Eilmeldung: Abschiebung verschoben
(hpk) Die für heute Abend geplante Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan wurde wegen des Anschlags in Kabul abgesagt. Gegen diese Abschiebung hatte sich in den letzten Tagen vielerorts Protest geregt – für 18 Uhr ist z. B. heute in Ravensburg eine Mahnwache angemeldet. Allerdings bedeutet das keinen Richtungswechsel in der Landespolitik – es handelt sich wohl nicht um eine endgültige Aussetzung der Abschiebung, sondern höchstens um eine Verschiebung.
…und kurz darauf tagesschau de: „Nach dem schweren Terroranschlag in Kabul sollen Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt werden. Auf diese vorläufige Regelung haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder verständigt.“
Politiker in Deutschland (und weltweit) sind, bis auf zu wenige Ausnahmen, weit(er) nach rechts gerückt.
Solche zynischen Positionen mit den daraus getroffenen Entscheidungen: Hauptsache schnell abschieben, sind zur Normalität geworden.
Es scheint notwendig, so ungerecht, zynisch, menschenverachtend und gegen Menschenrechte „Fakten“ zu schaffen, um wieder-gewählt zu werden.
Vermeintlich wird in „Sonntagsreden“ die Menschenwürde miteinbezogen. Gleichzeitig wird uns erklärt warum es leider Sachzwänge gibt, die dann verhindern wahrhaftig menschenwürdig zu handeln (siehe Kirchentag und die unsägliche Wahlkampfveranstaltung von Frau Merkel mit B. Obama).
Der Großteil der politischen Klasse hat offensichtlich keine Zeit fürs Denken und Nachdenken aus dem sich Menschlichkeit, Empathie und Fürsorge … speist.
Nachtrag mit einer Spiegel-online-Meldung: „Eine Nacht musste er in Polizeigewahrsam verbringen, nun ist er wieder auf freiem Fuß. Am Donnerstagmittag hat ein Richter in Nürnberg den Beschluss erlassen: Im Fall des jungen Afghanen ist Abschiebehaft unangemessen. Ob der 21-Jährige in Deutschland bleiben darf, ist aber weiter unklar.“
Ergänzend
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-05/nuernberg-abschiebung-versuch-polizeieinsatz-demonstration-sitzblockade-afghane
Ich kann Peter Stribl nur zustimmen, dieser abgrundtiefe Zynismus macht sprachlos. Der nächste Abschiebeflug nach Kabul mit zutiefst enttäuschten und verzweifelten jungen Menschen wird folgen, die Bundesregierung sieht offensichtlich keinen Grund, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten.
Eine Mahnwache gegen diese inhumane Politik sollten wir dann auch in Konstanz zuwege bringen.
Die entsprechende Meldung dazu in tagesschau.de:
„Die Bundesregierung hat einen für heute geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan wegen des schweren Anschlags in Kabul abgesagt. Innenminister Thomas de Maizière unterrichtete Abgeordnete des Bundestags in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses über seine Entscheidung.
„Die deutsche Botschaft in Kabul hat eine wichtige logistische Rolle beim Empfang rückgeführter Personen vor Ort“, hieß es aus den Regierungskreisen. Die dortigen Mitarbeiter hätten so kurz nach dem Anschlag in Kabul nun Wichtigeres zu tun, als solche organisatorischen Maßnahmen vorzubereiten. „In den nächsten paar Tagen wird es daher keine Sammelrückführung nach Afghanistan geben.“ Es bleibe aber richtig, Ausreisepflichten durchzusetzen. Dieser Grundsatz gelte auch für Afghanistan, insbesondere bei Straftätern – „dieser Weg wird konsequent weiter beschritten“. Die Abschiebungen sollen rasch nachgeholt werden.“
Das wiederum führte zu folgendem Kommentar:
„Lage in Afghanistan
Deutschlands unglaublicher Zynismus
In Afghanistan werden Dutzende Menschen in den Tod gebombt – mal wieder. Nun setzt die Bundesregierung die Abschiebungen dorthin aus. Aber nicht zum Wohl der Afghanen, sondern zur Entlastung der Botschaftsmitarbeiter. Dieser Zynismus ist kaum mehr zu überbieten.
Ein Kommentar von Jürgen Webermann, ARD-Studio Neu-Delhi“
–––
Das Beste, was Mensch dieser Situation abgewinnen kann, ist eine faszinierende Idee. Nämlich mal den Spieß umzudrehen und die Abschiebefanatiker nach Kabul oder sonstwo in Afghanistan zu verfrachten.
Dort könnten sie
– „unsere Freiheit“ verteidigen, den verkaufsoffenen Sonntag z.B.;
– der verbal reklamierten Aufopferung ihrer Tätigkeit handfeste Fakten folgen lassen.
Sie wären von der Sisyphos-Aufgabe entbunden, zumindest teilweise ein neues Wahlvolk wählen zu müssen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung schließlich hätte endlich Ruhe vor Ignoranten dieses Kalibers. Also, von de Maizière bis Kretschmann: Auf auf!!!
PS: Interessierte Kreise bemühen aktuell Floskeln wie „hate speech“. Haben die je darüber nachgedacht, wie sehr sie selbst Derartiges provozieren?