SPD-Positionspapier zur Wohnungspolitik
Zuerst kam die Linke Liste, jetzt folgt die SPD-Fraktion mit elf Forderungen an die Konstanzer Wohnungspolitik. Wie schon die LLK fordert auch die SPD nun eine Stärkung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK. Anders als die LLK aber tritt sie nicht für eine Kehrtwende in der Wohnungspolitik ein, sondern für Reparaturen am „Handlungsprogramm Wohnen“. Die SPD-Forderungen im Einzelnen:
Bezahlbare Wohnungen für alle – Forderungen der SPD zur Fortschreibung des Handlungsprogramms Wohnen der Stadt Konstanz
1. Marktsituation
Seit vielen Jahren hält das Angebot an Miet- und Eigentumswohnungen in Konstanz mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt. Die Folge davon sind stark steigende Preise, sowohl für die Mieten als auch für Wohnungseigentum.
So weist der neue Konstanzer Mietspiegel eine durchschnittliche Steigerung der Mieten von 9,1 Prozent gegenüber dem letzten Erhebungsjahr aus. Im Mietspiegel-Index 2017 des Forschungsinstituts F+B belegt Konstanz Platz 15 der teuersten deutschen Städte und ist damit teurer als Düsseldorf oder Frankfurt. Die Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren sogar doppelt so stark gestiegen wie die Mieten.
Die Mieten sind in Konstanz daher Armutsrisiko Nr. 1. Immer mehr Menschen, z.B. Rentner oder Familien mit Kindern können die Mietbelastung nicht mehr tragen, selbst wenn sie über mittlere Einkommen verfügen. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt schadet mittlerweile der kommunalen Daseinsfürsorge und dem Wirtschaftsstandort, weil auch für gut bezahlte Fachkräfte eine Arbeitsaufnahme in Konstanz aufgrund des Mietpreisniveaus immer unattraktiver wird. Davon betroffen sind insbesondere Sozial- und Gesundheitsberufe, aber auch der gesamte öffentliche Dienst.
Steigende Mieten und unerschwingliche Immobilienpreise vertreiben Einwohner aus der Stadt, weil sie im Fall einer Mieterhöhung oder einer Kündigung keine vergleichbare Wohnung in Konstanz finden. Immer mehr Haushalte finden keine familiengerechte Wohnung in der Stadt selbst, sondern werden verdrängt. Dies verändert und gefährdet mittelfristig die Sozialstruktur unserer Stadt und zeigt den dringenden Handlungsbedarf.
2. Einschätzung des Handlungsprogramms Wohnen 2014
Mit überwältigender Mehrheit hat der Gemeinderat vor drei Jahren das Handlungsprogramm Wohnen beschlossen und setzt politische Priorität auf die Wohnungspolitik. Dadurch konnten einige politische Blockaden vergangener Jahre aufgelöst werden. Mit dem Beschluss über die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Hafner wurde das jahrelange Dogma der ausschließlichen Innenentwicklung aufgegeben.
Von 2011 bis 2016 sind 2171 neue Wohnungen entstanden. Dies ist beträchtlich mehr als in den Jahren zuvor. Ein Teil der neuen Wohnungen lässt sich auf das Handlungsprogramm Wohnen zurückführen, ein größerer Teil dagegen wurde vorher geplant und finanziert. Dieses Wohnungswachstum hat nicht ausgereicht, um den Markt zu entspannen.
Das Handlungsprogramm Wohnen hatte die Vorgabe, 5030 Wohnungen bis zum Jahr 2030 zu errichten. Dabei sollte 1/6 im niedrigpreisigen Segment, vorrangig im geförderten Wohnungsbau, 3/6 im mittleren Preissegment und 2/6 im höheren Preissegment entstehen. Sowohl die Begründung für das Bauvolumen als auch für die Verteilung auf die Preissegmente war nur bedingt stichhaltig.
3. Forderungen der SPD zur Fortschreibung des Handlungsprogramms Wohnen
Die Wohnungsmarktsituation in der Stadt hat sich so zugespitzt, dass sich breite Schichten der Bevölkerung kaum noch aus eigener Kraft mit ausreichendem Wohnraum versorgen können. Dies macht Anpassungen im Handlungsprogramm Wohnen erforderlich:
* Anteil des geförderten Wohnraums auf ein Drittel erhöhen
Der Anteil an sozialem, geförderten Wohnraum muss von einem Sechstel auf mindestens ein Drittel aller neuen Wohnungen gesteigert werden. Das Segment hochpreisiger Wohnungen kann reduziert werden. Dieses Wohnungsmarktsegment ist hochprofitabel und bedarf keiner besonderen planerischen Unterstützung durch die Verwaltung
* Baugruppenmodelle unterstützen
Baugruppenmodele sind begrüßenswerte Modelle, die in der überwiegenden Mehrheit aber nicht unter den sozialen Wohnungsbau zu fassen sind. Der Anteil an Baugruppenmodellen darf deshalb nicht mit dem sozialen, geförderten Wohnungsbau verrechnet werden.
