Grüne Abgeordnete Erikli und Wehinger schlagen zurück: „Tobias Volz führt eine Scheindebatte“
Das mochten Dorothea Wehinger (Singen) und Nese Erikli (Konstanz) nicht auf sich sitzen lassen: Auf den Vorwurf des SPD-Bundestagskandidaten Tobias Volz letzten Freitag auf seemoz, sie seien „Umfaller bei der Bagatellgrenze“, antworten die beiden Landtagsabgeordneten umgehend und heftig: „Die SPD hat den Wahlkampf dieses Jahr scheinbar erst nach der Wahl für sich entdeckt.“ Die Erwiderung der Grünen im ungekürzten Wortlaut:
Auf die Vorwürfe des SPD Bundestagskandidaten Tobias Volz erklären die Landtagsabgeordneten Nese Erikli (s. Privatfoto vom diesjährigen Oktoberfest in Konstanz) und Dorothea Wehinger: „Die Behauptungen von Herrn Volz sind absurd. Es war die grün-geführte Landesregierung, die einen Antrag zur Einführung einer Bagatellgrenze in Höhe von 50 Euro im Bundesrat einbrachte. Die Bagatellgrenze ist auch nach wie vor die bevorzugte Lösung der Grünen in Baden-Württemberg. Leider war dies mit der großen Koalition im Bund, an der ja schließlich auch die SPD beteiligt war, nicht zu machen. Die SPD hat sich hier im Landkreis sehr weit aus dem Fenster gelehnt und versucht sich nun der Verantwortung zu entziehen.“ Über die Verweigerungshaltung der Bundesregierung bei diesem Thema wurde in den Medien wiederholt berichtet. Erikli weiter: „Am Willen der Landesgrünen scheiterte das Vorhaben sicherlich nicht.“
In einer Pressemitteilung hatte Volz den Grünen vorgeworfen, die Forderung nach einer Bagatellgrenze aufgegeben zu haben. Dem widersprechen Erikli und Wehinger: „Wir möchten deutlich machen, dass wir Grüne uns nicht gegen eine Bagatellgrenze ausgesprochen haben. Entscheidend ist, die Gesetzgebungskompetenz in Zollfragen liegt allein beim Bund und dieser hat sich gegen die Bagatellgrenze ausgesprochen. Wir müssen nun daher jede Maßnahme unterstützen, die zu einer Verbesserung gegenüber der momentanen Situation am Zoll und an den Supermarktkassen führt.“
Deshalb hat die Landesregierung signalisiert, dass sie den von der Bundesregierung eingeschlagenen Kurs einer Digitalisierung der Ausfuhrkassenzettel unterstützen wird, um zumindest auf diesem Weg zu Erleichterungen für Kunden und Händler in den Grenzregionen zu kommen. Erikli: „Das ist pragmatisch und politisch klug. Daraus nun den Vorwurf zu konstruieren, die Grünen seien umgefallen, ist abwegig.“
Ein IT-gestütztes Verfahren bei den sogenannten Ausfuhrkassenzetteln ist im Jahr 2017 überfällig und wird zu einer effizienteren Bearbeitung der Rückerstattung der Mehrwertsteuer beitragen. „Wenn Herr Volz nun behauptet, dass es der Grenzregion schaden würde, wenn das Land das Bundesfinanzministerium bei der Einführung eines digitalen Ausfuhrkassenzettels unterstützt, dann zeigt dies nur, dass es Herrn Volz hier in erster Linie um einen Angriff auf die Grünen und nicht um sachliche Kritik geht. Die SPD hat den Wahlkampf dieses Jahr scheinbar erst nach der Wahl für sich entdeckt.“, erklärt die Landtagsabgeordnete Erikli.
MM
Das Wort von den wahren politischen Verbrechern kann ich nicht nachvollziehen. Gibt es doch bei den Grünen immer noch ernsthaft bemühte Menschen. Nur eben diese Realos werden, mit ihrer Unwissenheit und „Arroganz der Macht“, die Partei unter die 5% Hürde führen. Ansonsten möchte ich noch an den informativen Beitrag von Holger Reile erinnern: „Konstanzer Verkehrschaos: Ende der Fahnenstange“, vom 16.01.2017. Dann gäbe es noch das umfangreiche Forum: http://www.kams.ch/ das auch die sozialen Folgen in der Schweiz beleuchtet. Die Grünen Zettel haben direkte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und nachbarschaftliche Beziehungen. Ansonsten sind die Leser*innen von seemoz über die gesamten Zusammenhänge recht gut informiert, was z.B. Frau Gönner und Stuttgart 21 betrifft.
Also sind die Grünen die wahren politischen Verbrecher, da sie seit mehr als 40 Jahren nicht für eine Bagatellgrenze bei Grünen Zetteln eintreten? Welch ein politischer Skandal und Verrat am Wähler.
