Gesangsphänomen und schrille Eso-Nudel

Als eine solche kann man die am 11. März 1955 in Berlin Ost geborene Nina Hagen guten Gewissens bezeichnen. Sie ist die Tochter des Drehbuchautors Hans Oliva-Hagen und der Schauspielerin Eva-Maria Hagen. Nina Hagens Stiefvater ist der Liedermacher Wolf Biermann. Nina Hagen kommt am 13.Juli nach Tuttlingen

Biermann, der sich Anfang der siebziger Jahre mächtig anlegte mit den DDR-Oberen, ging 1976 auf West-Tournee, sang böse Lieder gegen das DDR-Regime, wurde dann nicht mehr eingelassen in Honeckers Reich und blieb im Westen. Unterdessen war Nina Hagen mit ihrer ersten Kapelle „Automobil“ durch die DDR getingelt, hatte eine einjährige Gesangsausbildung mit Bravour beendet und machte sich langsam enen Namen als stimmgewaltige Interpretin.

Doch die Ausweisung Biermanns beendete auch die DDR-Karriere von Nina Hagen abrupt. Sie folgte ihrem Stiefvater, legte aber erstmal einen Zwischenstop in London ein und reicherte ihr eigenes Repertoire mit Klängen der dort ansässigen Reggae- und Punkszene an. Kurz darauf wechselte sie nach Westberlin und gründete Ende 1977 mit ehemaligen Mitgliedern des Rock-Polit-Kabaretts „Lokomotive Kreuzberg“ ihre eigene Kapelle: die „Nina Hagen Band“. Die Combo wurde schnell zum Renner in der alternativen Musikszene. Scheiben wie „TV Glotzer“ oder „African Reggae“ gingen weg wie warme Semmeln und Nina Hagen wurde wegen ihrer gewaltigen Stimme, ihrer rotzfrechen Texte und ihrer Bühnenpräsenz schnell zum Star. Einige Radiostationen weigerten sich zwar lange, ihre Songs zu spielen, aber dennoch kletterte sie auf der Erfolgsleiter ständig nach oben. Als Hagen 1979 ihre Band verließ, machten auch ihre ehemaligen musikalischen Mittäter als „Spliff“ bundesweit Furore.

Nina Hagen brach auf zu neuen Ufern, schipperte über den großen Teich und versuchte sich im US-Musikbusiness. Ihr erstes englischsprachiges Album „Nun Sex Monk Rock“ war aber eher ein Flop. In den USA brachte die mittlerweile 26-jährige Sängerin ihre Tocher Cosma Shiva zur Welt. Die etwas gewöhnungsbedürftige Namensgebung hatte viel damit zu tun, dass Nina Hagen schon zu jener Zeit selbstverliebt dazu beitrug, in schlagzeilenarmen Zeiten ein wenig Farbe in die Medienwelt einzubringen. Ein bisschen Buddhismus, dazu geballter Esoterik-Quark der eher wirren Sorte, mehrere Ufo-Sichtungen – Nina Hagen war und ist, jenseits der Bühne ein Garant für pseudoreligiöse Quacksalberei. Der Verfasser dieser Zeilen möchte ihr einfach raten: Mädel, sing, denn das kannst du wie kaum eine andere, aber verschone uns ab sofort und fürderhin mit absurden Verlautbarungen aus den Niederungen geistiger Verirrungen.

Zurück zur Sängerin, deren Ruf trotz ihrer seltsamen Eskapaden weitgehend unbeschadet geblieben ist. Man hat sich auf die harmlos klingende Etikettierung Ulk-Nudel verständigt. Und auf der Bühne ist (die singende) Nina Hagen ein Erlebnis geblieben. Zwischendrin trat sie immer wieder als Schauspielerin auf, so wie 1997 in einem „Tatort“, oder als passable Synchronsprecherin in Trickfilmen.

Musikalisch reüssierte sie mehrmals: Zusammen mit Thomas D. von „Die Fantastischen Vier“ nahm sie die Single „Solo“ auf, die es schnurstracks in die Charts schaffte. 2003 warf sie ihre viel beachtete Autobiographie „Nina Hagen. That´s why the lady is a punk“ auf den Markt. Dann trat sie in den Filmen „7 Zwerge“ auf und machte dabei eine passend zum Genre gute Figur. Musikalisch ausgezeichnet ihr Album „Irgendwo auf der Welt“, das sie 2004 in Kooperation mit dem „Capital Dance Orchestra“ produzierte. Eine anschließende Tournee, bei der sie frühere Stars interpretierte, war ebenfalls anspruchsvoll.

Nun steht „Nina Hagens Rock & Gospel Tour 2010“ an und die Röhre, die kürzlich 55 Jahre alt wurde, feiert sage und schreibe ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. „Sie rockt den Sommer 2010“, steht da in einer Pressemitteilung. „Von Brest bis Wien, von Budapest bis Helsinki (in Finnland zusammen mit Grace Jones) – und natürlich all over Germany“. Na dann, willkommen auf dem Planeten Erde.

Termin: Am 13.Juli beehrt Nina Hagen den Honbergsommer in Tuttlingen. Sie tritt ab 20 Uhr in der Burgruine auf. Außerirdische zahlen nur die Hälfte.

Autor/In: Holger Reile