Das digitale Rathaus kommt

Mit mehr als 40 Tagesordnungspunkten geriet die Gemeinderatssitzung am Dienstag zu einer wahren Marathonveranstaltung. Wegweisend war etwa der Beschluss zum digitalen Rathaus. Außerdem gab es einen ausführlichen Sachstandsbericht Flüchtlinge sowie eine kurze Debatte über kulturell bedeutende Grabstätten. Demenzkranke schließlich erhalten eine dringend notwendige neue WG.

Bei einer derart umfangreichen Tagesordnung ist es nur normal, dass die meisten Anträge ohne weitere Diskussion mehr oder weniger einstimmig durchgewinkt werden. Anke Schwede (LLK) allerdings vertiefte einen unscheinbaren Tagesordnungspunkt, bei dem es um die Ausweisung bestimmter Grabstätten als Kulturdenkmale ging. Für solche Gräber übernimmt die Stadt jährlich Pflegekosten von 130 Euro, und Schwede störte sich am Grabmal von Erwin F. Hildenbrand aus dem Jahr 1943.

Hildenbrand war nach Angaben der Verwaltung seit 1930 Mitglied der NSDAP und „Prototyp eines NS-Karrieristen“, der etwa als städtischer Verkehrsdirektor im Sommer 1937 eigenmächtig fürs Hörnle ein Badeverbot gegen jüdische Gäste und Mitbürger verhängte. Nach kurzem Hin und Her sagte die Verwaltung zu, an diesem Grab eine erklärende Tafel anzubringen, und Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn schlug vor, die Frage von Erklärtafeln einmal prinzipiell zu bearbeiten. Er versprach einen Antrag dazu, und das klingt vernünftig, denn was nützen Kulturdenkmale, wenn die Flanierenden deren besondere Bedeutung gar nicht erkennen können?

Wie geht es den Flüchtlingen?

Bürgermeister Andreas Osner setzte den Rat wieder einmal darüber ins Bild, wie es derzeit mit der Flüchtlingsbetreuung und -integration vorangeht. Am 30.11. gab es in der Stadt demnach 742 Personen in Gemeinschaftsunterbringungen, außerdem wohnten etwa 150 Geflüchtete in Privatwohnungen. In Konstanz leben derzeit 46 unbegleitete Minderjährige, und 29 Menschen sind bereits im Rahmen des Familiennachzugs angekommen. Die Zahl der Neuankömmlinge sank erheblich, so wurden der Stadt im letzten Monat nur 28 Flüchtlinge zugewiesen, 12 Monate zuvor waren es noch 426.

Großes Lob sprach Osner dem städtischen Flüchtlingsbeauftragten Mustapha Diop aus. Er sei intensiv dabei, ein Netzwerk Integration zu knüpfen, in dem unter anderem Wohlfahrts- und Wirtschaftsverbände mitarbeiten. Ziel sei es neben der allgemeinen Integration vor allem, Flüchtlingen einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen. Außerdem sei Diop sehr erfolgreich bei der Akquise von Drittmitteln aus Förderprogrammen.

Anschluss- statt Gemeinschaftsunterbringung

Momentan ist man damit beschäftigt, die Gemeinschaftsunterbringungen zu räumen, beginnend mit den schlechtesten. Außerdem sollen in den Gemeinschaftsunterkünften pro Person statt wie bisher 4,5 Quadratmeter nun 7 Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden, was natürlich die Zahl der verfügbaren Plätze reduziert. Der Parkplatz des Schwaketenbades soll bereits im März wieder geräumt sein, und die Unterkunft in Dettingen wird aufgelöst, auch wenn der dafür zuständige Landkreis noch keinen festen Zeitplan vorgelegt hat.

Die große Aufgabe ist jetzt die Errichtung von Anschlussunterkünften. Ab März beginnt der Bezug der 72 Plätze im Zergle, es folgen dann bald 40 Plätze in Egg. Sehr gespannt ist Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn vor allem auf die 16 Plätze an der Schottenstraße, die dank einer neuartigen Modulbauweise ruckzuck errichtet werden können, sowie die Archäologen das Grundstück geräumt haben.

