Integration wozu?
Es raschelt mal wieder gewaltig im Blätter- und sonstigen Medienwald. Nein, nicht Steuersenkungspläne, Griechenland oder Stuttgart 21 sind gemeint. Wahrer Aufreger scheint eine Untersuchung der Uni Konstanz über die Integration von Ausländern am Beispiel von Konstanz und Kreuzlingen. Spannend? Eher wohl missverständlich.
Nicht nur etwa die altehrwürdige „Welt“ oder die „Stuttgarter Zeitung“ taten kund, dass die Deutschen in Kreuzlingen sich angeblich diskriminiert fühlen, auch in den einschlägigen Schweizer Blättern war dies nachzulesen. Doch scheinen da manche offenbar so manches gewaltig missverstanden zu haben, wie jetzt die Rückzieher zeigen. Zum Beispiel bei unserer genialen Heimatzeitung, die das Thema gleich zwei Mal innerhalb von fünf Tagen groß herausbringt. Zunächst mit negativem, dann mit positivem Unterton. Nicht zuletzt aber scheinen die Forscher selbst sich über die Realitäten in ihrem ausgewählten Untersuchungsgebiet offenbar nicht so recht im klaren zu sein. Das fängt beim Grundsätzlichen an: Konstanz und Kreuzlingen zu vergleichen, unter welchem Aspekt auch immer, ähnelt schon irgendwie der Sache mit den Äpfeln und den Birnen.
Auch ist Kreuzlingen nicht irgend eine Schweizer Kleinstadt irgendwo in dieser Alpenrepublik, seine heutige Bedeutung bezieht der Ort mit seinen 19 000 Einwohnern so ziemlich ausschließlich aus der Grenzlage, das heißt aus der unmittelbaren Nähe zu Konstanz und seinem Umland. Nachdem die Grenze inzwischen – trotz aller Widerstände der Eidgenossen – doch um einiges durchlässiger geworden ist, hat sich Kreuzlingen zu so etwas wie dem nächstgelegenen Ortsteil von Konstanz entwickelt, viel näher zum Zentrum mit all seinen Angeboten als etwa Dettingen oder Litzelstetten. Warum also nicht dorthin ziehen, dann hat man neben der kurzen Wege in die „Stadt“ zum Beispiel auch noch niedere Steuern oder günstigere Miet- und Bodenpreise. Es ist eben schon ein Unterschied, ob Deutsche wegen günstigerer Arbeitsbedingungen und höherer Löhne sich irgendwo in der Schweiz niederlassen oder halt nach Kreuzlingen umziehen.
Eine Binsenweisheit
Und, ach ja, die Sache mit der Integration. Kreuzlingen hat jetzt einen Ausländeranteil von knapp 51 Prozent. Und ob Italiener, Türken oder Ex-Jugoslawen, sie sind, das ist bekannt, in Kreuzlingen so gut oder so schlecht integriert wie in jeder anderen Schweizer Stadt, immer auch abhängig von der jeweiligen Haltung der Einheimischen.
Bei den rund 4500 deutschen „Zuzügern“ ist das doch ein wenig anders. Sie kommen vielfach aus der unmittelbaren deutschen Nachbarschaft, ziehen rüber über die Grenze, weil`s finanziell günstiger ist. Ansonsten bleibt alles beim alten. Integration wieso und wozu also? Es hat sich doch fast nichts geändert. Der Arbeitsplatz weiterhin auf deutscher Seite, die Kinder in deutschen Schulen, Verwandte, Freunde, Bekannte wie bisher, man bleibt dem Verein treu und auch der Stammkneipe. Auf Wissenschaftsdeutsch heißt das dann: „Die Deutschen orientieren sich stark in Richtung Deutschland“. Hört sich schon ein bisschen an wie eine Binsenweisheit.
Aber es kommt noch besser. Die mangelnde Bereitschaft zur Integration der Kreuzlinger Deutschen zeige sich zum Beispiel beim Einkaufsverhalten und beim Medienkonsum, wurde bei der Untersuchung festgestellt. Aha. Wenn also (fast) alle Schweizer in deutschen Läden einkaufen, ist es ein Zeichen mangelnder Integrationsbereitschaft, wenn die dort lebenden Deutschen das auch tun? Und wo in Kreuzlingen gibt es etwa Vergleichbares zum Konstanzer Lago, wo eine ähnliche Gastro-Szene, wo entsprechende Kultureinrichtungen? Kreuzlingen hat ja nicht einmal ein Kino.
Warum nicht Zürich?
Ach ja, und die Fernsehgewohnheiten! In Kreuzlingen wohnende Deutsche gucken deutsche Sender. Unglaublich! Ja, was sollen sie denn sonst einschalten, etwa SF 1 und SF 2? Und was, bitteschön, gucken die Schweizer? Deutsche Sender natürlich. Andererseits gilt aber auch, wer sich nicht integrieren will, sich für die Belange seines Wohnortes nicht interessiert, der muss sich nicht wundern, wenn ihm die Einheimischen skeptisch begegnen oder umgekehrt von ihm auch nichts wissen wollen.
Fazit aus der seltsamen Geschichte: Man kommt nicht umhin zu vermuten, es seien für diese Studie den falschen Leuten am falschen Ort die falschen Fragen gestellt und aus den Antworten auch noch die falschen Schlüsse gezogen worden. Schließlich ist Kreuzlingen eben nicht vergleichbar mit anderen Schweizer Städten, etwa mit Zürich, wo viele Deutsche leben, die zu einer derartigen Untersuchung tatsächlich Aufschlussreiches beizutragen hätten.
Autorin: Regine Klett