Doch noch ein Erfolg für Christoph Nix?
Kommando zurück: Die Baden-Württembergischen Theatertage sollen nun doch in Konstanz stattfinden und das Projekt „Atlantis“ auch. Das teilte Bürgermeister Andreas Osner gestern nach einer wieder einmal nicht-öffentlichen Sondersitzung des Kulturausschusses mit und sprach von einer guten „Kompromiss-Idee“. Worin der Kompromiss besteht, sagte er nicht.
Offenkundig gab es in den letzten Tagen zahlreiche Hinterzimmer-Gespräche mit zahlreichen Lösungsideen; offenkundig sind beide Seiten – hier Stadtverwaltung, dort Theaterleitung – aufeinander zugegangen. Das Zugeständnis der Theaterleute, nun die Absage der Theatertage zurückzunehmen, liegt seit gestern auf dem Tisch. Doch worin besteht die zweite Seite des Kompromisses, das Zugeständnis der Verwaltung? Dazu wollten auf der gestern eilig zusammen gerufenen Pressekonferenz weder Bürgermeister Osner noch Theaterintendant Nix etwas Konkretes mitteilen – selten gab es eine Medieninformation mit derart blumigen Umschreibungen und so vielen unbeantworteten Fragen.
Gemunkelt wird dagegen in der Stadt – die seemoz-Redaktion erhielt dazu gestern Informationen aus allein vier verschiedenen Quellen -, dass die Verwaltung dem Intendanten in der Frage einer außerplanmäßigen Vertragsverlängerung entgegen kommen möchte. Nur: Dem widerspricht der Beschluss des Gemeinderates (GR), den Nix-Vertrag nicht zu verlängern, gleichgültig, ob dieser Beschluss rechtens war oder nicht, wie die LLK behauptet. Und nur der GR kann diese, seine Entscheidung revidieren – womöglich in seiner nächsten Sitzung am 22. Februar.
Der Druck der Öffentlichkeit war wohl zu stark: Solidaritätsadressen aus der ganzen Welt erreichten das Konstanzer Theater, Konstanzer BürgerInnen äußerten sich in Kommentaren und Leserbriefen zuhauf und überwiegend pro Nix zu Wort, eine Internet-Petition hatte in kurzer Zeit schon 1126 (Stand: 7.2., 20.30) Unterstützer-Unterschriften gesammelt. Und erst gestern hatten sich nochmals die Theater-Leute in einer öffentlichen Erklärung hinter ihren Chef gestellt – hier im Wortlaut:
Stellungnahme der MitarbeiterInnen des Theater Konstanz
In den letzten Tagen und Wochen ist viel gesagt und geschrieben worden – über das Theater Konstanz, seine MitarbeiterInnen und insbesondere seinen Intendanten. Wir tragen den Stil der Auseinandersetzung nicht mit. Wir, alle MitarbeiterInnen des Theater Konstanz auf, vor und hinter der Bühne äußern uns dazu wie folgt:
Im Oktober 2017 sind die gewählten Ensemblesprecher Laura Lippmann und Georg Melich im Namen des Schauspielensembles mit dem Anliegen, den Vertrag des Intendanten Christoph Nix um ein Jahr zu verlängern, in den Fraktionen des Konstanzer Gemeinderates vorstellig geworden. Dies geschah aus eigenem und freiem Antrieb. Eigeninitiative und Mitspracherecht sowie freie Meinungsäußerung sind zentrale Elemente der täglichen Theaterarbeit in Konstanz.
Herrn Kulturbürgermeister Dr. Andreas Osner haben wir zudem schriftlich am 14. November 2017 über diesen Wunsch und die inhaltlich-programmatischen Gründe in Kenntnis gesetzt. Bedauerlicherweise erhielten wir von Herrn Dr. Osner keinerlei Antwort.
In einer nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 18. Januar 2018 wurde der Antrag der FDP-Fraktion auf Verlängerung der Intendanz von Herrn Nix mehrheitlich abgelehnt. Wir finden dies sehr schade, da wir gerne die erfolgreiche Zusammenarbeit über 2020 hinaus fortgesetzt hätten – inklusive der zwei Großprojekte „Theatertage“ und „Theaterschiff“. Aus unserer Sicht erscheinen die Vorgänge der Entscheidungsfindung des Gemeinderates wenig transparent und unglücklich.
Nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses hat das künstlerische Leitungsteam des Theater Konstanz beschlossen, die Baden-Württembergischen Theatertage nicht auszurichten, umso die Kräfte für die Umsetzung des Theaterschiffs „Atlantis“ zu bündeln. Wir begrüßen ausdrücklich diese Entscheidung – sowohl künstlerisch als auch arbeitsökonomisch.
Dass sich nun Politik und Stadtverwaltung in die künstlerische Programmgestaltung des Theaters einmischen, halten wir für einen besorgniserregenden Vorgang.
Von vielerlei Seiten hören wir, dass unsere künstlerische Arbeit in der Stadt und darüber hinaus geschätzt wird. Wir möchten diese Arbeit ohne Einschränkungen und Denkverbote mit Christoph Nix bis zum Ende seiner Intendanz fortsetzen – in absoluter künstlerischer Freiheit. Das Theater Konstanz lässt sich nicht auseinanderdividieren.