Die Anzahl der Grünen Zettel korreliert mit der Anzahl der anstehenden Grenzgänger am Zoll, aber wer fünf Grüne Zettel hat die über 50/100/200 Euro liegen und nur einen der darunter ist wird sich trotzdem in die Schlange stellen. Eine empirische Erhebung der Ausfuhrscheine unterhalb der besagten (wie auch immer liegenden) Bagatellgrenze liegt mir nicht vor (wenn jemand die Zahlen besitzt, bitte raus damit).
Nach meinem letzten Stand gab es eine sehr demokratisch geführte Befragung der Singener mit zwei großen, öffentlich und medial sehr präsenten Kampagnen für/gegen das ECE-Center. Und im Rahmen dieses demokratischen Prozesses haben sich die Singener für das ECE entschieden mit allen sich bietenden Konsequenzen.
Zeitgleich investiert Singen tatsächlich viel Geld in die Aufwertung der Innenstadt, zuletzt mit den sehr schmucken Energiesparstraßenlampen und jetzt mit der Aufwertung der Hegaustraße.
„Da käme auch noch Tanja Gönner ins Spiel, denn der Hauptgrund für Stuttgart 21 lag ja wohl bei der Grundstücksgier der ECE – Gruppe für den Bau weiterer Shopping-Malls“
Ich bin immer ein Freund guter Scherze!
„und ich vermute, dass die Grünen Erben inzwischen bereit sind gesundheitliche Einschränkungen und den frühen Tod von Menschen zu akzeptieren, nur damit Handel und Autoverkehr frei von Einschränkungen bleiben.“
Deshalb: Erbschaftssteuer ab dem ersten Cent; aber das führt vom eigentlichen Thema so weit weg wie Ihre Beiträge.
Mehr als 17,6 Millionen grüne Zettel (2015) nennt Lutz Barwitzki ein lokales Kleinstadtproblem. Das sind die Zahlen aus Lörrach (6,3 Mio.) und Singen 11,3 Mio). Die von Konstanz kenne ich derzeit nicht. Da hängen zahllose Autofahrten dran, Dauerstau und „wüste verbale Entgleisungen von Schweizern, die Schlange stehen, um sich ihre Stempel abzuholen“, wie man vom Chef der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, Dieter Dewes hört. Dazu kommen die Kosten für Zollbeamte, die nur mit dem Stempeln von Ausfuhrscheinen beschäftigt sind. Das bedeutet einen Kaufkraftabfluss in der Schweiz von 11 Milliarden Franken (2016). Das ist ein Zehntel des Gesamtumsatzes des Schweizer Detailhandels, so die Ökonomen der Credit Suisse. Die Umsatzsteuererstattung liegt im Milliardenbereich, zählt man den Tax Free Einkauf z.B. auf Flughäfen dazu. Es waren nicht Bündnis90/Grüne sondern Wolfgang Schäuble, (CDU) der die Bagatellgrenze von 50 Euro einführen wollte. Wenn ich die ersten lokalen Wahlbündnisse der Grünen auf 1977 datiere und die von ihnen genannte EWG-Richtlinie aus 1977 , so hätten Grüne Wirtschaftspolitiker seit 40 Jahren für eine europäischen Harmonisierung eintreten können. Schließlich liegen die Obergrenzen in Frankreich bei 175 Euro, Italien 155 und Österreich bei immer noch 75 Euro. Wenn ich jetzt dagegen setzte, dass die Idee einer Bodensee-S-Bahn, seit einem Arbeitspapier von NABU & Deutsche Umwelthilfe aus dem Jahr 1992 in der Welt ist und seither immer zu hören ist, dass dafür das Geld fehlt, sehe ich einen Zusammenhang. Wie auch, dass z.B. das LAGO, das Rhein Center in Friedlingen oder das neue Einkaufscenter in Singen und der Bau von immer mehr Parkplätzen unmittelbare Ursachen für Stadtzerstörung sind, die mit Einkaufstourismus zusammenhängen. Die Verkehrsströme kommen nicht mehr nur aus den Kantonen Basel Stadt und Basel Land, sondern weiter her aus dem Raum Solothurn, Bern, Zug usw. Dafür wird der örtliche Einzelhandel zugunsten von Filialisten zerschlagen, wie etwa in Singen. Warum wohl sind ausgerechnet die Centermanager der Einkaufscenter oder auch Kapitalanleger wie der Otto-Ableger ECE so überdurchschnittlich begeistert? Das Gegenteil einer lebhaften städtischen Kulturlandschaft sind Systemgastronomie und die immer gleichen Zweigstellen von Buchhandel bis Modemarken. Da käme auch noch Tanja Gönner ins Spiel, denn der Hauptgrund für Stuttgart 21 lag ja wohl bei der Grundstücksgier der ECE – Gruppe für den Bau weiterer Shopping-Malls und ich vermute, dass die Grünen Erben inzwischen bereit sind gesundheitliche Einschränkungen und den frühen Tod von Menschen zu akzeptieren, nur damit Handel und Autoverkehr frei von Einschränkungen bleiben.
