Stadtgeflüster: Von Heuchlern, Gauklern und Drückebergern

Die Debatte um die Kündigung des Konstanzer Chefarztes Gert Müller-Esch hat sich kurzfristig gelegt und in die Sommerpause verabschiedet. Dann aber auf ein Neues. Mit seiner Erklärung, ob er erneut als OB-Kandidat antreten wird, will sich Horst Frank bis zum Oktober Zeit lassen. Aktuell aber spitzt sich die Situation beim „Südkurier“ täglich dramatisch zu. Gut möglich, dass der noch frische Chefredakteur Stefan Lutz durch den für Südkurier-Verhältnisse orkanartigen Gegenwind in die Knie geht.

Bei der letzten Gemeinderatssitzung wurde Norbert Henneberger, Chef der Konstanzer Touristik Information, in aller Öffentlichkeit gnadenlos abgewatscht. Warum er auf kritische Nachfragen über sein Geschäftsgebaren keine Auskünfte erteile, wurde er nicht zum ersten Mal gefragt. Beispielsweise würde man immer noch gerne wissen, was der von ihm in Auftrag gegebene Abtransport des „Päpstleins“ gekostet habe und warum er darüber beharrlich schweige. Henneberger trotzig: “Weil es dann am nächsten Tag bei Ihnen auf der Seite (seemoz) steht“. Woraufhin OB Frank seinen Untergebenen schroff maßregelte und dem verblüfften Henneberger erklärte, auf Anfragen aus den Reihen des Gemeinderats habe er gefälligst auch Antworten zu geben. Franks Attacke gegen seinen Obertouristiker ist nicht frei von Heuchelei. Denn er war es, der sich von Stuttgarter CDU-Granden beeinflussen ließ und schließlich Henneberger anwies, für den Abbau des päpstlichen Gauklers zu sorgen, der angeblich religiöse Gefühle verletzt habe. Die Aktion, das weiß man nun, hat 4000 Euro gekostet und die Republik lacht noch heute über die Stadt am Bodensee. Merke: Wer so einen Chef neben sich hat, sollte diesem besser nicht den Rücken kehren.

Weiterhin wird gerätselt, ob der amtierende Oberbürgermeister bei der kommenden OB-Wahl im Juni 2012 nochmal antritt. Die Anzeichen verdichten sich täglich, dass es Horst Frank erneut wissen will und offensichtlich geradezu masochistische Lust hat auf eine mögliche Demontage. Der stadtweit als möglicher Gegenkandidat gehandelte Tobias Engelsing hüllt sich weiterhin in Schweigen. Ins Gespräch bringen will sich überraschend die Gauklerpartei, die schon während des letzten Landtagswahlkampfes von sich reden machte und dem CDU-Mann Andreas Hoffmann einen schmerzlichen Karriereknick bescherte. Bei einem Treffen dieser bunten Truppe in einer Konstanzer Weinstube einigte man sich auf ein grob formuliertes Wahlprogramm: „Wir versprechen gar nichts, denn am nächsten Tag ist eh alles anders“, an dem noch gefeilt wird und das nach der Sommerpause vorgestellt werden soll. Die rund 30 Anwesenden, darunter stadtbekannte Freidenker, sympathische Querulanten und libertäre Anarchisten, plädierten mehrheitlich dafür, zwei Kandidaten aufzustellen: „Einer macht die Arbeit, der andere trägt die Amtskette“. seemoz wird über den Fortgang zu gegebener Zeit berichten.

Es bleibt wohl dabei: Im September will Baubürgermeister Kurt Werner mit einer Delegation, bestehend aus Mitgliedern der einzelnen Gemeinderatsfraktionen, ins ferne China reisen. Dort unterhält man mit dem Städtchen Suzhou eine Partnerschaft und will sich mit anderen Spezialisten aus nah und fern über Stadtentwicklung unterhalten. Wir meinen: Wer nicht mal in der Lage ist, ein vernünftiges Verkehrskonzept umzusetzen, sollte das Geld sparen und erstmal auf heimatlicher Scholle gefälligst seine Hausaufgaben erledigen. Als da beispielsweise wären: Der Technische und Umweltausschuss (TUA) wird kommenden Donnerstag über die von der Verwaltung geplante Unterführung auf das Gelände Klein Venedig diskutieren. Der erste Kostenplan lag bei rund sieben Millionen Euro, der nächste dann schon bei etwa 15 Millionen. Wo das endet, lässt sich erahnen, wenn man an Werners „Seufzerbrücke“ am Bahnhof denkt, die im Endeffekt auch dreimal so teuer wurde, wie ursprünglich geplant. So wird das nix mit China, meine Herren! Bei derlei Unfähigkeit ist ein Ausflug auf den Purren drin, mehr aber nicht. Apropos Seufzerbrücke: Den Vorschlag, den hässlichen Betonschlauch wenigstens optisch zu verschönern und zu begrünen, wies Kurt Werner bereits vor Monaten entschieden zurück: „Das würde den architektonischen Gesamteindruck stören“.

