„Nulltarif für Geflüchtete“

Das Internationale Forum in Konstanz führt leider ein Schattendasein. Dabei ist das Gremium, in dem neben StadträtInnen auch „sachkundige BürgerInnen“ tagen, gerade heutzutage enorm wichtig. Das zeigte sich bei der letzten Sitzung, in der Moustapha Diop seinen ersten Bericht als Flücht­lings­beauf­tragter der Stadt Konstanz abgab (auf www.konstanz.de abrufbar). Wir doku­men­tieren den Redebeitrag von Stadträtin Anke Schwede (LLK), der auch auf die aktuellen staatlichen „Flücht­lings­integrations­maßnahmen“ (FIM) einging.

Dieses Programm für zusätzliche, gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten hatte die Bundesregierung im August 2016 aufgelegt. Geflüchtete Menschen sollen danach während des Asylverfahrens zum Beispiel in den Unterkünften mitarbeiten oder auch außerhalb der Unterkünfte beschäftigt werden. Sie erhalten nur eine sehr geringe Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde. Die FIM laufen über die Bundesagentur für Arbeit, können bis zu sechs Monate dauern und bis zu 30 Stunden die Woche umfassen. Von 2017 bis 2020 stellt der Bund dafür jährlich 300 Millionen Euro bereit.

Werden solche Arbeitsgelegenheiten oder Integrationskurse ohne wichtigen Grund abgelehnt oder abgebrochen, können die Behörden Asylbewerbern die Leistungen kürzen. In baden-württembergischen Kommunen sollen rund 11 600 dieser Hungerlohn-Jobs für Flüchtlinge eingerichtet werden, für Konstanz hat die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Umsetzung des FIM-Programms übernommen. Einige Plätze bei städtischen Einrichtungen hat man inzwischen mit Asylbewerberinnen und Asylbewerbern besetzt – deren Enttäuschung über die geringe Bezahlung ist im Tätigkeitsbericht des Flüchtlingsbeauftragten nachzulesen.

Schwede forderte in ihrem Beitrag, Möglichkeiten einer besseren Entlohnung zu prüfen, zumindest aber Flüchtlingen die kostenlose Nutzung des Roten Arnolds zu erlauben. Eine Forderung, die bei nicht wenigen TeilnehmerInnen auf Zustimmung stieß.


„Sehr geehrter Herr Diop, liebe Kolleginnen und Kollegen, wertes Publikum,
für diesen umfassenden und sehr informativen Tätigkeitsbericht auch unseren herzlichen Dank. Er liefert nicht nur einen guten Überblick über die städtischen Maßnahmen und mannigfaltigen Aktivitäten der vielen ehrenamtlichen und „offiziellen“ Akteurinnen und Akteure, sondern lässt auch die Betroffenen zu Wort kommen. Das sollte auch in anderen Bereichen Schule machen.

In diesem Zusammenhang sind uns zwei Dinge aufgefallen. Erstens: Wie nicht anders zu erwarten, gehören Sprachbarrieren zu den Haupthindernissen, mit denen die Geflüchteten konfrontiert sind. Die Linke Liste hat schon während der Haushaltsdebatte darauf hingewiesen, dass die Stadt hier mehr tun muss. Um eine wirkliche Teilhabe zu ermöglichen, ist die deutsche Sprache nun mal einer der zentralen Schlüssel. Deshalb erneuere ich an dieser Stelle die Forderung nach einem Ausbau des städtischen Angebots an Sprachkursen für Erwachsene, über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus. Hier sollten zumindest die Spielräume geprüft werden. Nur so lässt sich doch das auch im Bericht festgehaltene Ziel erreichen, nämlich: „die Integration von Geflüchteten, die nicht mehr schul‐ bzw. berufsschulpflichtig sind, ins Schul‐, Ausbildungs‐ und Arbeitssystem durch eine engere Zusammenarbeit zwischen allgemein bildenden Schulen, Berufsschulen und Arbeitsagenturen besser und effektiv zu fördern.“

Zweitens, hinsichtlich der „Gemeinnützigen Arbeit für Flüchtlinge“ werden Aussagen von Geflüchteten zitiert, zum Beispiel: „Finanzielles Problem: Ist unsere Arbeit nicht mehr wert? Kürzung auf 80 Cent wurde als erniedrigend empfunden. (Lieber unentgeltlich arbeiten, als so unterbezahlt) Würden gerne mehr Geld verdienen, um ihre Familien zu unterstützen. Fahrtkosten sind belastend.“

Auch zu diesem Thema haben wir schon gefordert, dass alle Möglichkeiten geprüft werden müssen, um diese Bezahlpraxis zu verbessern. Laut § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) können Flüchtlinge bis zu einhundert Stunden pro Monat für 1,05 €uro pro Stunde beschäftigt werden. Die Aufwandsentschädigung wird von der Institution übernommen, die die Arbeitsgelegenheit bereitstellt. Können Sie bitte darstellen, warum nicht einmal diese sehr geringe Entschädigung ausbezahlt wird und die Betroffenen für beschämende 80 Cent arbeiten müssen?

Vor allem aber, und das wäre nun wirklich schnell und unbürokratisch machbar, regen wir an, einen Nulltarif beim Öffentlichen Personennahverkehr für Geflüchtete einzuführen, denn bei derart niedrigen Stundensätzen wird Busfahren ja geradezu zum Luxus.“


hpk/ans

Foto: Afghanischer Flüchtling in der Schneiderei des Stadttheaters (Quelle: Tätigkeitsericht 2016 des Flüchtlingsbeauftragen)