Wenn der NPD-Mann außerhalb des Rings zuschlägt

Am Freitagabend, 27. Januar 2017, wurde am Heinrich-Weber-Platz in Singen eine Gruppe junger Antifaschisten und Punks, die auf dem Weg in ein Konzert waren, von drei Männern verbal provoziert. Zwei davon sind in der rechtsradikal-militanten Szene keine Unbekannten: Alexander R. und Siegfried Pauly, beide u.a. aktiv in der „Höri-Bodensee-Kameradschaft“. Pauly geisterte bis vor kurzem als Boxtrainer durch die Region, ist aber mittlerweile abgetaucht.

Bei der verbalen Attacke Ende Januar blieb es aber nicht, sondern der schon mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Alexander R. packte unvermittelt einen 18jährigen, versetzte diesem einen Kopfstoß und anschließend schlug Siegfried Pauly dem Wehrlosen brutal ins Gesicht. Bis zum Eintreffen der Polizei hatten die drei Angreifer bereits das Weite gesucht. Das verletzte Opfer musste im Krankenhaus behandelt werden, konnte dieses aber am selben Abend wieder verlassen. Mittlerweile wurde Strafanzeige gestellt, die Polizei ermittelt, der Geschädigte wird anwaltlich vertreten. Soweit die Schilderung der angegriffenen jungen Leute.

Rückzug aus Bietingen

Über Siegfried Pauly (auf dem Teaserbild des BSV Blumberg ganz links), derzeit Mitglied im Landesvorstand und Kreisvorsitzender der NPD – und Boxtrainer mit einer allem Anschein nach frei erfundenen bedeutenden „Sportkarriere“ – wurde auf seemoz bereits Ende 2015 berichtet. Als seine Kandidatur für die NPD für die Landtagswahl 2016 publik wurde, gab es beim Turnverein Bietingen, wo damals Pauly als Boxtrainer noch Kinder und Jugendliche betreute, immerhin einige Unruhe, die dazu führte, dass Pauly schließlich seinen dortigen Trainerjob freiwillig aufgab.

Bei der Landtagswahl bekam Pauly im Wahlkreis Singen 162 Stimmen – wenig zum Glück, mag man sagen, aber dennoch zu viele für den Mann aus Brandenburg, der sich immer wieder an Naziaufmärschen in der Region (u.a. im Februar 2015 in Singen), aber auch deutschlandweit beteiligte. So wurde der seinerzeit designierte Landtagskandidat als Teilnehmer an der Hogesa-(Hooligans gegen Salafisten)-Demonstration wegen Werfens einer Glasflasche im November 2015 vom Kölner Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, verknüpft mit einer Geldbuße von 1200 € verurteilt.

Neuanfang in Singen

Danach wurde es im Hegau ruhiger um Pauly – vorerst. Doch der Boxtrainer blieb aktiv und im Februar 2016 ließ er sich als Geschäftsführer des „Boxsport Hegau e.V“. mit Sitz in Singen ins Handelsregister eintragen. Trainiert wird in der August-Ruf-Straße 3 (Karstadt-Gebäude). Von weitem fällt nur das Schild der Shotokan-Karate-Dojo-Schule auf, der Hinweis auf den Boxsport Hegau e.V. klebte nur als A4-Blatt direkt an der Eingangstür. Auch auf der Webseite der Stadt mit den geförderten Sportvereinen ist dieser Verein nicht zu finden, anders als die beiden auch sportlich erfolgreichen Vereine „Box-Club Singen 1922 e.V.“ und „Thai Box-Club Singen e.V.“

