Cano kommt, Conti steht, Platten liegen

Bauen in Singen – eine schier endlose Geschichte: Das Conti steht (noch), das Cano kommt (später), die Bodenplatten in der Hegaustraße (von Karstadt bis zur Sparkasse) liegen (endlich) – so präsentiert sich Singen zu Jahresbeginn. Das für 2017 angekündigte Baustellenjahr ist mit einigen Großprojekten nun ins Jahr 2018 hineingeschoben worden.

Gute Baukonjunktur sorgt für späteren Baubeginn

Nach monatelanger Funkstille gegenüber der Öffentlichkeit meldete sich noch vor Weihnachten ECE-Projektierer Marcus Janko zu Wort. Das ungeduldige Grummeln der einen, die den Baustart des Konsumklotzes nicht erwarten können, und das hoffnungsvolle Tuscheln der anderen, die wünschen, dass der Kelch an Singen doch noch vorübergehe, wurden natürlich auch in der Hamburger Otto-Group vernommen. Geschuldet sei die Verspätung der außerordentlich guten Baukonjunktur, die es erschwert habe, verlässliche Bauunternehmen für das Großprojekt zu verpflichten. Aus diesem Grund seien auch die Notariatstermine für den Kauf der im Besitz der Stadt Singen befindlichen Grundstücke (Zollareal und Thurgauerstraße) noch nicht erfolgt. Also: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Frühjahr ist nun als neuer Termin angesetzt, erst die Vertragsunterzeichnung und anschließend zeitnah der Baustart. Die Vermietung der Ladenflächen laufe gut, ist überdies aus Hamburg zu vernehmen …

Neuer Fußboden in der Hegaustraße

Gerade noch in der Vorweihnachtszeit war schließlich die letzte sandsteinfarbene Edel-Betonplatte im ersten Teilabschnitt der Hegaustraße verlegt worden. Von einem neuen „Wohnzimmer“ für die Innenstadt ist die Rede (Foto). Mehr als den Fußboden gibt es aber noch nicht zu sehen. Die „Möbilierung“ soll im Frühjahr erfolgen. Warten wir also ab, ob sich die angekündigte neue „Aufenthaltsqualität“ einstellen oder es nur eine optisch hervorgehobene und bitte nicht zu verlassende Wegweisung direkt zum künftigen Cano sein wird.

Großbaustelle Herz-Jesu-Platz

Die lang angekündigte und viel diskutierte Umgestaltung des Herz-Jesu-Platzes (Marktplatz / Ekkehard-/Alpenstraße) hat vergangene Woche nun wirklich begonnen. Es war auch höchste Zeit, sonst wären die Gelder des Bundesförderprogramms für die östliche Innenstadt (soziale Stadt) verfallen. Zwei Jahre sind für die Umgestaltung angesetzt. Jetzt wird die einstöckige Tiefgarage in Angriff genommen, danach die Platzgestaltung und schließlich die Bebauung durch den Investor „Siedlungswerk“. Drei Gebäude mit insgesamt 33 Wohnungen sind auf einem Teil der Fläche vorgesehen. Vor allem bei autobesitzenden Nachbarn stößt dieser Umbau auf wenig Begeisterung, fallen doch insgesamt 110 oberirdische Stellplätze weg. Ausweichmöglichkeiten sind mehr als rar, zumal wenn dann die Großbaustellen Cano und Bahnhofsvorplatz hinzukommen. Und auch die Standbetreiber des Wochenmarktes fürchten, dass etliche auswärtige Kunden, darunter auch Schweizer, dem Markt fernbleiben werden. Ob es zu einem Verkehrschaos kommen wird bzw. wie gut der Park-Such-Verkehr gemanagt werden kann, davon wird ganz sicher auch die Akzeptanz dieser Bauprojekte bei den BürgerInnen abhängen – und das auch schon mal im Hinblick auf anstehende Gemeinderatswahlen im nächsten Baustellenjahr 2019.

Neue Genossenschafts-Wohnungen

Auch auf dem „Kunsthallenareal“ tut sich was – das Gelände der jahrelangen Brache wird für ein Bauprojekt vorbereitet. Investorin und Bauherrin ist die OSWA-GmbH, die bekanntlich den gesamten Bestand der in Insolvenz gegangenen städtischen Wohnbaugesellschaft GVV aufgekauft hat. Die neu entstehenden 84 Ein- bis Fünfzimmer-Wohnungen werden von der Baugenossenschaft Oberzellerhau übernommen und an deren Mitglieder vermietet werden.

Bei der Baugenossenschaft „Hegau“ fällt noch im Januar der Startschuss für den Bau der „Praxedisgärten“ in der Romeiastraße. 73 neue Mietwohnungen sollen bis 2020 entstehen. Weichen müssen hierfür die alten Wohnblocks aus den 1930er Jahren.

Bezahlbarer Wohnraum weiter Mangelware in der „Zukunftsstadt“

Trotz aller Bautätigkeit (auch in der Nord- und Südstadt) wird das Problem mangelnden günstigen Wohnraums fortbestehen. Viele der in den nächsten Jahren neu entstehenden Wohnungen werden für MitbürgerInnen mit kleinen und kleinsten Haushalts-Budgets, darunter vermehrt Alleinerziehende und RentnerInnen, zu hochpreisig sein. Die Zahl der von Obdachlosigkeit bedrohten BürgerInnen steigt und die Stadt selbst hat bis auf weiteres keine Lösung zu bieten.

Singens Stadtbild verändert sich. Es ist nicht die Frage, ob sich der selbst gestellte Anspruch Singens, „Zukunftsstadt“ zu sein, erfüllen wird. Eine Zukunft kommt sicher. Aber für wie wenige oder wie viele wird Singen eine Stadt sein, in welcher sie ihre nahe Zukunft erleben wollen und können? Wem bringen mondäne Fußgängerzonen, protzige Konsumtempel oder eine neue Groß-Garage für altes Blech namens MAC II (ja, diese Baustelle gibt es auch noch) etwas? Entscheidend wird die Weichenstellung sein, mit welcher die Verteilung der unterschiedlich vermögenden Schichten einer Bevölkerung auf Stadt und Land erfolgen wird, und wer darüber entscheidet, wer wen wo noch dulden will …

Fritz Murr