Die die Welt retten wollen

Natürlich ist Klimaschutz eine globale Aufgabe, das kann aber keine Ausrede dafür sein, selber nichts zu tun. Für die Stadt Konstanz bedeutet das langfristig wirksame Veränderungen, von der Gebäudesanierung über einen anderen Verkehrsmix bis hin zu innovativer Energiegewinnung und -ver­teilung. Gestern wurde die jüngste Fassung ihres Klimaschutzkonzeptes vorgestellt, das noch in diesem Monat im Gemeinderat verabschiedet werden soll.

Lokal handeln, global denken, das ist der Tenor der Einzelmaßnahmen, mit denen Konstanz bis zum Jahr 2030 seine Klima-Unverträglichkeit vermindern will. Derzeit verbrauchen KonstanzerInnen pro Jahr und Kopf etwa 6,5 Tonnen CO2, zusammen also rund 500 000 Tonnen. Damit steht Konstanz verhältnismäßig erträglich da, allerdings lassen sich Kommunen auch nur schwer vergleichen, weil etwa Städte mit einem großen Anteil an verarbeitendem Gewerbe zwangsläufig mehr CO2 produzieren als eine Stadt mit einer stärker auf Dienstleistungen fokussierten Wirtschaft wie Konstanz. Bis 2030 will Konstanz jedenfalls die Pro-Kopf-Menge an CO2 auf drei Tonnen halbieren und bis 2050 weiter auf eine Tonne reduzieren. In Konstanz liegen die größten Einsparpotenziale bei den Privathaushalten, die 52% der Energie verbrauchen, auf den Plätzen folgen Gewerbe/Handel/Dienstleistung mit 26% sowie Verkehr mit 16% und öffentliche Verbraucher mit 6%.

Auf die Stadt kommt einiges zu

Grundsätzlich ist, wie Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, der Stellvertretende Leiter des Amtes für Stadtplanung und Umwelt, Martin Wichmann, sowie der für das Klimaschutzkonzept verantwortliche Lorenz Heublein gestern bei einer Pressekonferenz erläuterten, Klimaschutz immer ein Paket von Maßnahmen, da Veränderungen an einer Stellschraube allein wenig bewirken. Das heißt: Eine alternative Energieversorgung allein langt nicht, man muss zusätzlich auch Energie sparen, auf andere Verkehrsmittel umsteigen usw. So setzt sich Konstanz etwa als ein Ziel, den Anteil des Autoverkehrs am Verkehrsmix auf 25% zu reduzieren. Für die Jahre nach 2020 heißt das: 30% zu Fuß, 28% mit dem Fahrrad, 17% per Öffentlichem Verkehr; gleichzeitig Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (Autos, Motorräder etc.) von derzeit 36% auf 25%.

Die Devise ist bei allem, dass das Angebot die Nachfrage schafft. Eine klimabewusste Kommune muss also in Vorleistung treten. Gute Radwege bringen mehr Leute aufs Fahrrad, barrierefreie Wohnmöglichkeiten mit einem guten Pflegeangebot machen alten Menschen den Umzug aus ihrer mittlerweile viel zu großen Wohnung schmackhaft. Wer junge Familien, die Konstanz in den letzten Jahren verlassen haben, zurückgewinnen will, muss preisgedämpfte Häuser mit breiten Eingängen bauen, in denen Kinderwagen und Roller Platz haben – und die so angelegt sind, dass Eltern ihr im Hof spielendes Kind aus dem Küchenfenster sehen können.

Von Kopenhagen lernen heißt Klima lernen

Vorbild für solche Entwicklungen ist Kopenhagen, wo man seit bereits 40 Jahren erfolgreich einen Weg beschreitet, der viele Facetten hat: Am bekanntesten sind die Maßnahmen für Radler, aber auch in manch anderen Bereichen von der Fußgängerzone bis hin zum Bauwesen hat die Stadt mit der Meerjungfrau weltweit den Ruf einer Vorreiterin. Die wichtigste Lehre aus dem Kopenhagener Modell ist für Karl Langensteiner-Schönborn: „Das Ergebnis einer solchen Energiewende ist nicht etwa Verzicht, sondern eine wesentlich gesteigerte Lebensqualität. Kopenhagen nimmt diesbezüglich in weltweiten Rankings einen Spitzenplatz ein.“

Für Konstanz heißt dies konkret, auf Quartiersebene zu planen, statt beispielsweise Einzelgebäude zu betrachten. Ein besonders griffiges Beispiel für ein solches Konzept: Wenn in einer Schule eine alte Heizungsanlage ersetzt wird, macht es Sinn, vorher zu prüfen, ob Häuser in der Nachbarschaft nicht ebenfalls eine neue Heizung brauchen – und diese dann mit der neuen Schulheizung zu vernetzen.

Problemgebiete: Berchen und nicht das Paradies

Besonderer Handlungsbedarf besteht beispielsweise im Berchengebiet, wo in den 60er und 70er Jahren Zeilenbauten errichtet wurden, die unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz eine Katastrophe sind, ähnlich wie viele Häuser um den Haidelmoosweg herum, deren dünne Wände kaum eine Dämmung bieten. Hier sind Investitionen besonders lohnend. Andererseits erweisen sich manche älteren, um 1900 entstandenen Wohnanlagen im Paradies als erstaunlich durchdacht, weil dort Häuser um einen Innenhof herum aneinander gebaut wurden, so dass sie als Außenwände lediglich eine Straßen- und eine Hoffront haben, sich an den Seiten aber gegenseitig isolieren. Man merkt, eigentlich ist das alles ganz logisch – wenn’s einem einer sagt.

