Seilbahn: Das etwas andere Bürgergespräch

Seit einigen Jahren ist es vor allem Oberbürgermeister Uli Burchardt, der aufgrund der katastrophalen Verkehrs­verhältnisse am Boden immer wieder eine Seilbahn über den Dächern von Konstanz ins Gespräch bringt. Nun findet am kommenden Donnerstag, 27. April, im Treffpunkt Peters­hausen eine Veranstaltung dazu statt, zu der nur ganz wenige eingeladen wurden und über die auch sonst kaum jemand informiert wurde.

Wolfgang B. (sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt) staunte nicht schlecht, als ihm Mitte März ein Schreiben vom Karlsruher „Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse“ (KIT) ins Haus flatterte. Er sei hiermit eingeladen, ließ ihn KIT-Mitarbeiter Max Reichenbach wissen, an einem „Bürgergespräch“ teilzunehmen, bei dem man über „Urbane Luftseilbahnen“ informieren wolle, die dazu beitragen könnten, „innerstädtische Verkehrsprobleme zu lösen“. Bei dem Termin, so weiter, käme Herr B. „mit anderen Bürgerinnen und Bürgern aus Ihrer Stadt zusammen, lernen urbane Luftseilbahnen kennen und können gemeinsam über das neue Verkehrsmittel diskutieren“.

Auch Konstanz will „hoch hinaus“

Dem KIT ginge es „nicht um eine konkrete Trasse oder politische Maßnahmen für eine Seilbahn“, im Vordergrund stünde „der offene Dialog bei ungezwungener Atmosphäre“. Ausgewählt habe man die Eingeladenen – von zehn anderen ist die Rede – über eine „zufällige Ziehung aus dem Melderegister“. Die Diskussion dauere etwa drei Stunden, für Essen und Getränke sei bestens gesorgt, „und als Dankeschön für Ihre Teilnahme erhalten Sie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 Euro“. Das Bürgergespräch, so eine weitere Information, sei Teil des Projektes „Hoch hinaus in Baden-Württemberg: Machbarkeit, Chancen und Hemmnisse urbaner Luftseilbahnen in Baden-Württemberg“ und werde durch das baden-württembergische Verkehrsministerium finanziert.

Hinter verschlossenen Türen

Da stellt sich schon die Frage, ob man diese klandestin anmutende Zusammenkunft mit handverlesenem Publikum allen Ernstes ein „Bürgergespräch“ nennen kann. Auf Anfrage teilt Herr Reichenbach mit, den Begriff Bürgergespräch habe man gewählt, weil mit der eigentlichen Bezeichnung „Fokusgruppe“, die als „etabliertes, sozialwissenschaftliches Forschungsformat“ gelte, viele BürgerInnen nichts anfangen könnten. Ähnliche Fokusgruppen hätten sich bereits in Stuttgart und Heidelberg getroffen. Die jeweilige Gruppengröße von rund 12 TeilnehmerInnen entspräche dabei „den methodischen Erfordernissen der Fokusgruppe“. Dazu gehört wohl auch, dass der Termin nach Auskunft von Herrn Reichenbach nicht für die Öffentlichkeit gedacht ist. Man bleibt lieber unter sich, wie es sich eben für ein Bürgergespräch gehört.

Stadtverwaltung ist informiert

Der tiefere Sinn dieser seltsamen Zusammenkunft erschließt sich nicht. So darf gerätselt werden, was das Ganze soll, denn ein repräsentatives Meinungsbild wird ja wohl kaum entstehen, wenn sich eine Handvoll Leute trifft, um sich die Vorzüge einer Seilbahn erklären zu lassen. Die Konstanzer Stadtverwaltung, räumt Reichenbach ein, wisse zwar von der Veranstaltung, sei aber „an der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung nicht beteiligt“. Gut möglich aber, dass alsbald – wenn das Thema Seilbahn im Gemeinderat zur Vorlage kommt – auf die bahnbrechenden Ergebnisse der Konstanzer Fokusgruppe verwiesen wird. Zuzutrauen wäre das den städtischen Trommlern über den Wolken allemal. Unser Informant Wolfgang B. übrigens wird der Einladung nicht folgen, denn eine Seilbahn hält er schlichtweg für „Unfug“.

H. Reile

Mehr zum Thema:
15.12.15 | „Seilbahn-Uli“ wird wieder aktiv
22.10.13 | Stadtgeflüster: Von Seilbahnen, Transfers und Hausbesetzungen