Auch Schmeding mag keine Hausbesetzer

Nebenstehendes Plakat in Berlin sorgte bei den Grünen für viel Aufregung, werden sie doch damit an einen Teil ihrer eigenen Geschichte erinnert. Auch Martin Schmeding, Bundestagskandidat der Ökos im Wahlkreis Konstanz, hat mit Hausbesetzern nix am Hut, wie er seemoz verriet. Außerdem: Boris Palmer, nebenberuflicher Integrations­beauftragter der Grünen, liest nächste Woche im Radolfzeller Milchwerk aus seinem Poesiealbum vor. Und: Dem Umzug des Marienheims ins Zoffingen steht wohl kaum mehr was im Wege.

„Den Häusern denen, die drin wohnen“. So der Wahlspruch auf einem Plakat der Grünen im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Slogan, der zu Hochzeiten der Berliner Hausbesetzerszene gängig war und aktuell auf alternative Wohnprojekte hinweist, wie es sie beispielsweise in der Rigaer Straße in Berlin und auch anderswo durchaus noch gibt. Da aber kam aus der Bundeszentrale der Grünen umgehend Widerspruch, wie die „Huffington Post“ berichtete. Die Aussage auf dem Plakat sei „widersprüchlich“ , „nur lokal“ und „kein Teil der Bundeskampagne“. Aus dem aufmüpfigen Stadtteil kam umgehend die sympathisch lautende Erklärung: „Wir Grüne in Friedrichshain-Kreuzberg wollen den Behörden auch Enteignungen ermöglichen“, und zwar dann, wenn Investoren Wohnraum als reines Spekulationsobjekt behandeln.

Wir haben bei Martin Schmeding, dem hiesigen Bundestagskandidaten der Grünen, nachgefragt. Hier seine Erklärung: „Ich bin mit meinem Spruch ‚Die Schöpfung bewahren‘ auch kein Kind von Traurigkeit und bin damit bei vielen GRÜNEN angeeckt. Aber dieses Plakat ist aus meiner Sicht unmöglich. Es ermuntert HausbesetzerInnen dazu, weiter zu machen, bzw. ruft dazu auf, leerstehende Häuser zu besetzen. Damit ruft es indirekt zu einer Straftat auf. Ich habe mich – wie übrigens der gesamte Bundesvorstand – von diesem Plakat distanziert“. Kleiner Nachsatz: Auch in Konstanz gab es – lang ist’s her – mehrere Hausbesetzungen. Aus der Instandbesetzung des damals leeren Postgebäudes am Fischmarkt Ende der 70er Jahre entstand später das Projekt Chérisy, das heute mehreren hundert Menschen und Initiativen bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum zur Verfügung stellt.

Bei nicht wenigen wird sich die Begeisterung über den Auftritt eines anderen Grünen in engen Grenzen halten. Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen, läuft am 19. September um 19.30 Uhr im Radolfzeller Milchwerk ein. „Deutschlands bekanntester grüner Bürgermeister“, so der Ankündigungstext latent devot, zeige, „dass wir bei aller Hilfsbereitschaft auch offen über die Grenzen der Belastbarkeit sprechen müssen“. Kann man machen, aber sicher nicht so, wie sich der Tübinger Schultes das vorstellt, dem es wohl eher darum geht, sein Ego zu stärken und sich möglichst lange und damit höchst profitabel in der Bestsellerliste zu halten. Palmer, längst schwarz-grün eingenordet und von seinen Kritikern „ grüner Sarrazin“ oder auch „ grünes Kuckucksei“ genannt, hat sein Buch im Gepäck, aus dem er – das steht zu befürchten – auch noch vorlesen wird. Wer hören möchte, darf kräftig löhnen, denn der Eintrittspreis liegt bei satten 13 Euro.

Schon der Buchtitel „Wir können nicht allen helfen“, ist rein agitatorischer Natur, denn dass wir ALLEN helfen können, hat zwischen Flensburg und Konstanz wirklich niemand behauptet. Da passt die Schwadronage des Veranstalters aber ganz gut. Palmer gehe es bei seiner „Streitschrift“ unter anderem um Themen wie „Gewalt von Flüchtlingen, den Umgang mit Ängsten, die Rolle der sozialen Medien“ uswusf … Immerhin: AfD-Mitglieder, auch mit Ariernachweis, zahlen den doppelten Eintrittspreis. Der erzielte Überschuss soll einem Flüchtlingsprojekt zugute kommen.

Seit Wochen treibt einige Niederbürgler gewaltig die Sorge um, ihr Quartier werde verschandelt. Denn die Caritas plant, mit dem Marienheim auf das Zoffingen-Areal umzuziehen. Die dort ansässige Schule wird kommendes Jahr ihren Betrieb einstellen. Das Marienheim sucht eine neue Bleibe, denn gemäß der neuen Baubestimmungen für Pflegeheime kann es nicht umgebaut werden. Gedacht ist an insgesamt 105 Pflegeplätze, die auch nötig sind, denn an solchen herrscht gewaltiger Mangel, vor allem in Konstanz. Stimmen die Gremien zu, soll ab Herbst 2018 auf dem Zoffingen-Gelände gebaut werden.

Widerspruch kommt von einigen Anwohnern. Man sei nicht gegen ein Pflegeheim, aber den beabsichtigten Anbau halten sie für zu massiv und man wünsche sich eine Abspeckung desselben. Doch das würde für die Caritas bedeuten, dass ihr Konzept mit den gewünschten 105 Plätzen nicht realisierbar wäre und damit das Gesamtprojekt auf der Kippe stünde. Und das wiederum kann eigentlich niemand wollen.

Bei einer Informationsveranstaltung für GemeinderätInnen vergangenen Montag informierte Caritas-Chef Andreas Hoffmann ausführlich über den Stand der Planungen und es hatte den Anschein, als würde das Projekt wohl auf Zustimmung stoßen. Bei der kommenden und öffentlichen Sitzung des Technischen- und Umweltausschusses (TUA) am 21.9. steht das Vorhaben auf der Tagesordnung.

H. Reile

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