Ein nur vorläufiges Ja des Kreistages zur Krankenhaus-Lösung

So viele Zuhörer hatte der Konstanzer Kreistag noch nie – so viele Demonstranten auch nicht. Gut 60 Zuschauer/Demonstranten, darunter Beschäftigte der betroffenen Krankenhäuser sowie etliche Kommunalpolitiker, drängten sich im Sitzungssaal des Landratsamtes, erlebten eine erfreulich offene Präsentation der bisherigen Verhandlungsergebnisse, eine langweilige Diskussion und eine eindrucksvolle Abstimmung: Mit großer Mehrheit stimmte der Kreistag für eine kreisweite Fusion.

„Vorfahrt für eine kommunale Lösung“, „Nein zur Privatisierung“ und immer wieder „Krankenhaus-Beschäftigte brauchen Klarheit und Sicherheit“ war auf den Transparenten und Flugblättern zweier Bürgerinitiativen aus Singen und Konstanz zu lesen, die vor und in der Kreistagssitzung in Konstanz demonstrierten. Und ihre Proteste stießen auf offene Ohren: Die Abgeordneten im Kreistag sprachen sich bei jeweils nur wenigen Enthaltungen für die Vorschläge des Landrats aus, auf Basis der bisherigen Verhandlungsergebnisse die Kreislösung für die Krankenhäuser des Landkreises voran zu treiben.

Auch Abgeordnete aus Singen stimmen zu

Bemerkenswert daran ist, dass offensichtlich auch Abgeordnete aus Singen – von dort waren in den letzten Tagen vor allem aus Kreisen der CDU kritische Stimmen zu hören – für die Kreislösung votierten. Allerdings stimmte der Kreistag auch für die Einschaltung zusätzlicher Wirtschaftsprüfer – so ganz scheint man im Kreistag dem betriebswirtschaftlichen Sachverstand der Verwaltung nicht zu trauen.

Damit ist auch klar: Die endgültige Entscheidung: Kreislösung ja oder nein wird im erst Herbst fallen, wenn die betriebswirtschaftlichen Prüfungen abgeschlossen sind und die Standortfrage für einzelne Abteilungen der medizinischen Grundversorgung geklärt ist. Denn noch ist nicht entschieden, wo – in Singen oder Konstanz – beispielsweise die Gefäßchirugie, Teile der Gynäkologie, die Urologie oder die Geriatrie angesiedelt werden sollen.

Kaum Demonstration der Demonstranten

Zwar hatte ein charmanter Landrat Hämmerle noch vor der öffentlichen Sitzung für friedlichen Protest und störungsfreie Diskussion geworben – doch sein Appell war überflüssig: Außer Applaus gab es während und vor der Sitzung kaum Demonstration der Demonstranten. Die Abstimmung drohte vorab jedoch unabwägbar zu werden: Allein 25 der 68 Abgeordneten waren nicht stimmberechtigt – wegen ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsrat der Konstanzer Spitalstiftung oder in Entscheidungsgremien der Singener HBH galten sie als befangen. Sie wurden, auch die Konstanzer Bürgermeister Frank und Boldt, während der Entscheidung auf die Empore verbannt.

Die Diskussion der Kreistagsabgeordneten verlief dann jedoch in sattsam bekannten Bahnen. Für die CDU bekräftigte ihr Fraktionsvorsitzender Franz Moser, Bürgermeister von Hilzingen, dass die CDU-Fraktion geschlossen für die kreisweite Lösung stimmen würde. Dem schlossen sich die Freien Wähler, so Artur Ostermaier, Bürgermeister von Steißlingen, an, wenngleich er sich für seine Wählergemeinschaft ein Hintertürchen offen hielt und einen Sinnungswandel für den Herbst 2011 nicht ausschloss. Dr. Hahn aus Tengen erklärte für die SPD, „dass seine Partei schon immer für die kreisweite Lösung und gegen eine Privatisierung gewesen“ sei. Klaus Engelmann bekundete in einem launigen Beitrag die Zustimmung der Grünen zur Kreislösung, was bei seinem Kollegen, dem Landtagsabgeordneten Lehmann, doch einiges Stirnrunzeln hervor rief. Einzig Dr. Geiger aus Konstanz spielte für die FDP die neoliberale Karte und verwies auf noch fehlende Unterlagen, auf ausstehende Entscheidungen und die Vorteile „freien Wirtschaftens“. Und das könnten Private eben besser als kommunale Träger, so Geiger.

Endgültige Entscheidung im Herbst

Landrat Hämmerle hatte in seiner Eingangsrede versucht, alle Emotionen aus der Entscheidungsfindung zu nehmen. Sein Plädoyer für eine kreisweite Lösung verband er eindringlich mit dem Hinweis, noch würden „heute keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Es geht nur darum, die Eckpunkte unserer bisherigen Verhandlungen zu bestätigen und den Weg frei zu machen für unsere weitere Arbeit an diesem Projekt“. Die letztliche Entscheidung ist für den Herbst vorgesehen, die Gründung der Holdinggesellschaft für den 31.12. 2011, die Gründung der Beteiligungsgesellschaften spätestens für den 31.8. 2012.

Die Präsentation der bisherigen Verhandlungsergebnisse durch die Krankenhaus-Geschäftsführer Ott (Konstanz) und Fischer (Singen) sowie Projektleiter Beckert fiel dann auch erstaunlich sachlich aus: Es wurden die Eckpunkte des Konsortialvertrages (s. seemoz v. 22.7.) bewertet, Alternativen zur kommunalen Lösung erörtert – einer Privatisierung wurde dabei eine deutliche Absage erteilt – und der Zeitplan vorgestellt. Allerdings fiel auf: Allzu häufig wurde auf die „gewaltige Dynamisierung der Gesundheitsmarktes“ hingewiesen, die „Anpassungen möglich werden lassen könnte“. Und auch die Bestimmung im Konsortialvertrag, dass die zukünftigen Gesellschafter, die Kommunen also, zu Zuschüssen an die zukünftige Krankenhaus-Holding nicht verpflichtet sind, könnte Kritikern zu denken geben.

Auch deshalb bleiben die Bürgerinitiativen wachsam: Der „Wackelkandidat Singen“ beschließt am heutigen Dienstag, 26.7., im Gemeinderat über seine Teilnahme am Krankenhausprojekt. Rechtzeitig vor der Sitzung um 15 Uhr treffen sich Demonstranten vor dem Singener Rathaus, in dem die entscheidende Sitzung stattfindet.

Autor: hpk

 

 

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