Wird Chance zur sinnigen Stadtentwicklung vertan?

seemoz-Siemens-ArealDer Tagesordnungspunkt zwei der morgigen Sitzung im Konstanzer Gemeinderat hat es in sich: Zwei Großprojekte sollen abgewickelt werden – der Bebauungsplan Schottenplatz soll unter Dach und Fach und der Verkauf des einstigen Siemens-Areals in der Bücklestraße soll abgesegnet werden. Werden damit auch zwei Chancen zur sinnvollen Stadt­ent­wick­lung vertan? Und gibt damit die Stadt ihre Wirkungs­möglichkeiten zur Stadt­ent­wick­lung gänzlich aus der Hand?

Für über 28 Millionen Euro wurde das einstige Siemens-Gelände verkauft. Neue Eigentümerin ist die eigens gegründete Konstanz Invest GmbH aus Lindau, hinter der die Vorarlberger Unternehmensgruppe i+R steht. Der wirtschaftliche Übergang der Immobilie ist für das erste Quartal 2017 geplant. Aber noch bis Ende Januar besteht ein Vorkaufsrecht der Stadt Konstanz, die diese Immobilie in Eigenregie übernehmen und z. B. die städtische Wohnungsbau-Gesellschaft Wobak dort bauen lassen könnte.

Absicht?

Zwar gibt es eine schriftliche Absichtserklärung (neudeutsch: Letter of Intent), wonach sich die Käuferin in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung verpflichtet, „ein qualitativ hochwertiges, urbanes, gemischt genutztes Quartier mit Gewerbe/Dienstleistungsangeboten, Gemeinbedarfsflächen und Wohnnutzung für verschiedene Zielgruppen“ zu errichten, doch diese Erklärung formuliert eben nur eine Absicht, von der man im Zweifel auch wieder abrücken kann.

Wäre es der Stadtverwaltung wirklich ernst mit ihrem „Handlungsprogramm Wohnen“, gäbe es tatsächlich ein Konzept für eine sinnvolle Stadtentwicklung – ja, dann müsste die Stadt das Gelände an der Bücklestraße kaufen und von der Wobak entwickeln lassen. Doch der Stadt war der Preis zu hoch. Nun soll der Gemeinderat in seiner morgigen Sitzung einen Verzicht auf dieses Vorkaufsrecht beschließen und somit die Entwicklung dieses städtebaulichen Sahnestücks einem privaten Investor überlassen.

Kostengünstig?

Wie schon bei der Bebauung des Vincentius-Areals (seemoz berichtete) wird so die Chance aus der Hand gegeben, endlich für ausreichend erschwinglichen Wohnraum zu sorgen. Denn selbstredend muss die Käuferin darauf achten, ihre Investitionen samt – womöglich überhöhten – Kaufpreis zu erwirtschaften. Und das klappt mit einem Angebot für kostengünstigen Wohnraum nur selten.

Die neue Eigentümerin Konstanz Invest GmbH entwickelt und realisiert das Projekt mit der in Lindau ansässigen i+R Dietrich Wohnbau, die derzeit beispielsweise auch das Zentrumsprojekt „Gräfliche Seedomaine zu Bodman“ umsetzt. Sie ist eine Tochtergesellschaft der 1904 gegründeten i+R Gruppe, die heute zu den 10 größten Eigentümer geführten Betrieben Vorarlbergs gehört.

Ach ja, dann wird in der Vorlage für den Gemeinderat noch vor einer juristischen Problematik rund um das „dingliche Vorkaufsrecht“ gewarnt. Doch dadurch würde eine Realisierung durch die Stadt höchstens erschwert, nicht unmöglich gemacht. Auch hier gilt also: Wo ein Wille ist …

hpk

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