Wir sehen es als Aufgabe von TheatermacherInnen an, sich in das politische und gesellschaftliche Leben aktiv einzumischen, unbequeme Fragen zu stellen und auf Missstände hinzuweisen. Gerade diese Qualität schätzt auch unser Publikum und dafür bedanken wir uns.
„Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden. Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen.“
Joseph Beuys
Die Chance am Freitag, den 16. Februar 2018 um 20 Uhr in der Spiegelhalle in einen direkten Dialog zu treten, lässt uns hoffen. Wir laden alle Interessierten und insbesondere die politischen VertreterInnen herzlich dazu ein. Konstanz, den 7. Februar 2018
Die MitarbeiterInnen des Theater Konstanz
hpk
Ich kann mich in den Kommentaren (auch zu den anderen Artikeln zu der Causa) nur schwer wiederfinden. Ich muss sagen, dass ich das jetzt eine ganz wunderbare Lösung finde. Ist es nicht das Wesen der Demokratie, sich zusammenzusetzen und Kompromisse zu finden? Ist es nicht fantastisch, dass da Argumente ausgetauscht wurden (und zwar durchaus ja von allen Seiten auch laut und deutlich), man sich aber dann doch zusammensetzen konnte und etwas Verbindendes fand?
Ich finde auch die Überschrift des Artikels nicht treffend: Warum müssen wir hier in diesen Erfolg/Misserfolg-Kategorien denken? Der Erfolg ist doch eher für den Theatergänger vorhanden, der den ohne Frage beliebten Nix ein wenig länger behalten kann und die Theatertage bekommt. Und ich finde auch, dass Osner/Burchard da einen Erfolg haben: Sie können die Theatertage doch nach Konstanz holen, behalten die Zuschüsse und jeder wahrt sein Gesicht.
Daher mein Dank an dieses (etwas seifenoperlastige) Theaterspiel mit einer krachenden Ouvertüre, einem spannenden zweiten Akt voller Irrungen und Wirrungen und einem harmonischen Finale. Ich finde ja, dass diese Geschichte als Kammerspiel die perfekte letzte Inszenierung der Nix’schen Intendanz wäre – Burchard, Osner und Nix können sich dann ja auch gleich selbst spielen.
„Pressefreiheit gibt es heute nur, wenn sie weitestgehend kompatibel mit der Meinung der schwerreichen Verlegerfamilien ist, die über transatlantische Netzwerke fest in ein Publikationskartell eingebunden sind. Die Pressefreiheit, wie wir sie uns landläufig vorstellen, existiert auch in Deutschland nur auf dem Papier. “ aus den „Nachdenkseiten“ vom 9.2.2018
Ein rauer Ton gegen einen, der sich künstlerisch -kritisch mit Denk- und Meinungsverboten, politischen Willkürakten auseinandersetzt und das auf öffentlichem Podium, dem Theater, ist für Herrn Rau vielleicht „Notwehr mit der Feder“, kann er doch und seine Zeitung der politisch-gesellschaftlichen Analyse eines Herrn Nix, inhaltlich wenig bis nichts entgegensetzen.
Und auch Widerstand ist ein Freiheitsrecht.
Es tut gut, zu sehen, dass sich in „Falle Nix“ selbst ansonsten zurückhaltende Konstanzer(und erneut Menschen über die Grenzen hinaus) solidarisieren. Dies sollte den Statisten um den „Star“ im Rathaus zu denken geben. Na ja, mit dem Denken ist das so eine Sache..
Allerdings, wie schreibt Herr Rau sinngemäß in seinem Standpunkt zu Herr Nix und seinem „Gespür für die Strömungen im Volk“: „am Ende sei das Volk nur eine überschaubare Menge von Einflüsterern, bestehe jedoch überwiegend aus Menschen, die lieber in einem großzügigen dm auf der Marktstätte einkaufen, als sich kulturell hochwertige estnische Dokumentarfilme anzusehen“(oder sich mit einem strittigen Theaterstück auseinanderzusetzen?).
Damit degradiert er die Konstanzer Bevölkerung in der Masse zu Menschen, die den Kommerz der Kultur vorziehen – hat er damit Recht?
Ohne Konstanz mit Berlin vergleichen zu wollen: zumindest das politdramatische Drehbuch erinnert an die Vorgänge rund um die Berliner Volksbühne und die politisch motivierte Absetzung ihres langjährigen Intendanten Frank Castorf. Das führte zu intensiven Protestaktionen bis hin zur Theaterbesetzung, weltweite Solidaritätsaktionen und letztendlich zum Verlust beinahe des gesamten Ensembles. Zu erinnern ist bei solchen Einflussnahmen der Politik auf die Kunst an den Artikel 5 des Grundgesetzes: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“. Die Einschränkung der Kunstfreiheit durch die Politik sollte auch nicht indirekt über Arbeitsverträge und Finanzierungen stattfinden.