Vincentius-Areal: Mehr bezahlbare Wohnungen nötig
Noch kann eine Bebauung mit größtenteils teuren Wohnungen auf dem Vincentius-Areal zwischen Laube und Schottenstraße in Konstanz verhindert werden. Denn der TUA (Technische und Umweltausschuss) berät am nächsten Donnerstag als erstes städtisches Gremium den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Schottenplatz“; entscheiden wird der Gemeinderat in seiner dann folgenden Sitzung.
In wohl unfreiwilliger Offenheit berichtet die Stadtverwaltung in ihrer Vorlage für den TUA: „Mit der Integration des Vincentius Krankenhauses in das Klinikum Konstanz und der zukünftigen Verlegung des Standortes nach Petershausen sollte das Grundstück an der Unteren Laube im Stadtteil Paradies vermarktet werden“. Genau: Es geht offensichtlich um „Vermarktung“ – von Wohnraum-Beschaffung ist nur am Rande die Rede.
Denn, so weiter in der Vorlage: „Gemäß dem Handlungsprogramm Wohnen ist ein ausgewogener Wohnungsmix herzustellen, welcher einem breiten Spektrum an Nachfragegruppen gerecht wird und so die Vielfalt und soziale Mischung im Quartier gewährleistet. Es gelten die baulandpolitischen Grundsätze der Stadt Konstanz. Die Zielgruppenbindung liegt bei 20% gefördertem und 10% preisgedämpften Wohnungsbau“. Höchstens 30 Prozent der geplanten 108 Wohnungen also könnten womöglich zu erschwinglichen Preisen und/oder Mieten angeboten werden.
Man erinnert sich: Zwischen Januar 2015 und Juni 2016 fand ein Investoren- und Planungs-Wettbewerb statt – es wurden also architektonische Entwürfe mit einem Kaufpreisangebot kombiniert. Als Sieger ging die Immobilien-Tochtergesellschaft der Landesbank, die LBBW Immobilien Development GmbH, aus dem Wettbewerb hervor, örtliche Konkurrenten kamen nicht zum Zug. Man darf vermuten, dass der stattliche Kaufpreis nun über Mieten und Verkaufserlöse wieder hereinkommen soll, schließlich ist von ‚Vermarktung‘ die Rede. Da scheint dann kein Platz für erschwingliche Mieten mehr zu sein – mindestens die Hälfte der 108 Wohnungen sollte aber, so fordert es die Linke Liste Konstanz (LLK), aus „geförderten und preisgedämpften“ Wohnungen bestehen.
Wer und was wird wie gefördert?
Dazu sollte man wissen: Basis für geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau ist das Landeswohnraumförderungsprogramm. Das fördert unter anderem die Schaffung von Mietwohnraum für Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Das Programm definiert als Einkommensbezugsgröße den durchschnittlichen Bruttojahresverdienst eines männlichen Lohnabhängigen von 54 000 Euro (2016). Haushalte, deren Gesamteinkünfte um 25 Prozent oder mehr unter dieser Bezugsgröße liegen, haben Förderansprüche.
Die Finanzierung erfolgt in Form von (gegenwärtig) zinslosen Darlehen durch die L-Bank mit unterschiedlichen Laufzeiten für die Sollzinsbindung. Während der Dauer der Miet- und Belegungsbindung (10, 15 oder 25 Jahre) ist die Kaltmiete gegenüber der jeweils ortsüblichen Vergleichsmiete um mindestens 33 Prozent abzusenken.
Man sieht: Eine zusätzliche Förderung kostet Geld. Das sollte aber gerade für erschwingliche Mieten in der Konstanzer Innenstadt aufgebracht werden. Die TUA-Mitglieder haben es auf ihrer Sitzung am Donnerstag in der Hand, durch entsprechende Vorgaben im Bebauungsplan die soziale Komponente dieses Projekts zu stärken: Mehr bezahlbarer Wohnraum muss die Losung sein.
hpk/jüg
Am Ziel vorbei
Die ersten geförderten Objekte aus dem Handlungsprogramm mit Darlehen, die ausschließlich über LBBW Kredite vergeben werden, sind gerade in die Vermarktung gekommen. Kostenpunkt für eine vierköpfige Familie:
539 000 € Wohnung
22 500 € Stellplatz
39 000 € Nebenkosten ( 5% Grunderwerbsteuer, 2%Grundbucheintragung und Notarkosten)
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600 500 € Kaufpreis
Quelle: https://www.immowelt.de/expose/2CQF242
Wie soll eine Familie, die nicht mehr als 54 000 € im Jahr verdienen darf, diese Summe jemals abbezahlen? Das Handlungsprogramm Wohnen geht in dieser Form am Bedarf vorbei. Das Instrument LBBW Kredit funktioniert bei Quadratmeterpreisen über 5000 € nicht. Die Stadt Konstanz muss selbst Geld in die Hand nehmen und ausschließlich Zielgruppen orientiertes Bauen zulassen für Gering- und Normalverdiener, für Menschen, für die die Stadt eine Fürsorgepflicht hat.
Schon lange fordern die Umweltverbände ein Umdenken, nicht nur in der Quantität des geplanten Flächenverbrauchs. Was Konstanz braucht sind Sozialwohnungen, die langfristig am Markt verfügbar sind und nicht in 10 Jahren nach Ende der Mietpreisbindung aus dem Pool der Sozialwohnungen wieder herausfallen. Die Stadt Konstanz steht in der Pflicht über ihre Wohnbaugesellschaft langfristig günstigen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten. Die im Handlungsprogramm Wohnen prognostizierten Sickereffekte von teuer zu preisgünstig können in einer Schwarmstadt wie Konstanz nicht greifen, da sie durch Zuzug von außen zunichte gemacht werden.
Die Frage, die sich stellt ist: Ist es vernünftig und nachhaltig die letzten Flächenreserven der Stadt einem kurzfristigen Bauboom zu opfern? Brauchen wir nicht ein nachhaltiges Stadtentwicklungskonzept, dass die Belange aller Konstanzer/-innen mit einbezieht und die Belange der Natur?
Am 6.2.2017 um 20 Uhr (Treffpunkt Petershausen) wird auf Initiative des BUND Konstanz und anderer Organisationen (BINSE, NABU, VCD, Mitglieder der FGL, Wohnwerkstatt Konstanz, Das bessere Verkehrskonzept) der „Arbeitskreis Nachhaltige Stadtentwicklung“ ins Leben gerufen. Alle Konstanzer Bürger/-innen sind eingeladen, sich aktiv einzubringen. Wir möchten ein echtes Alternativprogramm auf die Beine stellen, ein Handlungsprogramm „Besser Wohnen in Konstanz“. Es sollen im Arbeitskreis Fragen der Klimafestigkeit, Freiflächenkonzepte, Grüne Infrastruktur, Verkehrskonzepte, alternative Wohnformen, soziales Miteinander, Grenzen des Flächenverbrauchs und des Wachstums und vieles mehr diskutiert werden.
In der Auftakt- und Gründungsveranstaltung stellt der Verein „Wohnwerkstatt Konstanz“ sein genossenschaftliches Wohnkonzept vor. Geplant ist, weitere Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themenschwerpunkten ins Leben zu rufen. Wir wünschen uns eine breite Bürgerbeteiligung von Experten und interessierten Laien, von Betroffenen aus den Stadtteilen und Verbänden.
Bitte merken Sie sich den Termin vor und diskutieren Sie mit!