Singener Konsumtempel „Cano“ kommt später
Wie geht es eigentlich mit der geplanten Shoppingmall am Bahnhof voran? fragen sich derzeit nicht nur SingenerInnen. Im Sommer 2016 war die Entscheidung pro oder contra „ECE“ das polarisierende Stadtthema und wurde auch über Singens Grenzen hinaus kontrovers diskutiert.
Der Bürgerentscheid ging zugunsten des milliardenschweren Hamburgers Investors aus, der den Wahlkampf dank seiner finanzkräftigen Marketingabteilung mit einer eigenen von der Otto-Group finanzierten Bürgerinitiative „Lebendiges Singen“ und großzügigen Werbegeschenken dominierte. Und nicht zu vergessen: die eindeutige Pro-ECE- Positionierung und Unterstützung durch die Stadtspitze.
Im Herbst sorgte dann die Namensgebung „Cano“ für einige Verwunderung, dem Vernehmen nach auch bei so manchem, dem Konsumtempel wohl gewogenen Gemeinderatsmitglied, das bereits von einem „Hohentwiel-Center“ geträumt hatte. Mehr als den Namen und die hinlänglich bekannten Modellbilder gibt es bis heute noch nicht, doch Chef-Projektentwickler Marcus Janko zeigt sich immer mal wieder bei illustren Anlässen mit viel Lokalprominenz aus Politik und Wirtschaft, wo mit salbungsvollem Eigenlob für den künftigen Konsumklotz als Jahrhundertchance für die Stadt nicht gespart wird.
Fehlen dem Cano die Mieter?
Ende 2018 solle das Center eröffnet werden, tönten die ECE-Manager noch bei ihren ersten Werbeveranstaltungen. Danach sieht es derzeit nicht mehr aus. Frühjahr 2019 ist zwar auf der Homepage von ECE zu lesen, aber auch dieser Termin gilt als wenig realistisch. Begründungen für den sich verschiebenden Projektstart gibt es verschiedene: Durch den Bürgerentscheid (den es wohl kaum ohne die Beharrlichkeit der centerkritischen Bürgerinitiative „Für Singen“ gegeben hätte) sei viel Zeit verloren gegangen, bedauerten die ECE-Manager schon im vergangenen Jahr.
Die noch andauernden und offenbar sich hinziehenden Detailverhandlungen zwischen Stadtverwaltung und ECE beim städtebaulichen Vertrag sind eine weitere Erklärung. Könnte die zweistellige Millionensumme, die OB Bernd Häusler für den Verkauf des Zollareals samt dem unteren Abschnitt der Thurgauerstraße zu fordern versprach, dabei der Hemmschuh sein? Auch die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes ist auf 2018 verschoben. Laut Angaben der Stadtverwaltung solle nach der Sommerpause der Satzungsbeschluss zum Vorhaben- und Erschließungsplan für das Center erfolgen, anschließend könne die Baugenehmigung erteilt werden.
Hinter vorgehaltener Hand ist aber auch zu vernehmen, dass das ECE-Projektmanagement sich schwertue, Miet-Interessenten für die geplanten 80 Ladengeschäfte zu gewinnen. Ein Gerücht zwar nur, andererseits ist aber Realität, dass mehr und mehr Modeketten aus Shoppingcentern Reißaus nehmen und sich dafür sogar aus langfristigen Verträgen freikaufen.
Galgenfrist fürs Geschäft
Welche Gründe es auch immer für den aufgeschobenen Baubeginn geben mag, die Botschaft selbst ist für so manchen Einzelhändler eine frohe: wenigstens ein Jahr mehr „Galgenfrist“ fürs eigene Geschäft. Auch das Café Hanser und dessen Gäste haben Grund zur Freude: Der kommende Sommer kann bei gutem Wetter draußen genossen werden, ohne Baustellenlärm- und -dreck, der für das Traditionshaus zum großen Problem werden dürfte.
Und nicht zu vergessen: Nach Erteilung der Baugenehmigung haben Dritte das Recht, gegen das Center in seiner geplanten Ausführung vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, was weiteren zeitlichen Aufschub bedeuten könnte. Die Stadt Konstanz hat sich für einen entsprechenden Einspruch bereits entschieden.
Fritz Murr
Wie in Singen die Buschtrommeln trommeln, werden die Ladenflächen im Cano zu Preisen angeboten, die eine normale Kalkulation eines Einzelhandelsbetriebes bei weitem sprengen. Der Projektentwickler wird erst dann das Projekt am Finanzmarkt platzieren können, wenn die Ladenflächen im wesentlichen vermietet sind. Und dann noch die Stadt, die sich hoffentlich besonnen hat, und das benötigte Gelände auf dem Holzerareal nicht verschenken will, sondern einen zweistelligen Millionenbetrag verlangt, wie sich OB Häusler öffentlich festgelegt hat. Immerhin soll dafür der Bahnhofvorplatz verschönt werden. Grundstück ist dann allerdings weg, verscherbeln statt sozialen Wohnungsbau entwickeln, ist halt in Singen schon lange gängige kommunalpolitische Praxis.
Das ECE-CANO-Center benötigt Singen und vor allem
Radolfzell, so dringend wie einen „zweiten Bauchnabel“.
Hoffentlich stirbt das Projekt an planerischem Siechtum. Singen braucht diesen Konsumtempel nicht, der den Niedergang der Innenstadt zur Folge hätte!
Hendrik Riemer