Gemeinderatssitzung: Nachtragshaushalt wurde durchgewunken, Werkrealschule aber abgewürgt
Der Abschied des altgedienten Kämmerers Hartmut Rohloff nach 20 Jahren in Diensten der Stadt Konstanz war auf der letzten diesjährigen Sitzung des Gemeinderates (Foto) fast wichtiger als die Sachthemen. Stakkato-artig applaudierte das Stadtparlament dem Spitzenbeamten auf seiner letzten Sitzung vor dem Ruhestand – die Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2018 und die Diskussion um die GSS-Werkrealschule gerieten dabei nahezu ins Hintertreffen.
Dabei konnte Rohloff auf den letzten Nachtragshaushalts-Entwurf seiner Karriere stolz sein – und das zeigte er auch: Statt prognostizierter zwei Mio. Euro verzeichnet der Entwurf für das kommende Jahr ein Plus von 15 Millionen. Und gerade gestern kam als brandneue Neuigkeit die Information über eine Steuerrückerstattung „im niedrigen siebenstelligen Bereich“. Deshalb konnte sich der Kämmerer auch einen Seitenhieb auf den Südkurier nicht verkneifen, der in der Überschrift zu einem gestrigen Bericht vom „armen Konstanz“ schrieb. „Wer über 20 Millionen in nur einem Jahr investiert und ohne Neuverschuldung auskommt, kann so arm nicht sein.“
StadträtInnen schweifen ab
Die Haushaltsreden der meisten Fraktionen gerieten dann auch leicht auf Abwege. Mit Ausnahme der LLK stimmten alle dem Entwurf zu und wussten voll des Lobes kaum Konkretes vorzuschlagen. Christiane Kreitmeier (FGL) meinte immerhin, man solle die Überschüsse im Haushalt zum Kauf von Grundstücken und als Finanzspritzen für die Wobak nutzen, um den sozialen Wohnungsbau anzuheizen (nebenbei: eine alte LLK-Forderung). Roger Tscheulin, Fraktionschef der CDU, freute sich über die „entspannte Diskussion“, bejubelte die 2018 anstehende Renovierung des Bahnhofsvorplatzes und warnte vor höheren Parkgebühren in der Innenstadt. Jürgen Ruff (SPD) zeigte sich zumindest ein wenig skeptisch, als er darauf verwies, dass „die positiven Faktoren unserer Finanzsituation außerhalb der Stadt liegen“, gleichzeitig warnte er „vor dem Risiko einer erhöhten Kreisumlage“.
Für die Freien Wähler machte sich Jürgen Faden so seine Gedanken über die Gewerbesteuer. Eine Steuer-Erhöhung möchte er seinen Unternehmer-Kollegen nicht zumuten und forderte stattdessen, neue Unternehmen anzulocken. Eine tatsächlich revolutionäre Idee, auf die sogar schon die städtische Wirtschaftsförderung gekommen ist. Den Vogel bei den Abschweifungen schoss Matthias Schäfer (JFK) ab: Sein Redebeitrag lässt sich mit den Formeln „Konstanz ist kein Konzern“ und „Digitalisierung mit Augenmaß“ zusammen fassen. Auch Heinrich Everke (FDP) erging sich in Gemeinplätzen. Neben einem deplatzierten Plädoyer für das Bodenseeforum lobte er „urbanes Wohnen“, ohne zu erklären, was gerade er darunter versteht und was das mit den Haushaltsberatungen zu tun hat.
„Dieser Nachtragshaushalt böte die Chance zur Kurskorrektur“, begründete Anke Schwede das Nein der LLK zu diesem Entwurf. Statt eines Ausbaus der Kitas erhöhe man die Gebühren, statt die Stellen in der überforderten Stadtverwaltung aufzustocken, reduziere man die 10,6 geforderten Stellen um die Hälfte, statt das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ zu reformieren, mache man trotz vernichtender Gutachten weiter wie bisher. „Die Schatten werden länger“ warnte die LLK-Rätin und stimmte als einzige gegen diesen Nachtragshaushalt.
Keine Chance für die Werkrealschule
Eine eigentümliche Koalition im Gemeinderat: Teile der CDU, einige aus der FGL-Fraktion und wenige vom Jungen Forum stimmten für den Fortbestand der Werkrealschule (WRS) an der Geschwister-Scholl-Schule (GSS), die nach Willen der Verwaltung (und des Ministeriums) an die Berchenschule verlagert werden soll (Anke Schwede von der LLK enthielt sich; s. dazu auch ihren aktuellen Kommentar).
Vehement stritten Gisela Kusche und Anne Mühlhäußer (FGL), beide GSS-Lehrerinnen mit jahrelanger Werkrealschul-Erfahrung, für den Fortbestand, für den sich auch das GSS-Kollegium und der Gesamtelternbeirat ausgesprochen hatten (seemoz berichtete). Die GSS-Strukturen mit dem Übergang von einer Schulart zur anderen unter einem Dach hätten sich bewährt. Auch der CDU-Schulexperte Wolfgang Müller-Fehrenbach kritisierte einen „Schnellschuss ohne Not“ ebenso wie Gabriele Weiner (JFK), die vor einer Überforderung der Berchenschule warnte.
Die Befürworter einer Auflösung – unter ihnen Till Seiler (FGL) und Zahide Sarikas (SPD) – plädierten für eine Neuplanung der gesamten Konstanzer Schullandschaft, die bisher an den Realschule-Direktoren gescheitert sei. „Allerdings sollten die Vorbereitungsklassen an der GSS erhalten bleiben“, so Seiler. Die Abstimmung dann: 21 Stimmen für die Verlagerung, 15 dagegen (bei drei Enthaltungen). Die übrigen Verwaltungsvorschläge – Sanierung und Ausbau der Geschwister-Scholl-Schule – wurden einstimmig genehmigt.
hpk (Foto: Rügert-Stadt Konstanz)
Danke für den Hinweis und ’schuldigung für den Lapsus, liebe Anke, aber es war kurz vor Mitternacht, als ich diese Zeilen schrieb. Ich hoffe, Du bist mit der zügig erfolgten Korrektur im Text einverstanden.
Lieber HP,
bei der Abstimmung zum Fortbestand der Werkrealschule an der Geschwister-Scholl-Schule habe ich mich aufgrund der Komplexität des Themas enthalten und nicht für deren Erhalt gestimmt (ein klares „Ja“ oder „Nein“ ist mir natürlich in der Regel lieber). Die GSS wie auch die anderen – direkt und indirekt betroffenen Schulen – brauchen zwar Zeit, um den Übergang zu stemmen. Zweitens sind die Schülerinnen und Schüler der internationalen (Vorbereitungs-)Klassen an der GSS gut aufgehoben und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Berchenschule mit der Aufnahme dieser Klassen überfordert sein könnte.
Aber auch nicht zu leugnen ist, dass die Anmeldezahlen für die Werkrealschule an der GSS seit Jahren sinken (2014/15 bis 2017/18 insgesamt 23 Anmeldungen für Klasse 5) und das zweite Hinweisverfahren des Schulamtes zwingend gewesen wäre. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Zukunft der Gemeinschaftsschule gehört – das beweisen die ständig steigenden Anmeldezahlen – und bin sehr froh darüber, dass endlich die Oberstufe vom Kultusministerium genehmigt wurde und die monatelange Hängepartie ein Ende hat.