Am 24. März ist Schluss in Radolfzell
„Die belegärztlich geleitete Geburtshilfe hat im Gesundheitsverbund des Landkreis Konstanz keine Zukunft mehr.“ Und: „Das bedeutet für Schwangere: Bis zum 24.3. steht Ihnen der Kreißsaal in Radolfzell offen. Nach diesem Datum müssen Sie sich eine andere Klinik zur Entbindung suchen.“ So verkünden die Belegärzte auf ihrer Homepage aktuell das Aus für die Geburtshilfe in Radolfzell.
Noch einmal verweisen Dr. Matthias Groß, Jasmin Karpuzoğlu und Dr. Günther Stubenrauch auf die Verdreifachung der Versicherungsprämie, wodurch ihnen eine Weiterführung der Geburtshilfe unmöglich gemacht wurde. Zwar bedanken sie sich nochmals beim Gemeinderat der Stadt Radolfzell für die intensive Suche nach Lösungsmöglichkeiten, doch, so die Gynäkologen, „eine tragfähige Lösung war bis Anfang März nicht gefunden“. Nicht ohne Wehmut verweisen sie schließlich auf die Erfolge der Geburtshilfe (s. Schaubild) mit ständig steigender Geburtenrate: „Wir freuen uns über die vielen gesunden Kinder“.
Nicht erwähnt wird in der kurzen Notiz die erfolglose Suche nach einem Nachfolger für Dr. Stubenrauch, der in Pension geht. Trotz verschiedener Interessenten, so Belegarzt Groß bereits vor dem Kreistag im Januar, mochte sich letztlich kein Arzt in das Risiko einer derart unsicheren Zukunft begeben.
Unerwähnt bleibt auch die Kritik an der Hinhaltetaktik des Landrats. Frank Hämmerle hatte erst Ende Februar ein „Notifizierungsverfahren“ bei der EU einleiten lassen – in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrats-Vorsitzender des Gesundheitsverbundes hatte er den Radolfzeller Oberbürgermeister Staab zu diesem Schritt gedrängt. Dieses Verfahren ist längst nicht abgeschlossen, hatte aber bereits wütende Proteste der Grünen im Radolfzeller Gemeinderat zur Folge, die dem Landrat vorwarfen, „die Geburtshilfe in eine Warteschleife“ zu schicken.
Die Freie Grüne Liste in Radolfzell forderte deshalb Anfang März konsequente Aktivitäten von der Politik und „erwartet von Landrat Hämmerle und Oberbürgermeister Staab, dass sie sich aktiv für eine schnelle Entscheidung in der anstehenden Kreistagssitzung noch im März einsetzen und damit die letzte Chance auf Weiterführung der Geburtshilfe am Krankenhaus in Radolfzell ermöglichen.“
Einer solchen Entscheidung sind nun die Belegärzte zuvor gekommen. Ob nach deren Kündigung überhaupt noch eine Lösung gefunden werden kann, entscheidet sich wohl erst in der nächsten Sitzung des Kreistages am 27. März.
hpk
Eine Kurzfassung aus meiner Mail zum Kreistagsbeschluss vom
19.12.2016. „Aus dem Kreissaal in den Kreistag, der eine Maus geboren,
die sich wohl als Kröte entpuppt, an der sich Radolfzell hoffentlich
nicht verschluckt?!“
OB Burchardt, Kostanz repräsentierte sich als die schwarze Wand der
CDU als „Uli Allmächtig“ im Landkreis.Das sich die Konstanzer und
Singener Ärzte noch nicht einmal zu schade fanden, indem sie bereits
im Vorfeld Personal vom noch nicht einmal auf der Intensivstation
liegenden Patienten der Radolfzeller Geburtshilfe abgeworben haben,
sagt mehr als tausend Worte. Das Spiel hieß „Schwarzer Peter für die Radolfzeller Geburtshilfe“. Damals wie heute ist die Betroffenheit in
den Gesichtern der Mütter, Hebammen und aller anderen unübersehbar.
Ein“ Big Kompliment“ an alle, die sich am Erhalt der Geburtshilfe in unterschiedlichster Weise engagiert haben. Alle Namem zu nennen
würde den Rahmen sprengen.
PS. Eines kann ich mir nicht verkneifen. Landrat Hämmerle wirkte in seinem Lavieren zwischen den verschiedenen Anträgen Änderungen und wiederholten Korrekturen, wie jemand, der das Pendel einer Wanduhr verschluckt hat. Sein Notifizierungsverfahren war das „R.I.P der Radolfzeller Geburtshilfe“. Bitte erweisen sie den Betroffenen einen letzten Dienst, das wäre wenigstens noch ein guter Abgang.
Glaubwürdigkeit ist in der Politik ein hohes Gut. Sie bedeutet zweierlei Dinge für mich: (1) Zwischen dem was man sagt und dem, was man tut, muss eine weitgehende Übereinstimmung herrschen. (2) Man sollte das in seinem persönlichen Leben selbst leben, was man denkt und sagt.
Wir alle wissen, dass für die Union Familienwerte eine herausgehobene Rolle spielen. Mann und Frau finden sich in einer Ehe zusammen, bekommen staatliche Privilegien und finanzielle Vorteile und sollen dann möglichst rasch Kinder bekommen.
Der Landrat und die Oberbürgermeister von Singen und Konstanz gehören dieser Partei an. Für sie spielen Familienwerte eine herausgehobene Rolle. Das sollte man meinen.
Tatsache ist, dass das Beispiel Radolfzeller Geburtshilfe wieder einmal eindrücklich zeigt, dass die Union einen elementaren Eckpfeiler unserer Gesellschaft fast ausschließlich ökonomisch und finanziell beurteilt. Die Argumente und Bedenken, vor allem, dass in den Kliniken Singen und Konstanz eine viel bessere Betreuung bei Geburtskomplikationen möglich ist, sind nachvollziehbar. Wir sprechen hier aber über die existenzielle Erfahrung der Geburt, die so nah wie möglich am Wohnort der Eltern erfahren werden sollte. Wir reden davon, dass wir die Grundlagen unseres menschlichen Daseins nicht nur in Geld- und Effizienzfragen diskutieren können.
Es geht letztlich auch um politische und menschliche Werte. Eignet sich ein solches Thema wirklich dazu, so zu handeln? Die Schöpfung hatte ursprünglich für uns vorgesehen, dass die Frauen den Ort dieser existenziellen Erfahrung selbst bestimmen und letzlich dort Hilfe bekommen, wo die Frau ist und nicht die Frau lange Wege zum Ort der Hilfe zurücklegen muss.
Ich verstehe nicht, warum eine Lösung nicht zügig und verbindlich möglich gewesen ist, zumal der politische Konsens frühzeitig sehr breit war. Es wurde eine „wir sind nicht zuständig Diskussion“ in einem Thema geführt, das völlig ungeeignet für so etwas ist.
Ich richte die Bitte an die drei Herren der Union, ihr Handeln nochmals mit ihrem Gewissen und den Werten der politischen Kraft zu verproben und zu überdenken, der sie angehören.