Bodenseeforum: Direkt Richtung Offenbarungseid
Manches aus dem kommunalpolitischen Suppentopf schmeckt mehr als bitter. So auch die Meldung, dass sich das Konstanzer Bodenseeforum mehr und mehr zu einer gläsernen Voliere für Pleitegeier entwickelt. Wieder sollen mehrere Millionen Euro in den Seerhein gekippt werden. Dennoch übt sich ein Großteil der Entscheidungsträger weiterhin in schrillen Durchhalteparolen. Morgen wird das Desaster in einer öffentlichen Sitzung im Ratssaal ab 16 Uhr zur Sprache kommen.
Am 23.5., also vor knapp zwei Wochen, stimmte eine Mehrheit des Konstanzer Stadtparlaments dafür, dem vor rund einem halben Jahr eröffneten Bodenseeforum einen außerordentlichen Betriebskostenzuschuss von 1,7 Millionen Euro zu gewähren. Gegenstimmen gab es nur von der Fraktion der Linken Liste Konstanz (LLK), die von Anfang an aus finanzpolitischen Erwägungen vor der millionenschweren Investition gewarnt hatte und teilweise von der Freien Grünen Liste (FGL). Vor allem Jürgen Faden (Freie Wähler) und Roger Tscheulin (CDU) ließen nichts unversucht, das finanziell sieche Tagungs- und Kongresshaus erneut zum zukünftigen Erfolgsmodell zu erklären. Es habe „eine zweite Chance verdient“ und man solle aufhören, das Projekt „schlecht zu reden“, erklärten Faden und Tscheulin mit beflissener Argumentation. Irgendwie und irgendwann würde das schon noch klappen, man müsse nur fest daran glauben.
Schulden gehen durch die Decke
Doch damit nicht genug. Nun kamen – quasi über Nacht – neue Zahlen ans Licht, die eines klar zeigen: Das Bodenseeforum ist ein Dauerpatient mit ganz schwachem Puls und wird im künstlichen Koma gehalten. Alleine für 2017 (und das Jahr ist noch längst nicht vorbei), rechnet man jetzt schon mit einem zusätzlichen Fehlbetrag von ca. 2,5 Millionen Euro, bis vor kurzem ging man für das laufende Jahr von einem Verlust von rund 1 Million Euro aus. Die Verantwortlichen, allen voran Oberbürgermeister Uli Burchardt, flöten mit treuherzigem Augenaufschlag, davon habe man, als über den Betriebskostenzuschuss beraten wurde, noch nichts gewusst. Ist dem wirklich so?
Augen zu und durch
In einer aktuellen Pressemitteilung der Stadt werden mehrere Nebelkerzen gezündet. Verantwortlich für die finanzielle Schräglage sei unter anderem, dass sich der frühere Geschäftsführer schon nach kurzer Zeit vom Acker gemacht habe und deshalb die Akquise für die erhofften Veranstaltungen nie richtig in Fahrt gekommen sei. Auf die Schnelle wurde Anfang 2017 Friedhelm Schaal interimistisch in Stellung gebracht. Dass der rein gar nichts reißen würde, wusste jeder, der sich vorab der Mühe unterzogen hat, Schaals „Erfolge“ der vergangenen Jahre als oberster Konstanzer Wirtschaftsförderer etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Oberbürgermeister Burchardt aber frönt weiterhin hartnäckig seinem Zwangsoptimismus. Trotz der finanziellen Havarie sei das Bodenseeforum eine „wichtige Investition“ für die Stadt und zudem „ein Haus für alle Konstanzer“. Zumindest mit Letzterem hat er recht, denn die hiesigen SteuerzahlerInnen werden für das Debakel auf Jahre hinaus zur Kasse gebeten. Gelder, die für andere, weitaus wichtigere Investitionen fehlen werden. Sogar Südkurier-Lokalchef Jörg-Peter Rau, bislang eifrigster Trommler und ehrenamtlicher PR-Texter für die „Jahrhundertchance“ am Seerhein, beschleicht ein mulmiges Gefühl. Reichlich kleinlaut titelte er vergangenes Wochenende: „Finanzpolster fürs Bodenseeforum ist endlich – und die Geduld mit der Bilanz auch“.
Was sagt das Rechnungsprüfungsamt?
Morgen steht auf einer eilig einberufenen Sondersitzung des Betriebsausschusses Bodenseeforum eine Debatte über den kostspieligsten Konstanzer Patienten der vergangenen Jahrzehnte an. Die Befürworter der Geldvernichtungsanlage erhoffen sich erneut grünes Licht für die Gewährung der fehlenden Finanzen. Die Entscheidung über die „Anpassung des Wirtschaftsplans 2017“ wird dann in der kommenden Gemeinderatssitzung am 22. Juni fallen. Mit Interesse wird dazu im Vorfeld auch die Stellungnahme des zuständigen Rechnungsprüfungsamtes (RPA) erwartet.
Da brodelt die grüne Magensäure
Mittlerweile werden per Email unterschiedliche Meinungen zum Thema ausgetauscht. FGL-Stadtrat Günter Beyer-Köhler ließ über einen großen Verteiler wissen, ihm sei seit Bekanntgabe der neuen Zahlen „ziemlich kotzig im Magen“. Außerdem hält er die Pressemitteilung mit der Begründung der Lage für „fahrlässig und inkompetent“ und schließt sich damit weitgehend der Meinung der LLK an. Noch so ein „Zuschüsschen“, so Beyer-Köhler, „und wir haben am Seerhein einen 5-zügigen Kindergartenneubau oder nahezu eine 3-Feldsporthalle versenkt“. Ob seine grünen KollegInnen, die bislang immer das Händchen für das Bodenseeforum gestreckt haben, nun auch allmählich zur Einsicht kommen?
Ein Narr und sein Appell
Derlei Äußerungen treiben den CDU-Hinterbänkler Marcus Nabholz (im Bild rechts) auf die Barrikaden. Der überzeugte Fasnachter wirft den Kritikern von LLK und FGL vor, sie hätten, was das Veranstaltungsgeschäft anginge, „von Tuten und Blasen keine Ahnung“. Nabholz appelliert an seine RatskollegInnen, „Parteiideologien“ außen vor zu lassen und ab sofort „pragmatisch“ zu denken. Und so schmettert er den Unwissenden entgegen: „Also schlucken wir die Kröte und unterstützen wir weiter das Projekt. Rom wurde auch nicht an einem Tage erbaut“.
Fazit: Das kommt davon, wenn man Narren auf die Kommunalpolitik los lässt.
H. Reile
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