@ P. Groß
Von den Punkten die Sie nennen zeigt kaum einer Bezug zum hier angesprochenen Thema.
Die Erhöhung der MwSt auf 19% geht auf CDU/CSU/SPD zurück, die Grünen stimmten ebenso wie die LINKE dagegen.
Die Sache mit der Befreiung von der MwSt bei der Ausfuhr in Drittländer geht (da möge @Simon Pschorr mich bitte kompetent berichtigen!) auf eine EWG-Richtlinie von 1977 zurück (SECHSTE RICHTLINlE DES RATES vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG)), das war nun auch nicht gerade ein Alleinentscheid der Grünen.
Der von Ihnen genannte „schwäbische Bundeshaushalter“ und die genannten Konzerne (einschließlich einiger unpassender Kapitälchen und Apostrophe) stehen für mich in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit der Bagatellgrenze.
Die Sache mit der Bodensee-S-Bahn (was hat das hiermit zu tun?) wurde, sofern ich mich richtig erinnere, 2010 von Tanja Gönner von Seiten des Landes für tot erklärt. Die bis heute aktive Initiative zu diesem Thema setzt sich auch nicht aus politischen Parteien sondern den Interessenverbänden der Bahnfahrer aller Seiten des Sees zusammen.
Was unterscheidet die Grünen von der wirtschaftsliberalen FDP oder schwarzen CDU überhaupt noch? Nach dem Kretschmann Dieselgate ist sie weder ökologisch noch sozial. Aber den Anspruch sozial zu sein hat sie ohnehin nie erhoben, es sei denn für ihr Klientel- die smarten Besserverdiener*innen (Ökostrom).
Statt mit den Nachbarn wesentliche Zukunftsaufgaben, wie die Bodensee-S-Bahn voranzubringen schaden sie den Nachbarn, in diesem Fall der Schweiz, wie auch deutschen Steuerzahler*innen.
Da wird von Menschen im Sozialhilfebezug der volle, vorwiegend 19% Mehrwertsteuersatz verlangt, was dazu führt, dass von den wenigen Euro deutlich weniger bleibt und alles nur damit der schwäbische Bundeshaushälter den dm`s, LIDL´s und ALDI´s milliardenschwere Steuergeschenke machen kann.
Da debattieren die Grünen seit bald 20 Jahren über eine Bodensee-S-Bahn, ohne dass nur der kleinste Fortschritt für die Vierländerregion erreicht wird. Auch heute ist dafür kein Geld vorhanden.Und immer trägt die Bundespolitik die Schuld am Stillstand. Die Grünen sind seit langem Teil dieser Bundespolitik. Man muss der SPD wohl zugestehen, dass sie sich bemüht aus den Fehlern zu lernen aber auch das ist noch ein sehr langer Weg, bei dem nur hilft das Listenverfahren der Parteien aufzuheben und den Bürger*innen die Möglichkeit zu geben „ihre“ Volksvertreter*innen direkt zu wählen.
Tatsächlich würde ich generell hinterfragen, ob ein lokales Kleinstadtproblem wie die Grünen Zettel auf der Linie zwischen Konstanz und Basel überhaupt für irgendwelche Verhandlungen relevant sind…
Sehr geehrte Frau Erikli,
wenn dem so ist – wenn also die Bundesregierung verantwortlich ist für das (frühe) Scheitern dieses Projekts, so wäre es doch akut angebracht, dieses Vorhaben weiter zu verfolgen! Der Bundestag wurde neu gewählt und die Grünen wollen an einer finsteren Koalition mit der Lindner-FDP und der Obergrenzen-Union teilnehmen. Da gäbe es doch jetzt die Chance, die Bagatellgrenze in die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen – jetzt, wo die SPD nicht mehr mitregiert. Allerdings fürchte ich sehr, dass sich mit der neuen rechten Union und einer wie eh und je neoliberalen Laissez faire-Partei FDP ohne jeden Anspruch, wirtschaftliche Fehlanreize abzubauen, ein solches Projekt nicht machen lässt. Gerade nachdem es im Vergleich zu organisierter Fremdenfeindlichkeit einer Obergrenze als Nebenkriegsschauplatz erscheint. Tatsächlich erweckt der Rückzug der Grünen in der Angelegenheit der Bagatellgrenze gerade zum jetzigen Zeitpunkt den Eindruck, als wollte man ein möglicherweise konfliktträchtiges Thema, an dem man sowieso nicht wirklich hängt, beseitigen, um die Koalitionsverhandlungen nicht zu bedrohen.
Gruß
Simon Pschorr