Was nun, Herr Osner?
Man darf es wohl kleingeistig nennen, dass der Vertrag von Theaterintendant Christoph Nix nicht verlängert wurde. Und wieder einmal wurde in geheimer Abstimmung darüber entschieden. Seitdem brodelt es in der Stadt. Vermutungen und Gerüchte wabern. Kulturbürgermeister Andreas Osner (SPD) spielte bei der Provinzposse eine tragende Rolle. LLK-Stadtrat Holger Reile hat einen Offenen Brief an Osner geschrieben und ihn zu einer Stellungnahme aufgefordert. Der Text im Wortlaut.
Guten Tag, Herr Bürgermeister Osner.
Auf die übliche Anrede „Sehr geehrter …“ verzichte ich ganz bewusst. Der Grund: Ihr Verhalten und Ihre Aussagen kurz vor der Abstimmung über die Vertragsverlängerung von Christoph Nix war ehrlos und infam zugleich. Nicht nur ich war entsetzt darüber, mit welch fragwürdigen Argumenten Sie eine Kehrtwendung vollzogen haben und mit dafür sorgten, das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen.
Sogar Ihre eigenen ParteigenossInnen waren teilweise fassungslos. Und das, obwohl Sie noch vor kurzem öffentlich erklärten, garniert mit Lob für das gesamte Theater, man habe einen Kompromiss – nämlich eine Verlängerung von sechs Monaten – gefunden. Mit Ihrer doppelten Rolle rückwärts sind Sie nicht nur dem Intendanten in den Rücken gefallen, sondern auch dem gesamten Theaterensemble. Und: Völlig außer acht gelassen haben Sie auch den Wunsch vieler BürgerInnen nach einer kurzfristigen Verlängerung des Vertrags von Christoph Nix. Mit Verlaub, Herr Osner, Ihr Verhalten war nicht mal im Ansatz nachvollziehbar und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie Ihrer verantwortungsvollen Aufgabe als Kulturdezernent nicht mehr gewachsen sind.
Abgeschirmt von der interessierten Öffentlichkeit konnten Sie, Herr Osner, Ihre Tiraden und Unterstellungen in einer Art Dunkelkammer vortragen. Schon im Vorfeld stellte die CDU den Antrag, man möge anschließend geheim abstimmen. Diesem Antrag stimmten 20 RätInnen zu, 14 waren dagegen. Nun spätestens wird wohl der Augenblick gekommen sein, dass man mir vorwirft, ich würde unerlaubterweise Details aus einer nichtöffentlichen Sitzung ausplaudern. Ich darf Ihnen verraten: Das tangiert mich nicht, im Gegenteil. Wir, und da schließe ich selbstverständlich auch Bürgermeister mit ein, sollten uns als kommunalpolitischer Arm einer Stadtgesellschaft begreifen, die ein Recht darauf hat zu erfahren, wie sich ihre gewählten VertreterInnen in einer wichtigen kulturpolitischen Entscheidung positionieren. Da es hier nicht um eine schlichte Personalie gegangen ist, hätte die Debatte öffentlich stattfinden können, ja müssen. Nur: Dazu braucht es Courage, die zumindest einer Hälfte des Stadtparlaments abzugehen scheint.
Kurz nach der Gemeinderatssitzung erklärten Sie dem Südkurier in einem Interview, wie Ihr plötzlicher Sinneswandel zu verstehen sei. Aber auch dabei, Herr Osner, beließen Sie es bei vagen Andeutungen, die lediglich dazu führen, dass weitere Spekulationen ins Kraut schießen. Um das zu verhindern, fordere ich Sie hiermit auf, Ihre Argumente gegen eine Verlängerung, die Sie in einem ca. 8 minütigen Vortrag erläutert haben, umgehend der Konstanzer Bürgerschaft mitzuteilen. Ähnliches erwarte ich auch von den KollegInnen im Konstanzer Gemeinderat.