Kooperation mit dem BSV Blumberg

Die Erklärung dafür ist einfach: Der Boxsport Hegau e.V. kooperiert nämlich mit dem Boxsportverein (BSV) Blumberg und tritt bei Wettkämpfen als dessen Abteilung auf. Und bei diesem Verein ist Pauly sowohl Jugendtrainer als auch Beisitzer. Weder seine NPD-Kandidatur noch sein rechtsradikaler Hintergrund mit Vorstrafe scheinen bei den Blumberger BoxerInnen Hindernis oder Problem zu sein. Auf seemoz-Nachfrage hieß es lapidar: „Welcher politischen Gesinnung unsere Trainer des kooperierenden Vereins angehören, steht für uns im Hintergrund. Unser Verein hat sich der sportlichen Ausbildung junger Athleten verschrieben und nicht der Gründung einer Partei oder Ähnlichem“. Und außerdem: „Herr Pauly war eine Bereicherung unserer Boxgemeinschaft, verließ diese jedoch aus persönlichen Gründen und ist nun nicht mehr für den Verein tätig, was wir aus sportlicher Sicht ziemlich bedauern.“ So die Antwort von BSV-“Pressesprecherin“ Tanja Litvinova und Michael Schäfer, 1. Vorstand beim BSV Blumberg.

Rückkehr nach Frankfurt (Oder)

Eine fast gleichlautende Stellungnahme kam auch von den Boxkumpels aus Singen: Herr Pauly sei kurzfristig in seine Heimatstadt Frankfurt an der Oder zurückgekehrt. Und richtig: Unter der angegebenen Vereins-Adresse (nicht die des Trainingsraums) sind auf einem Briefkasten nur noch die Reste eines Etikettenstreifens (…“PORT H“ …) zu finden. Ein offensichtlich überstürzter Abgang …, eine Reaktion auf die Strafanzeige?

Was heißt das nun für den Singener/Blumberger Verein: Ist das „rechte“ Problem mit dem Weggang Paulys gelöst? Wohl kaum, denn auch der 2. Vorstand des Vereins, Alexander Dawid, ist in der hiesigen Neonazi- und Hooligan-Szene kein Unbekannter. Recherchiert man im Netz weiter, so stößt man im Rahmen von Sportveranstaltungen des Vereins noch auf weitere aus dem rechtsradikalen Umfeld bekannte Namen.

Ferner bleibt da noch die ungeklärte Identität des dritten Mannes, der bei dem Übergriff am Heinrich Weber-Platz dabei war – er wurde zwar nicht handgreiflich, aber er hat auch nicht versucht, seine beiden „Kumpels“ von Tätlichkeiten abzuhalten.

Singens Problem mit rechten Strukturen

Es drängt sich die Frage auf, wie jemand, der nachweislich nicht „nur“ NPD-Mitglied (der Partei, die laut Urteil des Verfassungsgerichts wegen ihrer „geringen Bedeutung“ weiterhin als Partei zugelassen bleibt) ist, sondern aktiv im militanten rechtsradikalen Milieu agiert und einschlägig vorbestraft ist, anscheinend noch immer eine Trainerlizenz hat und Kinder und Jugendliche betreuen darf? Und dies in einer Sportart, die vielfach von Minderjährigen mit Migrationshintergrund ausgeübt wird. Ob deren Eltern damit einverstanden wären oder überhaupt ahnen, wer hier ihre Kinder trainiert?

Dass auch Singen ein Problem mit rechten Strukturen hat (angefangen von der großen Zahl der AFD-Wähler, hin zu Infoständen und gut organisierten, scheinbar spontanen Flyer-Aktionen des rechtsextremen „III. Weges“ bei unverdächtigen Veranstaltungen, bis zu rechten Kundgebungen in den vergangenen Jahren etc.), ist bekannt. Die Stadt unternimmt einiges dagegen, so u.a. das „Bündnis unterm Hohentwiel“ in Zusammenarbeit mit der Singener Kriminalprävention. Und doch zeigt sich am Beispiel des Boxtrainers Pauly, dass die braune Gefahr mitten unter uns ist, nicht immer offen zu erkennen, sondern gern verkleidet als Biedermann oder „Kümmerer“ um jene, die man in der rechten Szene eigentlich verachtet und bekämpft. Und das fällt erst wieder auf, wenn einer davon seine Maske ablegt und zuschlägt …

Corinna Neubauer

Mehr zum Thema:
01.07.16 | … und die Verwaltung in Radolfzell schweigt
20.01.16 | So viele Parteien wie noch nie
14.12.15 | NPD-Mann Pauly nicht mehr im Boxring
23.11.15 | Neonazi trainiert Kinder und Jugendliche