150 Ideen für besseres Wohnen in Konstanz
Etwas sperrig ist der Name schon: „Arbeitskreis Nachhaltige Stadtentwicklung“, aber immerhin 150 KonstanzerInnen wollten am Montagabend im Treffpunkt Petershausen beim Startschuss dabei sein. „Denn ein solcher Arbeitskreis trifft den Nerv der Stadt“, so Sabine Seeliger, eine der 15 GründerInnen, die sich seit zwei Jahren Gedanken machen über Stadtentwicklung und ein „Wohnen der Zukunft“, über Sozialwohnungen und Baugenossenschaften, nur zum Beispiel.
Denn das ist nach den Worten von Bernhard Wittlinger vom VCD (Verkehrsclub Deutschland) klar: „Wir sind unzufrieden mit dem städtischen Handlungsprogramm Wohnen“. Angesichts der weltweit fast einmaligen Problemlage von Konstanz (fehlende Flächen wegen der Nähe zur Grenze, zum See und zum Naturschutzgebiet) „sind herausragende Lösungen nötig“. Und die seien aufseiten der Stadtverwaltung derzeit nicht in Sicht, „denn durch Neubau allein können diese Probleme nicht gelöst werden“, ist sich Wittlinger sicher.
Stadtentwicklung nicht Investoren überlassen
„Unser Ansatz ist aber nicht jammern, sondern konstruktiv das Handlungsprogramm Wohnen zu begleiten, Denkanstöße zu geben und Fehlentwicklungen und -entscheidungen entgegen zu wirken.“ Ein Paradigmenwechsel also, denn „es darf nicht sein, dass Bauland höchstbietend an Bauträger veräußert und so die Stadtentwicklung nur Inverstoren überlassen wird.“ Deshalb auch: „Ziel ist nicht die Schaffung von Wohneigentum, sondern die Verfügungstellung von Wohnraum.“ Darum wollen die Gründungsmütter und -väter dieses alternativen Handlungsprogramms „Besser Wohnen in Konstanz“ z. B. „autofreies wohnen“ verwirklichen, „eine soziale Durchmischung und Flächenersparnisse“ oder auch eine „nachhaltige Energieversorgung“ erreichen.
Wie das alles zu schaffen sein könnte – darüber denken derzeit die Mitglieder des Vereins „WohnWerkstatt Leben und Teilen“ nach, deren Diskussionsstand von Sabine Seeliger präsentiert wurde. Ihre Fragestellungen: „Was ist gegen Spekulation auf dem Baumarkt zu tun?“ Antwort: Wohneigentum gar nicht erst zulassen. Und: „Was brauche ich individuell an Wohnfläche?“ Antwort: Wir brauchen Wohngemeinschaften für Individualisten mit viel weniger persönlichem Flächenverbrauch und viel mehr Gemeinschaftsräumen.
Begrenzung statt Lenkung des Verkehrs
Aber die Gründungsmütter und -väter des Arbeitskreises wollen nicht im eigenen Saft schmoren. Darum waren sechs Thementische aufgebaut worden, an denen die 150 Gäste, darunter erstaunlich viele GemeinderätInnen und sogar der Baubürgermeister nebst Amtsleiterin, zusätzliche Ideen ausbrüten sollten: Und so wurden dann Fragen wie „unkontrollierter Zuzug“ oder „Dichte-Stress“ erörtert, eine Mietpreisbremse kam ins Spiel und höhere Sozialquoten, natürlich wurde über Verkehrsfragen („Begrenzung statt Lenkung“) und Probleme der Versiegelung diskutiert.
Trotz aller Kritik, trotz aller Ideen: Es sollte gefragt werden, wer alles das wie und wann umsetzen will und kann. Deshalb dazu unser Kommentar im Anschluss.
