Über geheime, einträgliche Geschäfte der Panzerbauer
Auch die Konstanzer Grünen entdecken das Thema: Rüstung am Bodensee. Eine Veranstaltung will nächste Woche die Rüstungsgeschäfte am Bodensee unter die Lupe nehmen. Besonderes Augenmerk genießt da offensichtlich der EADS-Konzern aus Friedrichshafen mit seinen Versuchen, an Konstanzer Schulen und Hochschulen verstärkt Einfluss zu gewinnen. Auf den Beitrag von Till Seiler, neuer Bundestagsabgeordneter und ehemals Lehrer aus Konstanz, darf man deshalb besonders gespannt sein.
Auf der Veranstaltung mit dem Titel „Waffen für die ganze Welt – auch vom Bodensee“ am kommenden Donnerstag im Treffpunkt Petershausen wird zunächst Agnieszka Malczak, abrüstungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, über das weltweite Geschäft deutscher Rüstungsunternehmen informieren. Denn nicht erst seit der jüngsten Kritik am Panzergeschäft mit Saudi-Arabien ist klar: Mit seinem Rüstungsexport liegt Deutschland weltweit auf dem dritten Platz. Und Firmen rund um den Bodensee, auch in Konstanz und Kreuzlingen, verdienen kräftig mit an diesem blutigen Geschäft der Waffenschmieden.
Rüstungsindustrie wirkt auf Schulen und Hochschulen ein
Besondere Beachtung wollen die Grünen dem lokalen Wirken von Rüstungskonzernen schenken. Denn Rüstungskonzerne verdienen nicht nur an den Krisenherden der Welt, sondern wirken auch – selten beachtet – auf regionaler Ebene. In Konstanz insbesondere an Schulen und Hochschulen. Zur Zusammenarbeit zwischen Rüstungsunternehmen und Schulen wird Till Seiler, neuer, grüner Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Lehrer am Ellenrieder-Gymnasium in Konstanz, referieren. Die Problematik eines Kooperationsvertrags zwischen EADS und der Universität Konstanz wird die Grüne Hochschulgruppe schildern.
Und da gibt es einiges zu schildern: Die Fachhochschule Konstanz (HTWG) wie auch das Konstanzer Ellenrieder-Gymnasium pflegen rege Kontakte zur Rüstungsschmiede EADS. So betreibt die Fachhochschule ein Praktikanten-Programm mit dem Waffenbauer aus Friedrichshafen. Und erst vor wenigen Monaten geriet das Ellenrieder-Gymnasium in die Schlagzeilen, als deren Rektor Beckmann selbstherrlich eine Kooperation mit EADS vereinbarte – aus dem Kollegium, aber auch aus Eltern- und Schülerschaft, jeweils nicht rechtzeitig informiert, sowie aus der Öffentlichkeit hagelt es seitdem Proteste (seemoz berichtete mehrmals, s. linkliste).
„Rüstungsforschung hat an der Uni Konstanz keinen Platz“
Jüngster PR-Coup von EADS: Die beiden EADS-Unternehmen Astrium und Cassidian bauen ihre schon länger bestehende Zusammenarbeit mit der Universität Konstanz aus. In einem, vor wenigen Monaten geschlossenen Kooperationsvertrag ist vor allem die Schaffung von Doktoranden- und Postdoktorandenstellen vorgesehen. Prof. Dr. Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz, sieht in der Kooperation eine Chance für die Wissenschaft, lässt aber dennoch seemoz gegenüber erklären, dass „Rüstungsprojekte und geheime Forschungen“ ausdrücklich von der Vereinbarung ausgenommen seien.
Solche Erklärung ist auch dringend nötig. Denn immerhin hatte der Große Senat der Universität Konstanz schon 1991 eine Zivilklausel verabschiedet, die bis heute gilt: „Der Große Senat…erklärt…, dass Forschung für Rüstungszwecke, insbesondere zur Erzeugung von Massenvernichtungswaffen, an der Universität Konstanz keinen Platz hat und auch in Zukunft keinen Platz haben wird“.
Man darf gespannt sein, welche neuen Informationen auf der Veranstaltung am Donnerstag, 21. 07., 19:30 Uhr, im Konstanzer Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz1, ans Tageslicht kommen. Denn nicht nur Beteiligte, auch Betroffene – und Interessierte ohnehin – werden dringend zur Teilnahme gebeten.
