Überraschender Kunstfund macht Furore

Der Kunstverein Friedrichshafen präsentiert die erste Retrospektive des Künstlers Jan Hendrik Pelz (1884-1984). Durch Zufall fand sein Urenkel Bilder seines längst vergessenen Urgroßvaters auf dem Dachboden. Die Vernissage, zu verstehen auch als Wieder­entdeckung eines großen Malers, findet am Freitag, 15. September, um 19 Uhr im Kunstverein Friedrichshafen statt. Die Ausstellung basiert auf neuen Recherchen und ermöglicht dem Publikum erstmals eine Gesamtschau eines zentralen Künstlers seiner Zeit und unserer Region.

Jan Hendrik Pelz wurde 1884 in Stuttgart geboren. Bereits in jungen Jahren entwickelte er sich zu einem angesehenen Maler, der durch seinen eigenwilligen Stil zu polarisieren verstand. Von 1907 bis 1913 studierte er an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, ehe er 1914 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach den desillusionierenden Erlebnissen des Ersten Weltkriegs und der Novemberrevolution, die der Maler in schockierenden Bildern festhielt, begann Pelz, sich der Neuen Sachlichkeit zu widmen. Die schonungslosen Kriegsdarstellungen des bekennenden Pazifisten führten zu einer Diffamierung durch die Nationalsozialisten. Zwei seiner Werke wurden sogar zur Ausstellung „Entartete Kunst“ gezählt, letztlich aber nicht gezeigt.

Im Exil in Gaienhofen am Bodensee traf Jan Hendrik Pelz auf weitere prägende Figuren seiner Epoche, unter anderem auf Otto Dix. Die Zeit am Bodensee markiert nicht nur biografisch, sondern auch künstlerisch einen neuen Abschnitt seines Lebens. Die Motive werden romantischer und der Farbauftrag weicher, während der Stil mehr und mehr von abstrakten Einflüssen geprägt ist. Die dabei entwickelte neuartige Bildsprache kann als Vorläufer der Abstraktion Gerhard Richters gelesen werden.

Mit der Rückkehr nach Stuttgart 1947 wandte sich Pelz zunehmend vom Kunstbetrieb ab und widmete sich der Aufzucht von Schweinen. 1984 starb der Maler in Rudersberg im Rems-Murr-Kreis. Aufgrund eines Brandes wurde ein Großteil des OEuvres von Jan Hendrik Pelz vernichtet. Wohl auch aus diesem Grund ist das Werk von Pelz mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Ein großer Werkfund auf dem privaten Dachboden der Nachkommen bietet nun die Möglichkeit, das vielfältige Schaffen von Pelz der heutigen Generation in einer Überblicksschau zu präsentieren.

Jan-Hendrik Pelz, der gleichnamige Ur-Enkel des Künstlers und Entdecker des Kunstfunds, wird bei der Vernissage anwesend sein. Über seinen fast vergessenen Urgroßvater äußert er sich folgendermaßen: „Natürlich wusste man in der Familie immer, dass dort noch etwas war. Doch im Laufe der Zeit ging die Erinnerung immer weiter verloren (…) Dass da in der hintersten Ecke, hinter Tonnen von Gerümpel, noch weitere hundert Werke lagern, ahnte niemand (…) Jeder ging davon aus, dass das Werk größtenteils zerstört und verschollen ist. Für uns war er eine tragische aber bewunderungswürdige Figur.“

Der Kurator Julian Denzler freut sich über die erste Retrospektive, die nun in Friedrichshafen zu sehen ist. „Für uns“, sagt er, „ist das ein einzigartiger Glücksfall. Die Werke waren zum Teil stark beschädigt, doch die Restauratoren haben gute Arbeit geleistet. Die Werke reflektieren den Geist der damaligen Zeit und geben der gegenwärtigen Generation einen Einblick in das Schaffen eines Künstlers, der einst als Triebkraft der Moderne galt und dann durch ungünstige Umstände in Vergessenheit geriet. Dies soll sich jetzt ändern!“

Jan Hendrik Pelz „Retrospektive“. Kunstverein Friedrichshafen, Buchhornplatz 6, Öffnungszeiten: Mi, Do, Fr 15 bis 19 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 11 bis 17 Uhr, für Schulklassen und Gruppen auch nach Vereinbarung. Die Ausstellung läuft bis zum 10.11. Der Eintritt ist frei.

MM/hr