Übrigens: Ein Anschlusstreffen wird es am 8. März geben – seemoz wird rechtzeitig daran erinnern.
hpk
Kommentar:
(hr) Der sehr gute Besuch im Treffpunkt Petershausen zeigte deutlich: Das Thema Wohnen beschäftigt viele KonstanzerInnen. Und das zu Recht, denn neben dem wöchentlich erlebbaren Verkehrschaos plagt nicht wenige die Frage, ob sie sich in Zukunft überhaupt noch eine Wohnung leisten können in einer derart hochpreisigen Stadt, die für Geringverdiener kaum mehr Platz bietet. Dass daraus auch der Wunsch entsteht, alternative Wohnprojekte an- und durchzudenken, ist verständlich und auch sinnvoll.
Bei dem weiteren Vorgehen möchte man sich Zeit lassen, Möglichkeiten durchspielen und – vor allem – nach geeigneten Immobilien und Grundstücken Ausschau halten, das alte IHK-Gebäude kam beispielsweise ins Gespräch. Doch die Zeit drängt und die Entwicklung droht, vielen Wünschen und Hoffnungen vorab den Garaus zu machen. Innerhalb kürzester Zeit hat der Gemeinderat fast einstimmig beschlossen, bedauerlicherweise auch mit den Stimmen von FGL und SPD, das Vincentius- und das Siemensareal privaten Investoren zu überlassen. Eine überaus fahrlässige Entscheidung mit negativer Tragweite. Der Bevölkerung wurde suggeriert, dass die Stadt großen Einfluss haben werde bei der städteplanerischen Entwicklung dieser Flächen. Doch darauf ist nur sehr beschränkt Verlass, und immer öfter – es gibt genügend Beispiele zwischen Flensburg und Konstanz – rein gar nicht.
Das wesentliche und übergeordnete Problem bleibt. Bernhard Wittlinger hat das bei seinem Eingangsreferat klar benannt: Das Handlungsprogramm Wohnen muss völlig umgekrempelt werden, denn der gedachte Anteil für preisgünstigen Wohnungsbau ist eindeutig zu mager und wird den Bedarf nicht mal im Ansatz decken. Und weiterhin steht ebenso auf der Agenda mit ganz oben: der Spekulation von Grund und Boden unmissverständlich das Wasser abzugraben. Doch die politischen Mehrheiten im Konstanzer Rat lassen da sehr wenig Hoffnung aufkommen. Setzt kein Umdenken ein, und das ist zu befürchten, werden es auch kleine Pflänzchen schwer haben, sich zwischen dem fröhlich wuchernden Konstanzer Betongold zu behaupten.
Ein Umdenken beginnt zum Glück, leider aber in noch viel zu wenigen Köpfen, vor allem in den Köpfen der Stadtregierung nicht. In den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts schrieben mehrere Autoren, es sei fünf vor Zwölf. Sie wurden als Spinner belächelt. Jetzt ist es zwölf Uhr und der Klimawandel ist da. Und er wird auch vor Konstanz mit seinem wertvollen Hinterland Bodanrück mit Stürmen, unerwünschten Regenmengen und extremer Trockenheit nicht Halt machen. Es wird nicht mehr reichen, nur stolz darauf zu sein, dass wir das Glück haben, am Rande eines großen Nutrschutzgebietes zu leben. Jede jetzt noch zusammenhängende und unversiegelte Naturfläche, selbst, wenn sie nur so genanntes Brachland ist, wird sich noch als höchst bedeutsam für die Bewohner am See erweisen. Grundstückspreise müssten daher dort auf dem Land für großzügigen, verschwenderischen Flächenverbrauch unbezahlbar werden.
Solange die Stadt Konstanz so handelt, wie in den letzten paar Jahren, zieht sie nur Spe(c)kulanten (Maden im Speck) an, welche die Mietpreise so in die Höhe schnellen lassen, dass Otto Normalbürger es sich nicht mehr leisten kann, noch länger in dieser Stadt zu leben und zumindest an den Rand gedrängt wird. Die Folge ist Ausgrenzung mit weiter mit sich ziehenden Folgen (von Ausdehnung Mühlenweg (ohne Anschluss Öffentliches Verkehrsnetz) bis zu einem schleichend sich entwickelnden Molenbeek im schlimmsten Falle).