Beim Ortsblatt Südkurier bahnt sich wohl langsam eine grassierende Palastrevolution an. Der neue Chefredakteur Stefan Lutz sieht sich einem Sperrfeuer ausgesetzt, wie er es wohl noch nie erlebt hat und das ihm den Job kosten könnte. Er entzog einer langjährigen Chefsekretärin das Vertrauen , was er hätte besser bleiben lassen sollen. Denn der Hintergrund der Attacke war offenbar, dass Lutz die Frau loswerden will, weil sie an einem Streik für einen Haustarif teilgenommen hatte. Da brach ein hausinterner Sturm los und fast siebzig RedakteurInnen forderten ihren Chefredakteur am 30.Juni schriftlich auf, seinen „Entschluss nochmal zu überdenken“ und sich bei der so Schikanierten „zu entschuldigen“. Diese Maßregelung einer verdienten Mitarbeiterin, heißt es in dem Schreiben an Lutz, wolle man so nicht hinnehmen und man befürchte hinsichtlich des eh schon angespannten Betriebsklimas „verheerende Auswirkungen“. Das Schreiben kursiert in der Stadt, was der Verlagsleitung rein gar nicht passt. Anscheinend haben auch die meisten LokalredakteurInnen und MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle den Protest mit unterzeichnet. Angeblich nicht mit dabei: Lokalchef Jörg-Peter Rau.

Zusätzlich nach außen drang, dass Landrat Frank Hämmerle die politischen Entscheidungsträger aus dem Landkreis Konstanz für den heutigen Mittwoch zu sich laden wollte, um gemeinsam mit Südkurier-Geschäftsführer Rainer Wiesner über die diversen Turbulenzen beim „Südkurier“ zu sprechen, vor allem über die arbeits- und tarifrechtlichen Konflikte. Dieses Ansinnen soll Wiesner „aus grundsätzlichen Erwägungen“ abgelehnt haben, was dazu führte, dass der Termin nicht statt findet. Es brodelt vernehmlich in der Südkurier-Küche. Neuerdings betreiben aufmüpfige Südkurier-Mitarbeiter eine Website, über die auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht werden soll: www.streikkurier.de

Der sortierte Rest in Kürze: Das Konzert mit Herbert Grönemeyer war wohl ein arg teurer Flop. Anstatt der erhofften 20 000 kamen lediglich 11 000 Musikfans ins Bodensee-Stadion, obwohl das Blatt vor Ort schon Wochen zuvor kräftig die Werbetrommel gerührt hat. Der für den Weltstar geringe Zuspruch hat den Konstanzer Veranstalter KoKo kalt erwischt. Kenner der Musikszene rechneten hoch, dass KoKo mehrere hunderttausend Euro Verlust verbuchen musste. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens das kommende Rock am See besser läuft.

Der Konstanzer Entertainer Tobias Bücklein lädt für den 10.8. zu seiner nächsten Show. Freudig ließ er verlauten, er habe dafür einen neuen Hauptsponsor an Land gezogen. Die Firma Nycomed unterstütze ab sofort seine kulturellen Aktivitäten. Das sei dem Manne vergönnt. Lieber wäre uns allerdings, die Firma würde sich allmählich erklären, ob nach ihrem Verkauf an ein japanisches Unternehmen die Arbeitsplätze im Landkreis erhalten bleiben.

Noch immer gibt es keine Informationen zum Überfall auf die SPD-Landtagskandidatin Zahide Sarikas. Sie sagt nichts über den konkreten Ablauf und auch ihre Partei wiegelt seit Monaten ab. Die Staatsanwaltschaft Konstanz verweist weiterhin auf die Stuttgarter Ermittler und jene können oder wollen nichts sagen, um die „Ermittlungen nicht zu gefährden“. Hier stimmt grundsätzlich etwas nicht und alle Betroffenen wären gut beraten, endlich die seltsamen Karten auf den Tisch zu legen.

Der Nachruf des Konstanzer Publizisten Ernst Köhler auf den kürzlich verstorbenen Rolf Pape hat seemoz enorme Zugriffe beschert. Es wäre selbstverständlich Aufgabe der Tageszeitung gewesen, an einen Mann zu erinnern, der jenseits aller Beliebigkeiten jahrzehntelang zum Stadtbild gehörte. Doch Südkurier-Lokalchef Rau hatte kein Interesse an diesem einfühlsamen und ehrlichen Text. Eine erbärmliche Entscheidung, die journalistisches Feingefühl vermissen lässt.

Autor: Holger Reile