Christiane Kreitmeier (FGL) lobte die Häuser als zumindest von außen gelungen und regte ein Einweihungsfest an, zu dem auch die Nachbarn geladen werden sollen. Die Frage von Sabine Feist (CDU) nach den nächsten Standorten für Gemeinschaftsunterkünfte ließ Osner unbeantwortet und verwies auf einen späteren Sachstandsbericht. Gabriele Weiner (JFK) beklagte, dass Flüchtlinge, die in einer Gemeinschaftsunterbringung leben und Deutschkurse absolvieren oder gar einen Job haben, zur Anschlussunterbringung teils weit weg verschoben werden, so dass sie ihre frisch geschlagenen Wurzeln zu verlieren drohen. Sie forderte, auf solche individuellen Lebenssituationen mehr Rücksicht zu nehmen. Andreas Osner allerdings bestritt, dass es solche Fälle heute noch gibt.

Wie geht es weiter?

Nach Osners Angaben laufen ständig Gespräche zwischen Stadt, Landkreis und Gemeinden. Die Stadt habe bei der Erstunterbringung Überdurchschnittliches geleistet, und jetzt spreche man wegen der Anschlussunterbringung mit Kommunen, die nicht so unter Wohnungsnot ächzen wie Konstanz oder in denen gar Immobilien leer stünden. Er zeigte sich recht optimistisch, mit dem Bau von Anschlussunterbringungen voran zu kommen, immerhin seien einige geeignete Bauplätze neu dazugekommen.

In Egg und am Zergle gibt es übrigens weiterhin ein Konsultationsprogramm, und an beiden Standorten sind Tage der offenen Türen geplant. Allerdings läuft die Information nicht immer reibungslos, so will an einem Standort eine Bürgergruppe gar nicht mehr mit der Verwaltung sprechen, weil sie prinzipiell gegen die Unterbringung ist.

Der digitale Behördengang soll kommen

Bis 2022 will auch Konstanz ein digitales Rathaus haben, in dem BürgerInnen möglichst viele Angelegenheiten online erledigen können. „Das Projekt Konstanz.digital soll als strategisches Programm für den Umstieg zur digitalen Verwaltung beschlossen werden.“ Motto: „Nicht die Menschen laufen ins Amt, sondern die Informationen.“

Dazu bedarf es erheblicher Veränderungen an den Einrichtungen und Arbeitsabläufen in den Konstanzer Dienststuben. Am Ende sollen nicht nur die KonstanzerInnen profitieren, sondern auch der Wirtschaftsstandort, außerdem erhofft man sich durch die Digitalisierung nennenswerte Einsparungen. Für das elektronische Rathaus sollen drei Stellen geschaffen und in den nächsten beiden Jahren insgesamt 638 000 Euro an Sachkosten aufgewendet werden.

Wohngemeinschaft für Demenzkranke

Wegweisend ist auch dieser Beschluss: In der Talgartenstraße 4 soll eine Demenz-Wohngemeinschaft eingerichtet werden. Bis zum 31.05.2019 ist das Gebäude Talgartenstraße 4 zwar noch an den Hospizverein vermietet, der aber will bereits im nächsten Jahr in zwei Stockwerke der Talgartenstraße 2 umziehen, sodass voraussichtlich schon im Herbst 2017 mit den Umbaumaßnahmen für die neue Demenz-Wohngemeinschaft begonnen werden kann, die dann Mitte 2018 bezugsfertig sein soll. Hier werden acht Menschen mit Hilfebedarf wohnen, zur 24-Stunden-Betreuung werden insgesamt 7,36 Vollkräfte benötigt. Angesicht der demografischen Entwicklung ist ein solche Einrichtung natürlich nur zu begrüßen.

Was tut die Obrigkeit eigentlich den ganzen Tag?

Die Stadtverwaltung hat jetzt ihr (nicht ganz vollständiges) Arbeitsprogramm für das erste Halbjahr 2017 veröffentlicht. Wer also schon immer einmal wissen sollte, was in der Verwaltung alles anliegt, kann sich das Programm hier anschauen.

O. Pugliese

Quelle: Pressemitteilung der Stadt Konstanz