* Mindestens 30 Prozent geförderte Mietwohnungen pro Neubaugebiet
Bislang gibt das Handlungsprogramm Wohnen vor, dass bei jedem größeren Neubaugebiet ein Anteil von 30 Prozent geförderter Wohnraum entstehen soll. Dieser Beschluss ist zu unkonkret. Es reicht nicht aus, wenn Investoren wie die LBBW auf dem Vincentius-Gelände geförderte Eigentumswohnungen errichten können, um diese Vorgabe zu erfüllen. Die Förderbedingungen der L-Bank sind so ausgestaltet, dass dieses Angebot nur von wenigen Haushalten wahrgenommen werden kann. Daher fordert die SPD, diesen Grundsatz entsprechend dem Vorbild anderer Städte bei künftigen Vergaben so auszugestalten, dass die Bauträger 30 Prozent preisgünstige und geförderte Mietwohnungen errichten müssen. Dies ist durch geeignete Verträge abzusichern.
* WOBAK stärken
Damit die städtische Wohnungsbaugesellschaft in noch stärkerem Umfang in den sozialen Wohnungsbau investieren kann, braucht sie eine entsprechende Ausstattung. Die SPD fordert daher:
o Die Stadt verzichtet weiterhin auf eine Gewinnausschüttung der WOBAK.
o Die Stadt führt die Darlehensrückzahlungen in Höhe von jährlich 570 000 Euro, die sie von der WOBAK erhält, wieder der Gesellschaft zu.
o Die Einnahmen aus der Zweitwohnungssteuer und der Satzung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum werden der WOBAK zweckgebunden für die Investition in neuen preisgebundenen Wohnraum zur Verfügung gestellt. Somit kann die Finanzausstattung der Wohnungsbaugesellschaft jährlich deutlich verbessert werden. Eigenkapitalerhöhungen der WOBAK können auch durch die Übertragung von Grundstücken erfolgen. So kann der soziale Wohnungsbau von der Grunderwerbssteuer entlastet werden.
* Grundstücksvergabe vorrangig für sozialen Wohnungsbau vergeben (Andienspflicht)
Die SPD bekräftigt die Andienungspflicht an die WOBAK: Grundstücke der Stadt werden vorrangig der WOBAK angeboten, die sie zur Hälfte für sozialen und geförderten Wohnungsbau zu nutzen hat. In einem zweiten Schritt können sie örtlichen Baugenossenschaften angeboten werden, wenn diese sich vertraglich zur Schaffung geförderten Mietwohnungsbaus verpflichten und die daraus entstehenden Wohnungen mit langen Bindungsfristen versehen.
* Grunderwerbsmodell verbessern
Die Stadt Konstanz hält an ihrem Grunderwerbsmodell fest und startet Bebauungsplanverfahren erst, wenn sie 60 Prozent der in Frage kommenden Flächen erwerben konnte. Die SPD fordert eine Prüfung, inwieweit bei den verbleibenden Grundstücken im Privatbesitz Baupflichten verankert werden können.
* Weitere Träger für den sozialen Wohnungsbau werben
Die SPD appelliert an die regionalen Baugenossenschaften, wieder als Träger des sozialen Wohnungsbaus tätig zu werden und fordert die Verwaltung auf, dafür zu werben.
* (öffentliche)Arbeitgeber müssen ihrer wohnungspolitischen Verantwortung gerecht werden.
Öffentliche und private Arbeitgeber in Konstanz können nur dann Fachkräfte dauerhaft gewinnen, wenn sie diesen auch geeignete Wohnungen anbieten können. Insbesondere Stadtwerke oder der Gesundheitsverbund müssen in Mitarbeiterwohnungen investieren. Dies kann durch den Kauf von Belegungsbindungen, z.B. bei der WOBAK, erfolgen. Dieses Angebot soll auch privaten Arbeitgebern offen stehen.
* Planungen beschleunigen
Insbesondere für Flächen, die wie das Döbele der Stadt gehören, müssen die Planungen deutlich beschleunigt werden. Dabei ist zu prüfen, inwieweit Planungsarbeiten beschleunigt werden können. Bei der Bauleitplanung müssen Plangebiete mit hoher wohnungspolitischer Relevanz höchste Priorität genießen.
* Zahlenvorgaben bei Bedarf anpassen
Die Fortschreibung des Handlungsprogramms Wohnen geht von einem Bedarf von 7900 Wohnungen bis 2035 aus. Wichtiger als das Ausbauziel ist eine ausreichende Bauleistung in den kommenden Jahren. Das Ausbauziel kann keine unverrückbare Zahl sein, sondern muss sich am Bedarf orientieren.
* Flächensparend bauen
Konstanz darf seine Wohnungsmarktprobleme nicht auf andere Städte und Gemeinden im Landkreis umwälzen. Je weniger die Stadt Konstanz in der Lage ist, auf eigener Gemarkung Wohnraum zu schaffen, desto mehr werden Familien und Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen in das Umland ausweichen. Eine weitere Zersiedelung, höherer Flächenverbrauch und stärkere Verkehrsbelastungen wären die unerwünschten Folgen. Für die SPD bleibt das Prinzip der Stadt der kurzen Wege ein wesentlicher Grundsatz für die Siedlungsentwicklung.
Dr. Jürgen Ruff (Fraktionsvorsitzender)
Herbert Weber (Stadtrat, stv. Aufsichtsratsvorsitzender WOBAK)