Das ganz andere Kulturfest
Deftige Eintrittspreise, Sicherheitskontrollen, Werbe-Tamtam – alles, was Konstanzer Wochenend -Veranstaltungen sonst ausmacht, fehlte. Gerade deshalb wurde der Poetry-Slam unter der Schänzlebrücke zu einem Kulturfest besonderer Art: Pfiffige Poeten und 250 Zuhörer feierten Wortwitz und Poesie, Komik und bisweilen Klamauk – draußen, umsonst, nachdenklich, fröhlich, scherbenfrei und ungestört von Polizei und Anrainern.
Es geht doch: Ausgelassenheit am Seerhein. Sieben Poetry-Slam-Poeten hatte der Konstanzer Autor und Verleger Jürgen Weber aufgeboten, die sich auf eine Palette stellten, eigene Texte vortrugen und vom Publikum begeistert beklascht wurden: Politische Texte und witzige, besinnliche und aufrührerische. Nick Salzflausen (Name vom Eigentümer geändert) persiflierte den Konstanzer Streit ums Glasverbot, Björn Dunn aus München machte sich über seine Kneipenbekanntschaften lustig und Valentin Merz dachte laut über Intoleranz nach.
Neben Lokalmatador Matze B., der eine muntere Moderation hinlegte, Renato Kaiser aus St. Gallen, der schließlich vom Publikum auch wegen seines Textes über dumme Kinder in engen Zugabteilen zum Sieger ausgerufen wurde, und Björn Dunn, der zu den Slam-Stars der Republik zählt, wagten erstaunlich viele Nobodies den Sprung auf die Palette: Allen voran Valentin Merz, der den dritten Platz belegte, aber auch Sandra Eigner mit einem mutigen Text zum Selbstmord mancher Freunde. Und Organisator Jürgen Weber glänzte mit einem Text über die Ohnmacht der Macht.
Soviel Kluges, soviel Witziges gibt es selten auf Konstanzer Bühnen. Auch wenn die Bühne nur eine Europalette ist (das war die vierte der Palette-Veranstaltungen in Büros, im Boxring, unter Brücken) – solche Kulturveranstaltungen braucht das Land: Mit weniger Kommerz, aber mehr Witz, mit weniger Tamtam, aber mehr Fantasie. Das ganz andere Kulturfest sollte Schule machen, Nachahmer dringend erwünscht.
Autor: hpk