Was darf Kunst im öffentlichen Raum kosten?
In der letzten Sitzung des Gemeinderates wurde intensiv und ausführlich über den Anbau am Zoffingen diskutiert. Nach dem Tagesordnungspunkt, der viele KonstanzerInnen ins Rathaus getrieben hatte und nach der Entscheidung auch fast restlos wieder hinaus, kam das temporäre Kunstprojekt „Rheinrad“ zur Sprache, dessen Verweildauer sich dem Ende zuneigt. Ein völlig begeisterter Fan der Installation plädierte für den Ankauf, fand aber kaum Unterstützer.
Das „Rheinrad“ am Rheintorturm: Manche mögen es, andere nicht. Über Kunst, so der allgemeine Tenor, gehen die Meinungen eben ziemlich auseinander. Die Installation des Künstlers Ulrich Vogl wurde bereits durch den Kunstfonds Konzil 2016 mit einer Summe von 27 000 Euro gefördert und sollte exakt 365 Tage lang, und zwar bis Ende Juni 2017, das Auge des Betrachters entzücken. In Abstimmung mit der Rheintorinitiative wurde die Frist bis Ende Oktober verlängert, dafür wurden dann nochmal 5000 Euro fällig.
Buchstäblich einen Narren an der Installation gefressen hat FDP-Rat Heinrich Everke. Seiner Meinung nach sollte das Rheinrad „noch hundert Jahre dort hängen“. Also stellte er den Antrag, die Stadt möge es entweder für die Summe von 45 000 Euro kaufen, oder einem Leasingmodell zustimmen, in dem sich die Stadt verpflichtet, über einen Zeitraum von 20 Jahren dem Künstler pro anno 5500 Euro zu überweisen – also insgesamt 110 000 Euro. Mit der Überweisung der letzten Rate ginge die Installation dann ebenfalls in das Eigentum der Stadt über. Fast poetisch erklärte der Liberale dem Rheinrad seine lodernde Liebe und erweckte den Eindruck, als wolle er sich dort fürderhin anketten lassen, und zwar für mindestens hundert Jahre, um es bis zum Rest seiner Tage gegen Kulturbolschewisten und Kunstbanausen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Ein belebender Auftritt zu später Stunde, der nicht einer sympathischen Komik entbehrte.
Doch die vorgeschlagenen Finanzierungsmöglichkeiten trafen bei den grobstofflichen Stadtparlamentariern auf wenig Gegenliebe, zumal ein Vertreter der Rheintorinitiative erklärte, die Installation behindere deren Vereinstätigkeit beträchtlich. Da erwachte in Everke der freidemokratische Teppichhändler in edelster Form. Wenn die Stadt wenigstens 10 000 Euro rausrücke, dann würde er versuchen, die Restsumme von 35 000 Euro bis zum Jahresende von Sponsoren einzutreiben. Aber auch dafür gab es keine Mehrheit, und das Rheinrad wird Ende Oktober abgebaut. Kunstfreund Everke nahm’s gelassen: „Dann kommt es eben nach Basel, die haben Interesse“.
Übrigens: Wenige Meter weiter an der Fahrradbrücke steht schon seit 1991 eine Skulptur von Jörg Siegele, deren Abbau bereits Ende letzten Jahres geplant war. Der Künstler wollte sein Werk der Stadt, das er ihr ausgeliehen hatte, für 12 000 Euro verkaufen, doch die Stadt lehnte dankend ab. Das städtische Justiziariat informierte den Anwalt des Künstlers und teilte ihm den Beschluss mit. Daraufhin wollte der Anwalt ein Kündigungsschreiben des Leihvertrages an das Konstanzer Kulturbüro schicken, so die Auskunft auf seemoz-Anfrage bereits im Oktober 2016. Doch passiert ist seitdem: nichts.
H. Reile
@Thomas Martens
Ihre letzten zwei Sätze sind der Beweis, dass moderne Kunst wirkt, dass sie zum Nachdenken anregt, zum Assoziieren, dass sie Diskussionen anregen kann. Schade, dass das Rad nun verschwindet und wir in Konstanz wieder ein Stück tiefer in Helenefischerweltmenschenseligkeit versinken.
Es sei nur erinnert an die Diskussion über die Aufstellung der Imperia an der Hafeneinfahrt. Als Oktoberfest-Kunst im Stil des „volksnahen“ Realismus ist sie heute Teil des Tourismuskonzepts der Bodenseeregion. Der leisen Kunst aber droht der Kehrbesen. Mir wird das Rad am Pulverturm fehlen.
Naja, mit Kunst gerade im öffentlichen Raum ist es ja so eine Sache. Lenks Werke z. B. sind ja auch Diskussionsobjekte, provozieren, aber gefallen damit aber auch irgendwie. Oder die schönen bunten Weltmenschenfiguren des Künstlerpaares Stragapede – Kunst mit Botschaft. Gerade die konnte ich hinter dem komischen Ding am Rheintortum aber nicht erkennen. Hat mich eher an einen mittelalterlichen Pranger erinnert, als die Menschen damals in Käfigen zur Schau gestellt wurden. Ich dachte über diese finsteren Zeiten wäre man hinweg – obwohl, in Konstanz, das sich immer so sehr an seine mittelalterliche Vergangenheit erinnert…?
Der Eiffelturm war seinerzeit auch als temporäres Projekt geplant, aber er steht heute noch. Na ja, Konstanz ist nicht Paris. Im kulturellen Oberzentrum gibt man sich mit Imperia und Oktoberfest zufrieden, das wird auch durch den Kommentar von Thomas Martens bestätigt. Der Gemeinderat hat die Chance verpasst, durch den Ankauf der Objekte von Ulrich Vogl und Jörg Siegle etwas gegen das Bodensee-Ballermann-Niveau in Konstanz zu tun.
Haha, und ich dachte immer, das wäre so ein Ding, um Tauben abzuwehren, damit sie den Turm nicht verdrecken. Ist das Kunst oder kann das weg? Für mich keine Frage – weg damit und zwar sofort!