraus ist“. Könnte auch heißen: Wie ziehe ich meinem Gegenüber das letzte Geld aus der Tasche, bevor der es tut.

Die Lust auf Wanderprediger

An marktwirtschaftlich beseelten Wanderpredigern scheint Herr Thiel viel Gefallen zu finden. Schon beim 2. Unternehmerfrühstück, damals noch im Konzil, hat er dem Erfolgs- und Glücksverkünder Jörg Löhr den roten Teppich ausrollen lassen. Da der Eintritt frei war und es auch was zu futtern gab, war der Besuch halbwegs ordentlich. Das aber hat dazu geführt, dass Thiel das nächste Treffen dieser Art mit 25 Euro „bepreist“, wie er sich ausdrückt. Anmeldefrist, so der smarte und dauerlächelnde Marketingexperte, ist der 16. November. Da das Ticketkontingent begrenzt sei, gelte die Parole: „First come, first serve“. Wenn das mal gut geht.

Des öfteren schon hat die Linke Liste (LLK) versucht, letztmals im Gemeinderat, die Kosten für Nashers Vortrag zu erfahren (seemoz berichtete bereits). Was kassiert der Referent und wie hoch sind vor allem die Gesamtkosten der Veranstaltung? Fast schon genüsslich ließ Oberbürgermeister Burchardt, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Stadtmarketings ist, die Fragesteller wissen, Antwort darauf würden nur die RätInnen erhalten, die auch im Aufsichtsrat des Stadtmarketings säßen – und da hat die LLK keinen Sitz. Ausgabenkontrolle und kritische Nachfragen scheinen in diesem erlauchten Gremium eher Fremdwörter zu sein. Laut Nashers Vermittlungsagentur „Speakers Exzellence“, so die seemoz-Recherche, kann sich allein sein Honorar auf bis zu 10 000 Euro belaufen. Für seine Wochenendseminare berechnet Nasher 1850 Euro, dafür gebe es auch ein „elegantes Teilnehmerzertifikat“.

Eine aktuelle Anfrage bei Eric Thiel brachte ebenfalls kein erhellendes Ergebnis. „Das Honorar des Referenten Prof. Nasher“, so die Antwort, „wird auch bei diesem Unternehmerfrühstück komplett von den Sponsoren finanziert“. Und die sollen bestehen aus: Wirtschaftsförderung Konstanz, Südkurier Medienhaus, Engel & Völkers und Südstern Bölle. Nur soviel noch: „Gemäß dem Referenten dürfen wir jedoch keine Angaben über die Höhe des vereinbarten Honorars machen“. Ist dieses erpresste Schweigegelübde gegenüber Amtsträgern und auch der Öffentlichkeit rechtlich überhaupt haltbar?

Ausverkauf auf dem Silbertablett?

Nicht erst seit den Veranstaltungen mit vagabundierenden Entertainern und Heilsverkündern tauchen verstärkt Fragen nach Sinn und Zweck des Konstanzer Stadtmarketings auf, das ab Januar 2017 mit der Tourist Information verschmolzen wird. Geht es dann in absehbarer Zukunft nur noch darum, fragen sich viele, die Stadt in nahezu jeder Hinsicht auf dem Silbertablett zum Totalausverkauf anzubieten und sie wie eine Zitrone auspressen zu lassen? Denn in der öffentlichen Wahrnehmung, so Beobachter der Szenerie, stünde das Stadtmarketing fast ausnahmslos Pate bei Veranstaltungen, bei denen Besuchermassen, Umsatz und Profit die erste Geige spielen. Die Kritik ist verständlich, denn zu den Gesellschaftern des Stadtmarketings gehört auch die Firma Prelios. Dieses Immobilien-Management-Unternehmen mit Sitz in Hamburg, das auch das Konstanzer Lago managt, ist in den vergangenen Jahren verstärkt durch mieterfeindliches Verhalten aufgefallen, wie der Deutsche Mieterbund in Schleswig-Holstein mehrmals ausführlich berichtete.

Vertreter aus Gewerkschaften oder Umweltverbänden hingegen sucht man als Gesellschafter beim Stadtmarketing Konstanz vergeblich. Dass es auch anders geht, beweist die Nachbarstadt Radolfzell. Bereits vor drei Jahren nahm das dortige Tourismus- und Stadtmarketing die Bodensee-Stiftung als Gesellschafter auf, die von den Naturschutzorganisationen BUND, Deutsche Umwelthilfe, NABU, Österreichischer Naturschutzbund, WWF Schweiz und Pro Natura Schweiz getragen wird.

Ähnliche Überlegungen hat man von Eric Thiel noch nicht gehört. Schon eher tritt er als Lautsprecher auf und übt sich in bekannt konstanzerischer Überheblichkeit und Arroganz. Bei einem Interview mit der Anzeigenpostille „Konstanzer Anzeiger“ wurde Thiel um seine Einschätzung zum geplanten Einkaufszentrum Cano in Singen befragt. Da mache er sich keine Sorgen, ließ Thiel wissen und fügte hinzu: „Das Shopping-Center in Singen schafft nur eine künstliche Kulisse – Konstanz hingegen bietet das Original“. Verständlich, dass diese Äußerung im Hegau nicht gut ankam und dazu beiträgt, die Stimmung zwischen den beiden Städten noch tiefer in den Keller rasseln zu lassen.

Rund vier Jahre ist es her, da plädierte der damalige OB-Kandidat Uli Burchardt auf fast allen Wahlveranstaltungen für Transparenz, Bürgerbeteiligung und Nachhaltigkeit, kokettierte mit seiner attac-Mitgliedschaft und versprach einen sensiblen Umgang mit den Ressourcen der Stadt. Von alledem ist nicht viel übrig geblieben.

H. Reile