Demokratie-Defizit beim Bodenseeforum

Vergangenen Donnerstag stand das Prestigeprojekt Bodenseeforum erneut auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Die Verwaltung hat dem Gemeinderat eine Vorlage vorgelegt, die die Historie und wirtschaftliche Entwicklung des Bodenseeforums seit 2014 darlegt. Dabei wird ein Demokratie-Defizit in zweifacher Hinsicht deutlich – meint FGL-Rat Till Seiler, der exklusiv für seemoz seine Kritik formuliert.

Zunächst war bei der Entscheidung unmittelbar vor der letzten Gemeinderatswahl 2014 in Aussicht gestellt worden, dass zwar Steuergelder in den Erwerb und Umbau des damaligen Centrotherm-Gebäudes investiert werden müssten, dann aber ein Betrieb ohne operatives Defizit (die berühmte „schwarze Null“) möglich sei. „Ein Schnäppchen“ – so damals die BefürworterInnen des Projekts. Nun folgt vier Jahre später das Eingeständnis, dass dies von Anfang an illusorisch war: Der von der Ratsmehrheit beschlossene Wirtschaftsplan sieht bis einschließlich 2021 Einnahmen von jährlich ungefähr zwei Millionen Euro vor, denen Ausgaben von ungefähr vier Millionen Euro gegenüberstehen.

Davon kann ungefähr eine Million als „Abschreibung“ der Investitionskosten ausgeklammert werden, da ja tatsächlich eine Refinanzierung dieser Kosten nicht vorgesehen war. Das verbleibende operative Defizit von jährlich einer Millionen Euro ist jedoch auf keinen Fall akzeptabel – auch weil eine deutliche Reduzierung nicht abzusehen ist. Oberbürgermeister Uli Burchardt versucht zu beschwichtigen und behauptet, dass man sich dies „leisten“ könne und dass „auf nichts verzichtet“ werden müsse. Er lenkt also davon ab, dass diese Ausgaben in direkter Konkurrenz beispielsweise zu Mehrkosten durch mögliche Stellenvermehrungen stehen, die von der bürgerlichen Ratsmehrheit bei den Haushaltsdebatten immer wieder abgelehnt wurden. Hier sind etwa Stellen am Stadttheater oder für die Jugendarbeit zu nennen.

Des Weiteren war von einem „Haus für alle KonstanzerInnen“ die Rede – jetzt steht eher ein Kongressbetrieb für auswärtige Gäste im Mittelpunkt. Die versprochene Öffnung für Vereine erfolgte bisher nicht, da sich die entsprechenden Förderrichtlinien als nicht praktikabel erwiesen haben. Vor allem aber fehlt ein stimmiges Kulturkonzept – im Unterschied etwa zu Singen. Die dortige Stadthalle erhält auch hohe Zuschüsse. Dafür wird aber ein Gastspielbetrieb mit Abo-Reihen organisiert, so dass ein nachvollziehbarer Mehrwert für die Bevölkerung entsteht. Da wir in Konstanz zum Glück mit dem Stadttheater und der Philharmonie Einrichtungen haben, die entsprechende Kulturveranstaltungen und Abos auf hohem Niveau anbieten, wäre ein solcher Gastspielbetrieb für Konstanz natürlich keine Option. Es muss also ein anderes Konzept entwickelt werden – alle Überlegungen dazu sind bisher sehr diffus.

Die Aufarbeitung hat einige Fragen offen gelassen, auf die ich im Folgenden – jeweils mit dem Hinweis auf Lehren für die Zukunft – eingehe:

  1. Welche Verantwortung trägt die Kämmerei?
    Immer wieder wird die Beteiligungsverwaltung als zentrale Aufgabe der Kämmerei dargestellt: Warum war von diesem Amt nichts zu hören? Die Kämmerei muss die Gremien des Gemeinderats frühzeitig informieren, wenn es zu Problemen bei einer städtischen Beteiligung kommt.
  1. Wie agierte Interimsgeschäftsführer Friedhelm Schaal im Kontrollgremium Betriebsausschuss?
    Bei der Aufarbeitung muss festgestellt werden, dass vor dem Amtsantritt des amtierenden Geschäftsführers Andrew Lohmar keine „aktive Vermarktung“ betrieben wurde, so dass jetzt Einnahmen fehlen. Allerdings hat der damalige Interimsgeschäftsführer Friedhelm Schaal – gleichzeitig Chef der städtischen Wirtschaftsförderung – dem Betriebsausschuss Bodenseeforum in öffentlicher Sitzung im März 2017 vollmundig von erfolgreichen Vermarktungs-Aktivitäten berichtet – alles im Protokoll nachzulesen. In Zukunft sind solche irreführenden Berichte in Kontrollgremien zu unterlassen und Probleme umfassend darzustellen. Auch muss Oberbürgermeister Uli Burchardt seiner Verantwortung bei der Personalführung gerecht werden: Es kann nicht sein, dass ein offensichtlich überforderter Interimsgeschäftsführer dann quasi nebenbei noch neue Projekte der Wirtschaftsförderung stemmen soll (Handlungsprogramm Wirtschaft, Digitalisierungswettbewerb). Städtische Projekte dürfen nur dann initiiert werden, wenn auch Personal zur Umsetzung vorhanden ist.
  1. Gibt es eine verdeckte Finanzierung über städtische Veranstaltungen?
    Es ist im Moment spürbar, dass man sich verstärkt bemüht, städtische Veranstaltungen im Bodenseeforum durchzuführen. Dabei darf es nicht dazu kommen, dass bei ganz anderen Haushaltsposten hohe Ausgaben für Tagungen auftauchen, die letztlich der Querfinanzierung des Bodenseeforums dienen und die Transparenz der städtischen Finanzen vermindern.
  1. Wie ist die Kooperation mit der IHK zu bewerten?
    Die Bilanz der IHK ist eine völlig andere als diejenige der Stadt: Die Kammer verfügt jetzt über eine funktionale und schicke Zentrale mit Seerhein-Blick. Hier muss man sich schon fragen, ob die damalige Ad-hoc-Entscheidung für die Kooperation wirklich im Interesse der Stadt war oder ob es nicht besser gewesen wäre, das Projekt vollständig in städtischer Regie zu realisieren, um mehr Platz und Flexibilität für das Bodenseeforum zu haben. Der Oberbürgermeister möge in Zukunft bei aller Nähe zu den Wirtschaftsverbänden die Interessen der Stadt nicht aus dem Blick verlieren.

Es zeigt sich also, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem angeblichen „Jahrhundertprojekt“ weitergehen muss – insbesondere im Hinblick auf einen sorgsamen Umgang mit dem Geld der SteuerzahlerInnen.

Till Seiler