Theater_Macht_Politik
Wer sich mit Christoph Nix über Kulturpolitik streiten will, sollte zuvor dieses Buch lesen. Die neueste Studie des Konstanzer Theaterintendanten „Theater_Macht_Politik“ weist Nix nicht nur als streitbaren Kulturmanager aus, sondern vor allem als politischen Kulturschaffenden, der die „schleichende Entpolitisierung von Theater und Gesellschaft“ geißelt. Doch seiner kritischen Bestandsaufnahme folgt ein optimistisches Fazit: „Theater wird bleiben, weil es uns lehrt, das Leben zu üben“.
Das Buch ist seine zweite Doktorarbeit, 2015 von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern für gut befunden, 2016 der Öffentlichkeit präsentiert. Professor Dr. Dr. Nix also kommt in seiner Arbeit der Entpolitisierung des Theaters im 21. Jahrhundert auf die Schliche, indem er ungemein belesen die Entwicklung des Theaters im Deutschland der letzten 200 Jahre nachzeichnet – vom etablierten Hoftheater des vorvorigen Jahrhunderts über das „politische Theater“ der Weimarer Republik und das vergewaltigte Theater der Nazizeit bis zur Re-Politisierung der 1968iger Jahre.
Shareholder-Value im Vordergrund
Aktuell politisch-strittig aber wird Nix, wenn er über „Theater und das Geld“ und die „Situation des Schauspielers im deutschen Theaterbetrieb“ schreibt. Dann versteht auch der Kommunalhansel, warum Nix für eine bessere Finanzausstattung seines Stadttheater streitet und für ein – aufgestocktes – Mindestgehalt seiner Schauspieler kämpft: „Während Kulturpolitiker und Künstler immer noch glauben, es sei die Politik der leeren Kassen, die ihre Kultureinrichtung dezimiert, ist es ein geändertes Staatsverständnis, in dem nicht mehr Kultur, sondern ‚finanzpolitische Korrektheit, die Optimierung der weichen Standortfaktoren für Anlage suchendes Kapital und die Orientierung auf Shareholder-Value im Vordergrund des Wettbewerbs‘ stehen“ (S. 55).
Und richtig grantig wird Nix, wenn er auf die Kulturbürokraten in den Stadtverwaltungen zu sprechen kommt: „Heute sitzt der Kulturdezernent zwischen Intendanten und Museumsleitern, zwischen Wirtschaft und Politik, zwischen Sponsoren und Künstlern, zwischen Literatur und bildender Kunst, zwischen allen Stühlen und macht einen zuversichtlichen Eindruck“ (S. 120).. Sein Fazit: „Wenn die Intellektuellen gehen, schlägt die Stunde der Bürokraten“. Den Kulturpolitiker gebe es nicht mehr, so Nix, seine Position sei zu einer „Leerstelle“ verkommen, sein Verschwinden nur Indiz der Entpolitisierung. Im Konstanzer Rathaus sollte man da gewissenhaft nachlesen.
Umfrage unter Intendanten
Doch Nix belässt es in seinem 230-Seiten-Buch mit dem wundervoll doppeldeutigen Titel nicht bei profunden Erkenntnissen und polemischen Statements – er hat im Zuge seiner Arbeit eine Umfrage unter Intendanten-KollegInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestartet: Wie haltet ihr es mit dem politischen Auftrag, war seine Frage.
Das Ergebnis ist ernüchternd. Obwohl von 145 (von 156) befragten Theatern in Deutschland nur knapp ein Drittel geantwortet hat, befindet die Demoskopie-Forschung einen solchen Prozentsatz für repräsentativ. Demnach halten sich 87 Prozent der IntendantInnen für politisch aktiv, zumindest, was die Einflussnahme auf städtische Belange anbelangt; erstaunlicherweise glaubt sich ein hoher Prozentsatz der noch jüngeren Intendanten der sogenannten 68iger-Generation verbunden; eine Mehrzahl der Befragten wählt rot-grün, obwohl – auch das ein Ergebnis der Umfrage – die Meinungsbildung der Parteien in der Theaterpolitik bedeutungslos zu werden scheint.
Theater als Ort des Widerstandes gegen den Zeitgeist
Fast resignierend stellt Nix fest, dass „ein Kulturangestellter neuen Typs“ die Bühne betritt, der „weniger nach Inhalt und Emanzipation strebt“. Er aber bekennt sich dazu, ein Theater zu vertreten, das „ein philosophischer Ort des Widerstandes gegen den Zeitgeist“ ist.
Da können Konstanzer Theaterfreunde nur beipflichten: Wer solch‘ aufmüpfiges, dabei noch internationales Theater präsentiert, muss sich über die Verödung deutscher Bühnen nicht sorgen. Und darum ist dieses Buch so lesenswert – nicht nur für Kulturdezernenten.
hpk (Foto: Ilja Mess)
„Theater_Macht_Politik“ – zur Situation des deutschsprachigen Theaters im 21. Jahrhundert von Christoph Nix. Verlag „Theater der Zeit“, Berlin, Broschur mit 234 Seiten, Format: 140 x 240 mm; ISBN 978-3-95749-077-3; 18 Euro.
Präsentation: Offiziell vorgestellt wird das Buch am 6. Dezember, 19 Uhr, in der Werkstatt des Konstanzer Theaters. Teilnehmer neben Nix sind Johannes Bruggaier, SK-Kulturchef, Harald Müller, Verlag „Theater der Zeit“, sowie Stephan Märk, Intendant Konzert Theater Bern und Präsident des Schweizerischen Bühnenverbandes.
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