„Alternative zur herkömmlichen Aquakultur“

Die Konstanzer Meeresbiologin Anneliese Ernst forscht an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Da beschäftigt sie sich auch mit Alternativen zur her­kömm­lichen Netzkäfig-Aquakultur – am Bodensee ein heiß diskutiertes Thema, seitdem Fischer den Bau von Fischfarmen im Bodenseewasser planen. Wir baten Anneliese Ernst, den seemoz-LeserInnen ihre neuesten For­schun­gen vorzustellen, die tatsächlich einige Kritiker besänftigen könnten.

„Die Ablehnung einer Massenzucht wächst“, titelte der Südkurier (20.5.2017) einen Artikel über Versuche, große Felchen-Netzgehege im Bodensee zuzulassen. Verbände, Parteien, aber auch die Bevölkerung befürchten, dass solche großen, offenen Aquakulturen den größten Trinkwasserspeicher Europas, den Bodensee, bedrohen könnten. Sogar der Kreistag will sich auf seiner nächsten Sitzung mit diesem Thema beschäftigen.

Was aber tun, um dem Bedarf an Bodenseefelchen in der Region zu decken? Eine Genossenschaft von Fischern will bis zu 600 Tonnen Felchen pro Jahr in 10 bis 12 Netzgehegen mit 20 bis 30 Meter Durchmesser und Tiefe züchten, um dem unsäglichen Zustand ein Ende zu machen, dass „Bodensee“-Felchen von überall her an den See importiert werden müssen.

Gefahr für das Trinkwasser?

Was bedeutet das? Um die Fische zu ernähren, muss jährlich ein Mehrfaches des Erntegewichts an Trockenfutter eingebracht werden. Was nicht durch die Netze fällt, wird von den Fischen gefressen. Dafür fällt der Fischkot durch die Netze und bildet zusammen mit den gelösten Ausscheidungen eine reiche Nährstoffquelle für Bakterien und Mikroalgen.

Deren Massenvermehrung macht das Wasser rund um die Aquakultur nicht nur trübe und unappetitlich für andere Nutzer (Touristen, Wasserversorgung), sondern führt unter ungünstigen Verhältnissen auch zu Sauerstoffmangel und damit zu Stress und Tod bei den Fischen. Zugegebenermaßen sind diese Folgen der offenen Aquakultur in einem tiefen Seeteil, dem Überlinger See, weniger problematisch, als in einem Flachwasser wie dem Gnadensee. Aber muss man sich im 21. Jahrhundert diese Probleme aufhalsen?

An der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) wird seit einigen Jahren an neuen Konzepten, Alternativen zur herkömmlichen Netzkäfig-Aquakultur gearbeitet. Dabei werden die Kenntnisse aus Fischbiologie und Mikrobiologie genutzt, um ein weitgehend in sich geschlossenes System zur Zucht von Fischen, Krebs- und Weichtieren zu entwickeln.

Die etwas andere Fischfarm

Der Fokus dieser sogenannten rezirkulierenden Aquakultursysteme (RAS) liegt auf der Reinigung und Wiederverwertung des Wassers, in dem die Fische leben. In einem RAS werden die Stoffe, die mit dem Fischfutter in das System eingebracht werden und nicht im Fisch verbleiben, die sogenannten Reststoffe, durch eine ausgeklügelte Reinigungstechnik aus dem Wasser entfernt (Abbildung 1). Dieses System ist daher weitgehend unabhängig von natürlichen Gewässern und veränderlichen Umweltbedingungen. Die Fische können unter kontrollierten Bedingungen gezüchtet werden.

