Der Dreck im Klinikum soll weg
In den letzten Tagen hat ein Zeitungsbericht über mangelnde Sauberkeit im Konstanzer Klinikum die Einwohnerinnen beunruhigt. In der gestrigen Sitzung des Gemeinderates bezog der im Gesundheitsverbund für Hygiene zuständige Professor Markus Dettenkofer zu diesem Bericht Stellung – mit einigen überraschenden Erkenntnissen.
Was der Südkurier, von einem Patienten informiert, berichtete und mit Bildern belegte, war für den Laien in der Tat haarsträubend: Einige Spinnweben, tote Fliegen und Dreck, wo Patienten Heilung suchen. Prof. Dr. med. Markus Dettenkofer stellte sich mehr oder weniger spontan den aus diesem Artikel folgenden Fragen des Gemeinderates. Er leitet das im Januar 2015 eingerichtete Institut für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, das für die Betreuung sämtlicher Kliniken und Einrichtungen des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz in Hygienebelangen zuständig ist. Er bat darum, nicht für den Podcast aufgezeichnet zu werden, weil er kein Marketingmensch sei und freier sprechen könne, wenn er sich nicht durch die Kamera beobachtet fühle. Dies wurde ihm gewährt, und sein Bericht vermittelte durchaus einen beeindruckenden Eindruck in den Klinikalltag.
Mangelnde Sauberkeit
Offensichtlich unterscheidet der Profi-Hygieniker, das machten seine angenehm unprofessoralen Ausführungen deutlich, zwischen Hygienemängeln und Sauberkeitsmängeln. Hygienemängel können wohl unsichtbar und gelegentlich tödlich sein (Viren, Bakterien etc.), während Schmutz wie Spinnweben sichtbar und oft harmlos ist – aber das ist für den normalen Kranken natürlich nicht erkennbar und daher kein Trost. Dettenkofers Institut inspiziert die Krankenhäuser im Gesundheitsverbund regelmäßig, natürlich mit einem besonderen Augenmerk auf OPs und Intensivstationen, auf denen Hygienemängel besonders gravierende Auswirkungen haben können. Er sagte auch, dass es in einem Krankenhaus mal mehr und mal weniger Probleme etwa mit Wundinfektionen gebe, ein gewisses Risiko lasse sich bis heute beim besten Willen nicht ausschließen. Die Vorstellung vieler PatientInnen, ein Krankenhausaufenthalt müsse und könne komplett risikofrei sein, sei einfach falsch.
Dettenkofer wollte damit aber sichtlich nicht um den heißen Brei herumreden, sondern sagte klar: Ja, es gab und gibt Dreck tatsächlich, gerade auch in den älteren Teilen des Konstanzer Klinikums, und dieser Schmutz habe dort nichts zu suchen. Dem Personal selbst falle so etwas aber wegen einer gewissen Betriebsblindheit gar nicht auf. Deshalb bedauerte er, dass sich der betreffende Patient mit seiner Beschwerde nicht an das Personal gewandt habe. Eine Befragung der auf der fraglichen Station Arbeitenden habe jedenfalls ergeben, dass niemand etwas von einer Beschwerde wisse, und der Patient selbst habe nach der Zeitungsmeldung nicht mehr einvernommen werden könne, weil er das Krankenhaus inzwischen verlassen habe.
Allerdings tue man sehr viel in diesem Bereich: Es gibt nicht nur eine eigens ausgebildete Ärztin für das Qualitätsmanagement im Krankenhaus, sondern man unterhält als Teil des Qualitätsmanagements auch ein eigenes Beschwerdemanagement. Allerdings, das räumte er von sich aus ein, wisse unter den PatientInnen von dem Beschwerdemanagement wohl niemand, weil das Klinikum darüber bisher nicht informiert hat. In Zukunft sollen die Patienten bei ihrer Einlieferung aber darüber in Kenntnis gesetzt werden, an wen sie sich wenden können, wenn sie mit etwas unzufrieden sind.
Manche Gemeinderätinnen und -räte grinsten an dieser Stelle, denn das bisherige Verfahren hört sich in der Tat nach echter Bürokratenlogik an: Wir beschäftigen jemanden, der auch für Patientenbeschwerden zuständig ist, aber wir weisen PatientInnen nicht darauf hin, dass es ihn/sie gibt – und Namen und Telefonnummer müssen die PatientInnen schon selbst irgendwie herausfinden, wenn sie etwas zu meckern haben. Das ist Kundenorientierung im Stile eines Obrigkeitsstaates vor 1789, wie sie heute eigentlich nur noch in Arbeits- sowie Sozial- und Jugendämtern üblich ist.