Holger Reile
Stadtrat Linke Liste Konstanz (LLK)
@Daniel Morgenroth – Über den tatsächlichen Hintergrund der abrupten Kehrtwendung von Bürgermeister Osner lässt sich rätseln. Vielleicht war er nur ein Schattenmann, der den Erfüllungsgehilfen spielte? Möglich, und zwar aus mehreren Gründen. Mich haben Aussagen aus der Verwaltung erreicht, die darauf hinweisen, dass Osner gewaltig unter Druck gesetzt worden sein könnte. Ich neige nicht zu Verschwörungstheorien, aber Osner machte nicht nur argumentativ einen durchweg jämmerlichen Eindruck. Tritt er ansonsten ziemlich resolut auf, saß uns vergangenen Donnerstag ein zauderndes, innerlich schier zerrissenes und gehetztes Bürgermeisterlein gegenüber. Mit leiser und fast schon zitternder Stimme trug Osner seine Absurditäten vor und machte dabei den Eindruck, als würde er jeden Moment aus den Schuhen kippen. Aber Spekulationen bringen uns da nicht weiter. Nur Osner selbst könnte für Klarheit sorgen. Aber er will ja noch rund drei Jahre Bürgermeister bleiben…und alleine deshalb wird er wohl den Teufel tun zu erklären, wer ihn in die Manege geschickt hat. Zur Zeit ist er krank und nicht erreichbar. Er hat viel Vertrauen verspielt und ich für meinen Teil kann mir nur schwer vorstellen, mit ihm noch konstruktiv zusammen zu arbeiten.
Danke für diesen Offenen Brief, Herr Reile. Mich würde auch tatsächlich einmal interessieren, welche schlagkräftigen Argumente es denn von Herrn Osners Seite gab. Mir wären jedenfalls keine Hemmnisse oder Hindernisgründe bekannt, die er im Interview andeutet – im Gegenteil.
Der eigentliche Skandal ist aber die hier gepflegte Kultur im Umgang miteinander. Da wird ein Kompromiss angeboten, und wenn dieser angenommen wird, dann lässt man einen Leitenden Angestellten in der Sitzung ins offene Messer laufen und kommuniziert nicht, dass der Kompromiss für einen selbst längst passé ist. Sieht so ehrliche Mitarbeiterführung aus, Herr Osner?
Wenn die Spitze der Kulturbehörde eine solche Kommunikationskultur pflegt, dann wird auch die Kulturpolitik vergiftet. Ich würde mir sowohl vom Gemeinderat, als auch von der Verwaltung mehr Ehrlichkeit, Transparenz und Mut zur Auseinandersetzung wünschen. Dann stünden wir vielleicht am Anfang einer guten Stadtkultur.
Hallo Herr Stockmann,
erlauben Sie, dass ich Ihnen als Mitglied der städtischen „Personalauswahlkommission“ antworte. Das Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Theaterintendanten wird wieder weitgehend nichtöffentlich ablaufen, früher waren Wahlen von AmtsleiterInnen und anderen (herausragenden) FunktionsträgerInnen öffentlich. Begründet wird dieses Vorgehen, das die LLK immer wieder kritisiert und öffentliche Wahlen gefordert hat, u. a. damit, dass qualifiziertes Personal immer schwerer zu bekommen sei.
Aber zurück zur Nachfolge von Christoph Nix: im zuständigen Gremium Kulturausschuss (Holger Reile ist stimmberechtigtes Mitglied) wird, wie üblich, zeitnah das genaue Vorgehen beraten werden – insbesondere die Ausschreibung, das Anforderungsprofil und der Einsatz eines headhunters. Der Gemeinderat muss die Empfehlung des Kulturausschusses bestätigen und die Stelle wird ausgeschrieben. Die Bewerberinnen und Bewerber werden von der Verwaltung ausgesucht und stellen sich in der Personalauswahlkommission und im Kulturausschuss vor. Wer es in die Endrunde schafft, wird dann vom Gemeinderat gewählt werden. Nichtöffentlich, wie zu befürchten ist. Nur zur Erinnerung: Christoph Nix wurde 2005 in öffentlicher Sitzung gewählt.
@ Pit Wuhrer: ich habe zweimal für eine Verlängerung des Dienstvertrages mit Nix gestimmt, was sicherlich kein Geheimnis ist (siehe auch mein Kommentar bei „Ein Stück Solidarität für Nix“).