Abbildung 1: Es gibt verschiedene Arten, eine Kreislaufaquakultur zu führen. Dargestellt ist eine marine Kreislaufanlage der Forschungsgruppe der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (Grafik: Christian Steinbach)

Die Entkopplung der Aquakultur von der Umwelt hat gegenüber den konventionellen, offenen Systemen klare Vorteile. Eine Eutrophierung (übermäßiges Algenwachstum, d. Red.) wird durch die Kreislaufführung des Wassers verhindert. Vor allem wird jedoch die Produktionssicherheit erhöht: Zum einen, weil meteorologische, hydrologische oder biogene Gefahren (in der Lachszucht z.B Lachsläuse, toxisches Phytoplankton) keinen Einfluss auf die Zucht haben, zum anderen, weil die Wasserqualität genauestens kontrolliert und geregelt werden kann. Die Lebensbedingungen sind optimal an die Arten angepasst. Die konstanten Produktionsbedingungen minimieren den Futtereinsatz und damit den Einsatz von Ressourcen.

Besonders wichtig in rezirkulierenden Aquakultursystemen ist die Entfernung von stickstoffhaltigen Ausscheidungsprodukten aus dem Eiweißstoffwechsel. Fische scheiden Harnstoff und das für sie hochgiftige Ammoniak aus. Nitrifizierende Bakterien werden in einem sogenannten Biofilter bewusst eingesetzt (Abbildung 1, Prozess 3), um diese Stoffe in das weniger schädliche Nitrat umzuwandeln. In einem zweiten Biofilter (Abbildung 1, Prozess 6) muss dann das Nitrat mithilfe von denitrifizierenden Bakterien unter Sauerstoffausschluss zu gasförmigen Stickstoff (N2) umgewandelt werden. Dieser wird an die Umgebungsluft abgegeben und ist ökologisch vollkommen unbedenklich.

Das Bodensee-Wasser wird geschützt

Damit die Bakterien nicht überhandnehmen, wird das Wasser kontinuierlich und sehr effektiv filtriert (Abbildung 1, Prozesse 2 und 4). Das glasklare und nährstoffarme Wasser bietet den Fischen optimale Lebensbedingungen (Abbildung 2). Die Bakterien, die in und um die offenen Netzkäfige zu der unerwünschten Trübung führen, finden hier in den Biofiltern der Kreislaufanlage optimale Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ihr Beitrag zur Wasserreinigung ist unverzichtbar. Würden sie mit Antibiotika bekämpft, würden die Fische an ihren Ausscheidungen zugrunde gehen.

Der zusätzliche Aufwand für die Wasserreinigung in Kreislaufsystemen bedeutet jedoch auch einen höheren technischen, energetischen und finanziellen Aufwand, der durch den Preis, den die Fische erzielen, gedeckt werden muss. Die weltweit erste kommerzielle Fischzucht, die nach diesem Konzept erbaut wurde, steht in Völklingen im Saarland. Schwere Managementfehler führten 2015 zum Verkauf des Betriebs, der jedoch nun, unter neuer Leitung, erstmals auf eine Jahresproduktion von 500 Tonnen hochwertigen Meeresfisch zusteuert. Die Fische aus dieser Produktion wurden übrigens von „Friends of the Sea“ für ausgezeichnete Nachhaltigkeit ausgezeichnet.

Es gibt also Alternativen zur Fischproduktion in Netzkäfigen, die Eingriffe in das empfindliche Ökosystem Bodensee völlig überflüssig machen.

Anneliese Ernst

Kontakte: Prof. Dr. Uwe Waller (Email: uwe.waller@htwsaar.de), Dr. Anneliese Ernst (Email: anneliese.ernst@htwsaar.de)

Teaser-Bild: Protest von Berufsfischern des Obersees, VertreterInnen von Umwelt- und Angelverbänden im Dezember 2016 gegen Aquakulturpläne der baden-württembergischen Landesregierung. Mit freundlicher Genehmigung der Genossenschaft Bayerischer Bodenseeberufsfischer (http://www.bayerische-bodenseeberufsfischer.de).

Teile des Beitrags wurden dem Aufsatz „Vom Fisch zur Mikroalge zum Fisch: Die Aquakultur im Kreislauf“ von Frederic Lapierre und Uwe Waller entnommen.