Weihnachtsmänner, Schweiger und Schandbürger
Kaum war der letzte Kübel Glühwein gesoffen, ging es schon darum, wer die kommenden drei Weihnachtsmärkte in Konstanz organisieren darf. Das treibt die Branche kräftig um, denn wer nicht völlig neben der Spur ist, kann am Schluss der wochenlangen Jingle-Bellerei einen Sack voll Kohle mit nach Hause schleppen. Außerdem: Auf seemoz-Fragen reagieren manche mit gesammelten Schweigen. Und: Was man anstellen muss, damit man Ehrenbürger wird, auch wenn eher Schande als Ehre im Spiel war.
Bei der Weihnachtsmarkterei …
… herrscht so manche Blödelei … Kommenden Donnerstag wird der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung entscheiden, wer in Zukunft – es gab eine europaweite Ausschreibung – den Weihnachtsmarkt von 2017 bis 2019 ausrichten darf. Eine Kommission hat im Vorfeld über die einzelnen Bewerber beraten. Wahrscheinlich werden zwei oder drei übriggebliebene Kandidaten ihre Konzepte vorlegen, darunter auch die bisherigen Ausrichter Heinrich und Levin Stracke. Die haben im Vorfeld schon mal erklärt, sie können sich – als „Qualitätssteigerung“ – eine Eislaufbahn („Konstanzer Eiszauber“), kombiniert mit einer Skatebahn am Gondelehafen vorstellen. Ein ziemlicher Unfug, den die Strackes sogar bis zum Ende der Fasnacht betreiben möchten. Fehlt nur noch, dass aufgescheuchte Event-Hysteriker vorschlagen, einen vorweihnachtlichen Skilanglauf auf Kunstschnee durch die Altstadt zu organisieren. Die Mehrheit der Standbetreiber will an den Strackes festhalten. Vor allem auch deswegen, weil die von ihnen erhobenen Standgebühren noch halbwegs erträglich sind.
Das große Schweigen, Teil I
Südkurier-Chefredakteur Stefan Lutz hat vergangenes Jahr – die Affäre Lünstroth kochte gerade hoch – per Mail an unsere Redaktionsadresse moniert, dass seemoz nie bei ihm nachfragen würde, wenn es um den Südkurier gehe. Das haben wir uns selbstverständlich umgehend zu Herzen genommen. Ende 2016, der Volkstrauertag stand an, erinnerte der Südkurier „an die zahlreichen Opfer von Gewalt und Krieg“ und veröffentlichte im Original und unkommentiert und ohne nachvollziehbare Erläuterung eine Traueranzeige aus dem Jahre 1941. Garniert mit Hakenkreuz wurde des Obergefreiten Paul Maier aus dem Klettgau gedacht, der „auf dem Felde der Ehre im Osten für Führer, Volk und Vaterland“ gefallen sei. Anlass genug, den Kollegen Lutz um eine Stellungnahme zu diesem Fauxpas zu bitten. Diese steht bis heute aus. Stefan Lutz zog seine Denkerstirn in Falten und verschwand darin. Dafür verleihen wir ihm das EK O am Schweigeband.
… und Teil II
Die Konstanzer Firma Außenwerbung Schwarz erregte unlängst Aufsehen im Stadtgebiet, weil sie auf einer riesigen Plakatfläche für den rechtsaußenlastigen Kopp-Verlag warb, der wiederum auf das zu jener Zeit gerade erschienene Buch von Udo Ulfkotte aufmerksam machen wollte. Der Autor, überregional bekannt als Verschwörungstheoretiker vom rechten Rand, verstarb kurze Zeit später. Unser Bedauern über seinen Fortgang hält sich in engen Grenzen. Für Ulfkottes frühes Ende kann Schwarz wirklich nichts, jeder Zusammenhang mit der Plakataktion ist nachweislich ausgeschlossen. Mehrere BürgerInnen beschwerten sich aber bei der Firma Schwarz darüber, dass sie überhaupt Werbung für die rechte Mischpoke betreibe, denn der Konstanzer Werbemogul mit einem bundesweiten Marktanteil von 16 Prozent plakatierte auch schon für die AfD, hat es also finanziell nicht nötig, sich seinen Ruf durch derlei Geschäftspartner zu versauen. In einem Offenen Brief wurde Schwarz aufgefordert, Stellung zu beziehen. Ergebnis auch hier: Stille, nichts als Stille. Unser Einkaufstipp für Schwarz: Björn Höcke von der AfD bietet zur Zeit braunen Leim im Großpack an. Zugreifen!
Wer war Conrad Gröber?
Älteren KonstanzerInnen ist der Name noch ein Begriff. Gröber (1872-1948) war Münsterpfarrer in Konstanz und später Erzbischof von Meißen und Freiburg. Nach ihm ist in Konstanz (immer noch) eine Straße benannt, außerdem ist er seit 1932 (auch das noch) Ehrenbürger der Stadt. Das mag man kaum glauben, wenn man sich in Erinnerung ruft, was Gröber, der auch zahlendes Fördermitglied der Waffen-SS war, 1941 in einem Hirtenbrief u.a. über die jüdische Bevölkerung abgesondert hat. „Sie lechzten nach schauerlichem Nervenkitzel und Blut (…) alles Mitgefühl der Juden ist in barbarischer Rohheit erstickt. Die Bestie hat Menschenblut gerochen und will ihren wildbrennenden Durst daran löschen (…)“.
Kein Zufall also, dass er schon damals den Beinamen „Brauner Conrad“ erhielt. Andere halten dagegen: Gröber habe sich auch in späteren Kriegsjahren immer wieder mit dem NS-Regime angelegt und von der Kanzel herab die Ermordung von psychisch Kranken verurteilt. Einig sind sich allerdings beide Lager in der Auffassung, dass Gröber bis zu seinem Tode ein fanatischer Antisemit war. Sogar am 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung durch die Alliierten, schrieb er ungeachtet der Ermordung von Millionen von Juden, dass „das Judentum (…) uns in seiner ihm aufgezwungenen Abwehr noch gefährlicher als die größte feindliche Armee“ sei.
seemoz e.V. hat den Regionalhistoriker Dr. Wolfgang Proske für den 4. April zu einem Vortrag über Conrad Gröber eingeladen. Ort: Treffpunkt Petershausen, 19.30 Uhr. Termin schon mal vormerken.
H. Reile