Lehrstück in Demokratie

Mit „Die Rassen“ hat am kommenden Freitag ein Stück am Konstanzer Theater seine Premiere, das getrost als Lehrstück in Sachen Demokratie verstanden werden darf. So will es zumindest die Regisseurin Barbara-David-Brüesch verstehen – als Warnruf auch gegen Intoleranz und Verdummung, gegen Mitläufertum und Massenwahn. „Und das ist heute so aktuell wie vor 80 Jahren“, bekräftigt die Dramaturgin Laura Ellersdorfer bei der Vorstellung des Dramas vor der Presse.

Ja, sie wollen ein politisches Drama auf die Bühne des Konstanzer Stadttheaters bringen, „dem wir viele, gerade jugendliche ZuschauerInnen wüschen“, sagt Regisseurin Brüesch, ansonsten Hausregisseurin am Theater St. Gallen. Und Laura Ellersdorfer ergänzt: „Obschon 1933 entstanden, ist das Drama von Ferdinand Bruckner, der schon wenige Wochen nach der Nazi-Machtübernahme aus Berlin fliehen musste, voller Aktualität, voller Parallelen zur Gegenwart.“

seemoz-DIE RASSENNeue Uniform – neue Identität

Die Geschichte ist schnell erzählt: Politik spielte im Leben des Medizinstudenten Heinrich Karlanner und seiner Freundin Helene bislang keine Rolle. Doch die Wahl 1933 schafft eine Zäsur im Leben des jungen Paares: Heinrich lässt sich vom Massenrausch einer arischen, rassenreinen Nation mitreißen. Aufgehend im Taumel einer neuen deutschen Massenpsychose, nimmt Heinrich mit der strammen braunen Uniform auch eine neue Identität an und trennt sich von Helene. Denn die ist Jüdin.

Bruckners Drama zeigt die Mechanismen von Gleichschaltung, Entindividualisierung und Massenrausch scharfsinnig und prophetisch auf. Wie verhält man sich, wenn sich ein Wertewandel im sozialen Umfeld ereignet und radikales Gedankengut plötzlich salonfähig wird? Dramaturgie und Regie wollen das mit zusätzlichen Videoeinspielungen und einem „Bewegungschor“ begreiflich machen: Jugendliche aus dem „Jungen Theater“ sollen in Sprechchören ein Art von Verfremdung im Brechtschen Sinne erzeugen und damit einen Bezug zur Gegenwart herstellen.

Keine Schau vor Konflikten

Man darf gespannt sein, wie das funktioniert. Und ob das die aufklärerische Wirkung erzeugt, die heutzutage angesichts von Neonazi-Terror und Pegida-Duselei, von Trump-Verblödung und Religionskämpfen dringend nötig scheint. Die beiden Theatermacherinnen Brüesch und Ellersdorfer (Foto) jedenfalls wollen mit „Die Rassen“ dagegen halten. Und das Stadttheater Konstanz wird seinem Ruf gerecht, sich vor politischen Konflikten nicht wegzuducken.

hpk