Kreuzlingen: Ein Blick zurück
„Kreuzlingen, erzähl mal“, so der Titel einer kleinen Ausstellung, die am 10.12. 2017 im Kreuzlinger Begegnungszentrum „Das Trösch“ zu sehen sein wird. Die 18-jährige Schülerin Emma Wolf hat im Zuge ihrer Abschlussarbeit an der PMS (Pädagogische Maturitätsschule) viel interessantes Material gesammelt, das sie nun bald der Öffentlichkeit präsentiert.
Zum Teil hochbetagte InterviewpartnerInnen erinnern sich an das Kreuzlingen aus dem frühen 20. Jahrhundert getreu dem Motto: „Man kann die Gegenwart weniger gut verstehen, wenn man die Vergangenheit nicht kennt.“
Die Zeitzeugen, darunter eine 93-jährige Bürgerin, blicken zurück auf ein Kreuzlingen, das es so längst nicht mehr gibt. Sie erzählen über ihre Jugend, in der es für viele selbstverständlich war, dass man nach der Schule und vor allem in den Ferien noch in der Landwirtschaft mithelfen musste. In schneereichen Wintern tummelte man sich mit alten Holzschlitten auf abschüssigen Straßen, wohlwissend, dass nur alle Nase lang mal ein Automobil um die Ecke kam und Kreuzlingen noch nicht als überquellender Stauraum für motorisierte Besucher knapp vor der Konstanzer LAGO-Herrlichkeit galt.
Liebenswerte Schwärmereien und Rückblicke auch darüber, als es in Kreuzlingen noch mehrere Kinos gab (Central, Bodan, Apollo), die man aber auch nur besuchen durfte, wenn eine (seltene) Lehrerbewilligung dafür vorlag. Somit blieb den Jugendlichen knapp hinter der Grenze oft gar nichts anderes übrig als ins benachbarte Konstanz zu fliehen und einen Hauch von Freiheit zu erhaschen: „Da es in Kreuzlingen gemäß der Schulordnung verboten war, ins Kino zu gehen, wichen viele in ein Konstanzer Kino aus und prahlten anschließend über ihren Wagemut.“ Andere Zeitzeugen berichten über Erlebnisse rund um damalige Begegnungsstätten und wichtige Lokalitäten, die da u.a. hießen: Löwensaal, Alte Badi oder Parkcafi.
Emma Wolf gliedert ihre Ausstellung in drei Bereiche. Im ersten Raum werden die von den Zeitzeugen erwähnten Lokalitäten von Kreuzlingen in einer fotografischen Gegenüberstellung von früher und heute präsentiert. Im zweiten Raum kommen die InterviewpartnerInnen mit ihren persönlichen Erinnerungen zu Wort und im dritten Raum sollen die Besucher durch die Simulation eines Kinoerlebnisses audiovisuell überrascht werden.
MM/hr (Fotos: Stadtarchiv)
„Kreuzlingen – erzähl mal“. Sonntag, 10. Dezember, 10 bis 16 Uhr im „Trösch“, Kreuzlingen, Hauptstr. 42. www.dastroesch.ch
Während unten im grossem Saal tatsächlich geballte schriftliche Informationen geliefert wurden, konnte man sich im ersten Stock in ehemaliges Kreuzlinger Kino-Feeling zurückversetzen lassen und sich mit den Vor- und Nachteilen unserer heutigen Zeit im Vergleich zu früher befassen. Im obersten Stockwerk wartete dann eine digitale Sensation auf die Besucher. Mit einem zur Verfügung gestellten Tablet steuerte man verschiedene Stationen im Raum an, die durch liebevoll ausgesuchte Gegenstände (ein altes Fahrrad, ein Wähltelefon) ein Thema (Ausländer, Grenze, Krieg) repräsentierten. Wenn man nahe genug dran war, sorgte ein versteckter Sender dafür, dass am Tablet Originalvideos der Zeitzeugen aktiviert wurden. Davon kann sich manches Museum noch eine Scheibe abschneiden.
Es war eine lesenswerte Ausstellung. Wieder was gelernt:
Gepflastert nennt man eine Hausfassade, die mit Holzplättchen verkleidet ist.
Ich hatte zudem eine interessante Begegnung mit einem Besucher:
Ein Herr, der in der Klinik von Doktor Streuli entbunden wurde (wo jetzt das braune Hochhaus an der Hauptstraße steht) und der am Gaissberg gewohnt hat, erzählte mir im Anblick der Schautafeln, dass er den Abriss des Schlosses Gaissberg (in den 1960-ern) noch erlebt hat. Er berichtete, dort habe eine Frau von Salis gewohnt – aus dem Geschlecht bei Pünt, Graubünden, und ein Herr von Pagenhardt, „Rittmeister des Dragonerregiments in Konstanz“, sei in Rüstung und bewaffnet mit dem Pferd zu diesem Schloss hochgeritten. Zu der Zeit (vor dem Ersten Weltkrieg war die Grenze selbst dafür noch offen. Er war nicht so alt, dass er dies noch miterlebt haben konnte.
Und schaut man hier nach:
http://genwiki.genealogy.net/IR_114
dann sieht man, dass in Konstanz kein Dragoner-Regiment, sondern das badische Infanterie-Regiment Nr. 114 stationiert war. Einen Hinweis hierzu findet man vor dem Glasanbau des Archäologischen Landesmuseums.
Es gab aber ein Dragoner-Regiment im Württembergischen (Nr. 26)
https://de.wikipedia.org/wiki/Dragoner-Regiment_%E2%80%9EK%C3%B6nig%E2%80%9C_(2._w%C3%BCrttembergisches)_Nr._26
Und dort taucht auch der Name Pagenhardt auf:
Ersatz-Eskadron des Dragoner-Regiments Nr. 26, Cannstatt.
Führer: Major z. D. Freiherr von Pagenhardt.
Die Überlieferung mag also in Bezug auf die Person trotzdem zutreffen.
Toll! Das weckt Neugierde, man möchte mehr erfahren.
Eine schöne Idee!!!