Die Stadt selbst kann auf solche Entwicklungen begrenzt Einfluss nehmen und gedenkt dies auch zu tun. Ein wichtiges Mittel dazu sind neben der Stadtplanung mit entsprechenden Bebauungsplänen die Stadtwerke als Energiebeschafferin und -verteilerin mit erheblichem Einfluss auf den lokalen Energiemix. „Allerdings bleibt es dabei,“ so Lorenz Heublein, „dass Konstanz nicht energieautark werden kann.“ Die eigene Produktion aus den vor Ort einzig verfügbaren Quellen Photovoltaik und Geothermie wird also den örtlichen Bedarf auch in Zukunft nur teilweise decken, es muss auch weiterhin Energie von außen bezogen werden. Die Eigenproduktion liegt derzeit bei 1% des Bedarfs (vor allem Photovoltaik), Gas liefert 42%, Erdöl 36% und 22% sind Strom (aus verschiedenen Quellen).

Außerdem kann die Stadt über die Wobak eine Vorbildfunktion wahrnehmen sowie Privatmenschen in allen Fragen zu Verkehr, Sanierung, Energieverwendung usf. beraten. Was allein die Wobak vermag, zeigt ein jüngst errichtetes Haus, unter dem Bohrungen bis in 200 Meter Tiefe die Erdwärme anzapfen. Die Christiani-Wiesen denken die Planer sich als zukunftsfähiges Modellquartier, in dem vieles ausprobiert werden kann, was später im Großprojekt Hafner umgesetzt werden soll.

E-Mobilität liegt noch danieder

Eine wichtige Funktion ist dem künftigen Klimaschutzmanager zugedacht, über dessen Einstellung demnächst vom Gemeinderat befunden werden soll. Es wird dem Gemeinderat sicher gefallen, dass dieser Job in den ersten Jahren vom Bund erheblich subventioniert wird. Auch die stetige Fortentwicklung des Klimaschutzkonzeptes geschieht übrigens nicht nur uneigennützig, denn sie ist Voraussetzung für den Zugang zu den Fördertöpfen, die bekanntlich die kommunalpolitische Welt bedeuten. Das 200-seitige Konstanzer Klimaschutzkonzept selbst wurde übrigens von einem Münchner Ingenieurbüro erarbeitet, hat 80 000 Euro gekostet und erhielt mit 52 227 Euro vom Bundesumweltministerium eine Förderung von 65%. Denk‘ an Klimaschutz, denk‘ an den Bund, ist eine kommunale Klimaschutzdevise.

Natürlich ist in bei all diesen Maßnahmen viel von Technik die Rede: Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik, Wärmepumpen, Niedertemperatur-Heizsysteme und alle möglichen Masterpläne durchziehen das Klimaschutzkonzept. Doch eine Technik ist noch nicht recht nach Konstanz vorgedrungen: Die E-Mobilität liegt bei im Landkreis insgesamt 60 erfassten E-Autos noch richtig danieder. Um sie zu fördern, braucht es Ladestationen allüberall (die im Parkhaus an der Laube ist scheint’s bei Tesla fahrenden SchweizerInnen besonders beliebt) und E-Carsharing. Außerdem lässt sich die Attraktivität solcher Angebote auch durch das bevorzugte Ausweisen von Parkplätzen erhöhen.

Die Zukunft in den Beinen

Gut im Rennen liegt Konstanz hingegen bei der ältesten und zugleich zukunftsträchtigsten aller menschlichen Mobilitätstechniken, der Körperkraft. Bereits 2017 soll in Zusammenarbeit u.a. mit der Universität ein Leihfahrradsystem verwirklicht werden. Und TINK, der öffentliche Lastenfahrradverleih, wird, da ist sich Langensteiner-Schönborn schon jetzt, nach den wenigen, über alle Maßen erfolgreichen Probemonaten sicher, nach dem Auslaufen der Versuchsphase in zwei Jahren von der Stadt auf eigene Kosten weitergeführt und ausgebaut werden.

Diese Lastenfahrräder sind aus dem Stadtbild nun wirklich kaum mehr wegzudenken, und es lässt sich unschwer absehen, dass in Konstanz gerade eine neue Generation heranwächst, deren Kindheitserinnerungen zu einem guten Teil auf den Klappsitzen im Kasten eines Lastenfahrrades spielen. „Damals auf dem Rückweg vom Baden am Kuhhorn fing’s aus Kübeln an zu gießen, meine Schwester und ich pitschnass vorne drin, nur das Badelaken übern Kopf gezogen, Mami strampelte wie bekloppt, dass wir schnell nach Hause kommen. Und plötzlich, kraaawummm, schlug der Blitz in die Pappel neben uns ein, und dann …“

Harald Borges, Bild: Stadt Konstanz

Das Konstanzer Klimaschutzkonzept finden Sie hier:
http://www.konstanz.de/umwelt/01064/01083/07339/index.html