Autor: PM/hpk
Weitere Links:
Das blutige Geschäft in der Max-Stromeyer-Straße
Eine Diskussion (über Krieg und Rüstung) findet nicht statt
EADS macht sich an Konstanzer Bildungsstätten breit
Von Schlapphüten, Schulleitern und ängstlichen Redakteuren
Akut, akribisch, aktuell: Rüstungsatlas Bodensee
@Maletto
Nein du bist nicht doof und hast Achtung vor „Deiner Persönlichkeit“, denn die ist die wichtigste!
Was die aber von der „Initiative gegen Waffen vom Bodensee“ auf ihrer Website zu den manuellen Herstellern der Waffensysteme, den Arbeitnehmern der Rüstungsbetriebe schreiben, ist hahnebüschel.
Übrigens, auch ich konnte Zeit meines Lebens der Rüstungsindustrie immer aus dem Wege gehen. Meine Kinder brauchten keine Reitstunden und kein Schüleraustausch in den USA und ich habe als Arbeitnehmer in einer friedvollen Industrie mein Reihenhaus inzwischen abgezahlt.
Ja, ja: Hauptsache Arbeitsplätze, no matter what. Die Leute wollen essen, wohnen und alles andere, was ihr (unverdientes) Privileg mit sich bringt. Eben zufällig in einer Weltregion geboren zu sein, in der man zumindest momentan nicht täglich Angst um das nackte Leben und die nackte Existenz haben muss.
Aber irgendwie kommt man sich allmählich wie ein Vollidiot vor, wenn man sich bemüht, in seiner Erwerbsbiografie gewisse Branchen zu meiden. Und wenn man dann mit leidensbitterer Miene erzählt bekommt, dass man entweder in so einer Branche arbeiten muss oder sofort verelendet und Hungers stirbt. Und dass man keine Wahl hätte.
Aber vermutlich ist man wirklich doof, wenn man sichs eben nicht so einfach macht und lieber Teil einer Lösung sein möchte statt immer und immer wieder Teil eines Problems.
Danke für den Link „Waffenvombodensee“. Na dann weiter so:
Es geht um 7.000 Arbeitsplätze.
Der Streit darf nicht auf dem Rücken der dort Beschäftigten ausgetragen werden!
Verantwortlich sind die Politiker, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Vereine, die Schulen, die Presse, die Wählerinnen und Wähler. Verantwortlich sind nicht nur die Mitarbeiter(innen) der Rüstungsbetriebe! Verantwortlich ist die gesamte Bodenseeregion.
Die „Initiative gegen Waffen vom Bodensee“ wendet sich nicht gegen Menschen sondern gegen Waffen. Kein Mensch soll in die Ecke gestellt werden. Kein Mensch hat das Recht, mit dem moralischen Zeigefinger auf den andern zu zeigen!
Die Arbeitsplätze sind relativ sicher. Die Bodenseeregion lebt von diesen Arbeitsplätzen.
Viele Familien leben davon: Manche Tochter will Reitstunden. Mancher Sohn will zum Schüleraustausch in die USA. Manches Reihenhaus muss abgezahlt werden…
Zusätzlich zu den oben gezählten Arbeitsplätzen in der Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Waffen(teilen), gibt es noch viele Zulieferbetriebe rund um den See. Sehr viele Menschen profitieren indirekt vom blutigen Geld: Handwerker, Einzelhändler, Behörden, Schulen, Kirchen, Vereine, Spediteure, Baugewerbe, Gesundheitssystem…
Die Initiative gegen Waffen vom Bodensee.
Die Initiative gegen Waffen vom Bodensee wünscht den GRÜNEN Konstanz viel Erfolg bei dieser Veranstaltung! Übrigens: Seit gestern gibt es einen Reader (25 Seiten) zum Thema „Zivilklausel an der Universität Tübingen“. Der Download-Link befindet sich auf dieser Seite http://waffenvombodensee.webnode.com/eads-betreibt-landschaftspflege-vier-schuleiter-fallen-darauf-rein/ in der vierten Textzeile von oben (gerechnet ohne die Überschriften). Gruß! M.P.
Sind auch die vielen Arbeitnehmer skrupellos im Rüstungsgeschäft involviert, oder kann man die gut verstehen, damit sie ihre Kinder ernähren und ihr Haus abbezahlen können? Wie wär’s, wenn auch diese Kollegen sich hier nicht die Finger schmutzig machen?