Ein Südkurier-Forum, das erstmals ein Forum war

Viele Sitze blieben leer am Dienstag Abend bei der traditionellen Kandidaten-Befragung, die der Südkurier stets wenige Tage vor der Wahl im Konstanzer Konzil abhält. Das mag daran liegen, dass die Monopolzeitung eine vorab rege beworbene Video-Übertragung anbot, die das Spektakel via Internet frei Haus lieferte. Doch die Zuschauer von der Wohnzimmer-Couch haben etwas verpasst.

Denn erstmals entwickelte sich auf der Bühne eine wirkliche Diskussion, eine streckenweise sogar heftige verbale Auseinandersetzung. Das lag vornehmlich am AfD-Kandidaten Walter Schwaebsch, an dem sich die übrigen Diskutanten und das Publikum reichlich abarbeiteten – so wurde der Rechtsaußen manches Mal durch Applaus-Stakkato übertönt -, aber auch am erstaunlich innovativen Format der Diskussion.

Format und Moderatoren: Die in lockerer Sesselreihe platzierten Kandidaten wurden von den nicht immer sattelfesten SK-Moderatoren Jörg-Peter Rau und Dieter Löffler nicht nur interviewt, sondern befragten sich auch gegenseitig. Folge: Zahlreiche Themen kamen zur Sprache, die jedoch häufig nur gestreift werden konnten. Allerdings war vor allem Politik-Redakteur Löffler überfordert, als es darum ging, den AFD-Mann Schwaebsch, dem die meiste Redezeit eingeräumt wurde, in die Schranken zu weisen – andererseits benachteiligte er ganz augenfällig den linken Kandidaten Simon Pschorr, der nur selten zu Wort kam. Die Positionen der Kandidaten wurden so nur unzureichend abgelichtet – dennoch eine knappe Zusammenfassung:

Martin Schmeding von den Grünen (kenntnisreich und rhetorisch fit): Er tritt, ganz in althergebrachter Grünen-Tradition, dafür ein, die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Dazu gehört für ihn ein Glyphosphat-Verbot, um das Bienensterben zu beenden, aber auch ein Votum gegen die „Diesel-Politik“ des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann. Er vertritt offensichtlich den fast ausgestorbenen linken Flügel der Grünen und hat keine Angst, sich mit den Größen seiner Partei anzulegen, wenn er gegen die Spekulation auf dem Wohnungsmarkt wettert und für mehr Fair- statt Freihandel eintritt.

Tobias Volz von der SPD (schien bei manchen Themen überfordert): Kita-Gebühren will er abschaffen und den sozialen Wohnungsbau fördern und kritisierte nicht zu Unrecht, dass dabei die Kommunen gerade auch im Landkreis Konstanz nicht ausreichend mitziehen. Er sprach sich gegen „übertriebene Abschiebungen“ aus und forderte ein „gerechtes Einwanderungsgesetz.“ Auch eine Reichensteuer ist für ihn kein Tabu, wobei er sich vorhalten lassen musste, warum denn seine Partei solche Forderungen während ihrer Regierungsverantwortung nicht behandelt habe.

Tassilo Richter von der FDP (blass): Er behauptete eine Neuorientierung der FDP, bemängelte aber vor allem ein Übermaß an Bürokratisierung z. B. bei Bauvorschriften. Für eine Digitalisierung in allen Bereichen und für ein Einwanderungsgesetz, das neue Arbeitskräfte für Deutschland sichert, machte er sich stark.

Andreas Jung von der CDU (gab richtig Gas und konnte als MdB mit Berlin-Interna punkten): Natürlich vertrat er die Regierungspolitik der letzten Jahre („viel für die Innere Sicherheit getan“, „unsere Steuerpolitik ist gerecht“, „Kohlekraftwerke werden abgeschaltet“), trat aber auch als Frontmann gegen die AfD hervor: „Die AfD stellt sich selber in die rechte Ecke“. Zudem unterstützte er die Flüchtlingspolitik seiner Regierung und forderte, die Einwanderung von Fachkräften zu unterstützen.

Simon Pschorr von der Linken (wurde von den Moderatoren vernachlässigt, konnte sich aber dennoch behaupten). Eine gerechte Steuerpolitik forderte er, mit der die oberen Zehntausend zur Kasse gebeten und alle die, die unter 7100 Euro im Monat verdienen, entlastet werden. In der Wohnungsbaupolitik trat er für ein größeres Engagement der Öffentlichen Hand ein, die sich verstärkt in der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus engagieren müsse. Vehement widersprach er den AfD-Behauptungen von einer erhöhten Straffälligkeit von Flüchtlingen: „ Die Zahlen der Polizei sprechen eine ganz andere Sprache“.

Walter Schwaebsch von der AfD (polternd, pöbelnd): Von fragwürdigen Polizeistatistiken faselte der Rechtsaußen und mochte sich von den rassistischen Äußerungen seiner Parteifreunde Gauland und Höcke nicht distanzieren. Er beklagte sich über eine „pauschalisierende Verurteilung durch die Presse“ und forderte allen Ernstes, die Bevölkerung Afghanistans zu evakuieren, „wenn denn die Bedrohungslage wirklich wahr wäre“.

hpk