Die Ursachen sind längst bekannt
Oberbürgermeister Uli Burchardt war natürlich darauf bedacht, Imageschaden von der Stadt Konstanz abzuwenden. Er verwies darauf, dass das Klinikum dem Gesundheitsverbund des Landkreises unterstehe, so dass die Stadt für die Zustände im Konstanzer Klinikum nicht verantwortlich sei. Die Stadt ist letztlich nur eine Gesellschafterin im Gesundheitsverbund, der mehrheitlich dem Landkreis gehört. Burchardt warb für Verständnis für die Lage am Klinikum: „Die Zahlen schießen durch die Decke“, das Klinikum sei voll belegt, oft gebe es gar keine freien Plätze mehr, und die dort arbeitenden Menschen stünden „stark unter Druck“. Das Klinikum Konstanz habe eine „hohe operative Last“ zu bewältigen.
Prof. Dettenkofer erläuterte, dass die Reinigungskräfte in einer eigenen Personal Service GmbH organisiert sind. Er nannte sie ausdrücklich „schlecht bezahlt“ und verwies auf einen hohen AusländerInnenanteil. Allerdings habe man zwei Vorarbeiterinnen, die die anderen anleiten sollen. Es habe sich aber bei seinen Nachforschungen ergeben, dass die Reaktion auf Beschwerden in diesen Teams nicht ausreichend gewesen sei.
In der Bürgerfragestunde bemerkte dann eine ehemals langjährig am Krankenhaus beschäftigte Carola Wolfer, dieses Problem wundere sie überhaupt nicht, schließlich würden die von einer Kraft zu putzenden Flächen ständig vergrößert, darunter müsse die Qualität ja leiden. Der Oberbürgermeister sprach in seiner Antwort von einem „enormen Kostendruck, der Gesetzgeber erhöht den Spardruck ständig“. Er sagte auch, dass „Putzkolonnen“ schlecht bezahlt und schwer zu finden seien. Aber letzteres zu ändern sei Sache der Tarifpartner und nicht des Gesundheitsverbunds oder gar der Stadt Konstanz.
Was Markus Dettenkofer und Uli Burchardt als Entschuldigung für die Zustände anführten, nämlich jämmerlich bezahltes Reinigungspersonal, massiver Arbeitsdruck für alle Beschäftigten, ein voll belegtes Krankenhaus, kann man allerdings auch als – nur teilweise vom Krankenhausträger Landkreis zu verantwortendes – Versagen des Gesundheitssystems verstehen. Natürlich sind tote Fliegen im Konstanzer Klinikum nur die Spitze des Eisberges einer teils verfehlten Gesundheitspolitik, die insbesondere auf dem Rücken der Beschäftigten und gesetzlich Versicherten ausgetragen wird. Aufgabe öffentlicher Einrichtungen ist es aber, sich als gute und damit attraktive Arbeitgeber hervorzutun.
Es ist ja nicht so, dass Markus Dettenkofer und Uli Burchardt in dieser Gemeinderatssitzung so getan hätten, als sei hier alles in Butter, ganz im Gegenteil. Uli Burchardt ist sehr offen, zumindest wenn es um Missstände in Bereichen geht, die er nicht zu verantworten hat. Es ist allerdings erschütternd, dass diese Probleme seit vielen Jahren ganz offen ausgesprochen werden können – denn dies war nicht das erste Mal –, ohne dass das irgendwelche Konsequenzen hätte. Übertarifliche Bezahlung, mehr Personal, all das verbietet der Gesetzgeber vermutlich nicht mal Häusern, in denen die Zahlen durch die Decke schießen. Ho Narro!
O. Pugliese
Wie sieht die Situation denn in der Stadtverwaltung aus?
Werden bzw. sind da alle Stellen (adäquat) und vor allem zügig besetzt?
Der Druck z.B. im ASD, wo die Fallzahlen unter dem erwähnten Kostendruck nach oben gesetzt werden und die Mitarbeitenden Mühe haben ihre „Fälle“ angemessen zu bearbeiten, ist immens.
Auch hier müssen Menschen betreut, unterstützt werden, sollen ihnen Hilfsangebote gemacht werden. Eventuell muß sehr schnell gehandelt werden um Kinder zu schützen.
In anderen Ämtern sieht es vermutlich nicht besser aus, das würde mich sehr wundern.
Anfragen an die Verwaltung dauern manchmal Wochen und länger. Wenn ausreichend Personal zur Verfügung stände, wäre die berühmte Bürgernähe des OBs sicher eher sichtbar?