Überraschung: In Konstanz fehlt es an Wohnraum

Wer hätte das gedacht? In der morgigen Sondersitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) will das Baudezernat darüber diskutieren lassen, dass die Wohnungsnot in Konstanz doch größer ist als bislang von der Verwaltung vermutet. Drei externe Gutachten (Kosten: 118 000 €) waren für diese bahnbrechende Erkenntnis nötig. 

Verschämt nennt die Stadtplanung das Projekt: Evaluierung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘. Man erinnert sich: 2014 wurde vom Gemeinderat einmütig das Handlungsprogramm Wohnen beschlossen, das den Bau von 5300 Wohnungen bis 2030 vorsieht. Schon damals gab es Kritik an diesem Aufbauprogramm. Vor allem die Linke Liste Konstanz (LLK) bemängelte von Anfang an, dass viel mehr Wohnraum geschaffen, besonders aber mehr Wohnungen im unteren Preissegment des bezahlbaren Wohnraums für Einkommensschwache gebaut werden müssten.

Verschiebung der Preissegmente

Hier setzt auch das Gutachten der Beratungsfirma Empirica an und schlägt vor, den Anteil geförderter Wohnungen von einem Sechstel auf künftig ein Viertel zu erhöhen. Letztlich wird vorgeschlagen, das mittlere Preissegment mit 50 Prozent überproportional zu bedienen und das untere, geförderte Segment auf 25% auszuweiten. Konkret: Im unteren Preissegment würden sich dann die Mietpreise zwischen 6,50 und 9,50 Euro bewegen, im mittleren Segment bei durchschnittlich zwölf und im obersten Segment ab 13 € pro Quadratmeter. Man darf getrost davon ausgehen, das diese Verschiebung den linken Kritikern im Gemeinderat nicht ausreicht – ihr Ziel ist eine überdurchschnittliche Ausweitung des unteren Segments.

Bedarfszahlen nach oben korrigiert

Außerdem gehen die externen Berater davon aus, dass das bisherige Tempo des Wohnungsbaus nicht ausreicht: Während die Verwaltung bislang von 5300 neuen Wohneinheiten in der Zeit von 2011 bis 2030 ausgegangen war, schlagen die Berater nun 7900 (warum nicht 7901 oder 8005) neue Wohnungen für die Zeitspanne von 2016 bis 2035 vor. Tatsächlich wurden zwischen 2011 bis 2016 exakt 2412 neue Wohneinheiten errichtet – im Durchschnitt also 402 Wohneinheiten pro Jahr. Die Zielvorgabe von 2150 Wohnungen wurde damit zwar leicht übertroffen, reicht aber nach den neuesten Empirica-Zahlen immer noch nicht aus.

Sickereffekte bleiben fragwürdig

Dass die Miet- und eher noch die Kaufpreise auch bei den neu zu bauenden Wohnungen immer noch zu hoch seien (Konstanz liegt nach neuesten Untersuchungen auf Platz vier der teuersten Städte in Deutschland noch vor Hamburg und Stuttgart z. B.) gibt auch die Verwaltung in ihrer umfangreichen Vorlage für die morgige TUA-Sitzung zu. Doch hier kämen die „Sickereffekte“ ins Spiel. Umständlich erklärt das die Verwaltung so: „Mindestens 60 Prozent der Neubauhaushalte kamen in den letzten Jahren aus Konstanz. 90 Prozent dieser Haushalte haben wiederum eine Bestandswohnung freigezogen“. Was wohl meint: Wenn ein Mieter es sich leisten kann, eine teuere Wohnung zu beziehen, macht er eine preiswerte für Einkommensschwächere frei. Ob solche doch arg abgerundete Zahlen die LLK-Kritiker besänftigen können, darf allerdings bezweifelt werden.

Konstanz als Schwarmstadt

Unstrittig ist, dass Konstanz als „Schwarmstadt“ zu den noch wachsenden Kommunen zählt. Unstrittig ist auch, dass die Stadt nicht über endlose Freiflächen verfügt. Wird also nicht gegengesteuert, droht ein noch stärkerer Wegzug vornehmlich junger Familien. Ob jedoch nur eine Aufbesserung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ ausreicht, ob nicht vielmehr eine radikale Verbesserung der Wohnungspolitik in Konstanz nötig ist, wird in einem ersten Schritt die Diskussion in der morgigen TUA-Sitzung, über die seemoz zeitnah berichten wird, erweisen.

hpk