Es ist mir völlig unverständlich, dass Herr Osner ohne Einbeziehung derer, die die Theatertage stemmen sollten, nämlich Herr Nix mit seiner Mann/Frauschaft am Theater, mit „internen und externen Experten“ (wer sind diese und konnten sie auch die Argumente der Theaterseite hören?) und dem Bühnenverein gesprochen hat und zum Schluss kam, dass eine Verlängerung dem Theater nicht diene und die Durchführung der Theatertage nicht garantiere. All dies ohne Beteiligung der Betroffenen! Schlimmer, undurchsichtiger, undemokratischer geht es wirklich nicht!
Hat sich eigentlich schon einmal ein Jurist mit der Handhabung von „nicht öffentlichen Sitzungen“ bzw. „Geheimen Abstimmungen“ in der Gemeindeordnung beschäftigt? Das kann gar nicht sein, dass die ziemlich unerhebliche Verlängerung eines Vertrages – zumal die einzige Personalie keinerlei Bedürfnis nach Datenschutz hatte – zur nicht öffentlichen Sitzung erklärt wird. Es war im Gegenteil eine die Öffentlichkeit brennend interessierende Frage. Ganz zu schweigen von der darin auch noch durchgeführten „geheimen Abstimmung“. Die Bevölkerung hat ein großes Interesse daran, zu erfahren wer und warum ein Vertrag nicht verlängert wird, wenn es das kulturelle Leben der Stadt so stark verändert. Wenn hier die doppelte Geheimhaltung zwingend rechtens war, dann braucht man eine Satzungsänderung.
Im Dunkeln lässt sich gut munkeln.
Dass es so schlimm wurde und das „Munkeln“ zu irreversiblem Schaden führte, ist ein Skandal, den die betroffenen Mitglieder des Rates und der sog. Kulturbürgermeister verursacht haben. Nicht weil diese so abgestimmt und geredet haben sondern weil sie es im Geheimen getan haben.
Der Skandal – ja, Skandal! – um das Bodenseeforum einerseits, und die ausschließlich auf persönlichen Animositäten beruhende, schäbige Nix-Demontage andererseits – besser lässt sich die fachlich und menschlich erbärmliche Vorstellung unserer kommunalen „Führungsmannschaft“ nicht dokumentieren.
Es ist hier am See wie in „der großen Politik“ oder im Krimi: bad cop versus good cop! ?
Da sind dann den Spekulationen Tor und Tür geöffnet, die BürgerInnen können sich ja ihren Reim drauf machen!
Es wird höchste Zeit für Transparenz!
Wo, wenn nicht in der Kommunalpolitik, hier vor Ort?
Abgekartete Spiele, konstante Unbelehrbarkeit und Überheblichkeit, gepaart mit Dummheit… – letztlich kommt ja alles raus, leider oft zu spät!
Sehr gut der Hinweis auf die Theaterleute und deren Situation insgesamt.
Die Kaltblütigkeit neoliberaler „Denke“ ist mittlerweile fast überall.
Höchste Zeit dagegen zu stimmen und zu handeln.
Ja, vielen Dank Herr Reile für diesen Anfang.
Danke, Herr Reile, für diese offenen Worte.
Völlig einverstanden. Bei der Diskussion über das billige Revanchefoul eines Teil des Gemeinderats an Christoph Nix geht ja oft vergessen, dass nicht nur dessen Vertragsverlängerung und die Theatertage auf dem Spiel standen: Es ging auch um die Zukunft des exzellenten Theaterensembles. Und da würde einen schon interessieren, warum einem SPD-Bürgermeister die Belange von (übrigens ziemlich karg entlohnten) Beschäftigten offenbar egal sind.
Ansonsten erwarte auch ich von allen StadträtInnen, dass sie ihre Entscheidung öffentlich machen und begründen.
Pit Wuhrer
ver.di-Ortsverein Medien Konstanz
Vielen Dank, Herr Reile für dieses öffentlich gemachte Statement.
Für den politik- und kulturinteressierten Bürger jedoch klingt in Osners Verhalten auch ein bisschen durch, als stünde der/die kommende IntendantIn bereits in den Startlöchern – und bestand auf Vertragsbeginn wie ursprünglich „ausgeschrieben“. Würde auch irgendwie zum Hinterzimmer-Verhalten passen…
Apropos: Wann wird denn die Nix-Nachfolge ausgeschrieben, wie sind die nächsten Schritte und inwiefern sind Sie da involviert?